Nun geht auch meine Sommerpause zu Ende, die für mich zwar nicht drei Wochen durchgehenden Urlaub, aber zumindest phasenweise ein Durchatmen und Abstandnehmen vom Blogger-Geschäft der Finanzmärkte bedeutete. Dennoch ist natürlich der August-Absturz des DAX auch an mir nicht unbemerkt vorbeigegangen.
Der DAX geht runter, und schon sind die Ängste vor einer heftigen Abwärtskorrektur, zerplatzenden Blasen, schwarzen Schwänen et cetera wieder da. Wenn ich dann in der heutigen Ausgabe der Börsenzeitung lese, die niedrige Volatilität beim DAX treibe den Anlegern den Angstschweiß auf die Stirn, kann ich diese verstehen.
Als ich in der Freitagsausgabe der Börsenzeitung las, dass der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates New York der britischen Barclays Bank vorwirft, sie habe ihre Kunden beim Aktienhandel schutzlos aggressiven Investoren ausgeliefert, um selbst einen Vorteil daraus zu ziehen, fiel mir sogleich Bob Diamond ein. Der frühere Chef dieses Geldhauses hatte nämlich im Januar 2011 gefordert, mit der Kritik an den Bankern müsse endlich Schluss sein.
Ich bin schon erstaunt, dass das Ergebnis der Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank vom vergangenen Mittwoch auch noch bis zum Wochenende in den Finanzmedien diskutiert und kommentiert wurde - vielleicht eine Folge der transparenten Kommunikationspolitik der Fed.
Bis heute bin ich mir nicht im Klaren darüber, wie spektakulär und neu das Ergebnis der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank am vergangenen Donnerstag tatsächlich war. Bereits die Reaktion des Euro-Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar zeigt, dass zumindest die Devisenhändler sowohl eine Leitzinssenkung als auch negative Zinsen auf Bankeinlagen längst eingepreist hatten. Und auch die anderen von der Zentralbank beschlossenen Maßnahmen scheinen viele Akteure nicht von einem großen Wurf in Sachen Inflationsbekämpfung überzeugt zu haben. Ich selbst gehöre ebenfalls zu denen, die sich des Eindrucks nicht erwehren können, die EZB hinke den immer weiter sinkenden Inflationsraten derart hinterher, dass auch die jüngsten Maßnahmen kaum etwas ändern werden.
Viele Akteure glauben immer noch, dass Finanzmärkte vornehmlich ökonomischen Gesetzmäßigkeiten gehorchen. Gerade die vergangenen Jahre haben seit Beginn der Finanzkrise wieder einmal eindrucksvoll gezeigt, wie fundamentale Einschätzungen von Märkten über weite Strecken versagt haben und wie häufig große Trends von vielen Investoren verpasst wurden.
Börsianer haben derzeit ein echtes Problem: Selten erschien ihnen der Aktienmarkt so unverständlich und rätselhaft wie im Augenblick. Naturgemäß fällt es vielen Akteuren ohnehin schwer, trotz positiver Prognosen noch an der Spitze des Aufwärtstrends einzusteigen. Obwohl dies in erster Linie eine Frage des Referenzpunktes und nicht unbedingt eine Frage der Aktienkursbewertung ist.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Akteure an den Finanzmärkten das gestrige Spiel Italien gegen Uruguay mehr bewegt hat als irgendwelche ökonomischen Daten oder Aktienkurse.
Normalerweise regen sich die Teilnehmer an den Finanzmärkten über zu hohe Volatilität auf. Aber während dieser Tage scheinen viele Akteure ein anderes Problem zu haben: zu niedrige Volatilität. Und die ist bekanntermaßen zumindest in was eine punktuelle und selektive historische Betrachtung der Märkte angeht, nicht ganz ungefährlich.
Gerade schickt sich der DAX an, mit Mühen die 10.000er Marke zu erklimmen, aber da keine rechte Freude aufzukommen scheint, macht man sich natürlich Sorgen um den deutschen Anleger. Rechtzeitig zum seit Tagen geplanten medialen Jubelfest hat „Welt online“ deswegen eine Studie von Jens Kleine, Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin, veröffentlicht. Ja, wenn nach Recherchen von Ernst & Young 58 Prozent der DAX-Aktien sich in den Händen ausländischer Investoren befinden und nur 34 Prozent der Deutschen so wenig DAX-Werte wie noch nie zuvor besitzen, dann ist es tatsächlich schlecht bestellt um die heimische Börsenkultur.
Die jüngste BofA Merrill Lynch-Umfrage bringt wieder einmal Interessantes an den Tag. Danach sind in der vom 3. bis 10. Juli durchgeführten Erhebung netto 61 Prozent der Fonds in Dividendentiteln übergewichtet, was nicht nur einem kräftigen Zuwachs im Juli (nach 48 Prozent noch vor einem Monat), sondern auch dem höchsten Stand seit 13 Jahren entspricht.
Ich kann mich noch gut daran erinnern und es auch gar nicht so lange her, da spielten ein US-Arbeitsmarktbericht oder eine EZB-Sitzung eine so wichtige Rolle, dass man vielerorts von so genannten Event-Risiken sprach. Mit allen möglichen Folgen für die Finanzmärkte. Entsprechend risikoavers verhielten sich deren Akteure.
War am Samstag mit meiner Frau in der Oper. Trotz ausverkauftem Haus, wahrscheinlich wegen des gleichzeitig stattfindenden Fußballspiels Deutschland gegen Ghana, hatte ich bei eBay doch noch zwei der heißbegehrten Karten für die Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni erstehen können. Sie wissen schon, Don Giovanni, das ist der mit den vielen Frauen...
Die jüngste Zinssenkung der EZB hat mir ganz deutlich vor Augen geführt, dass herkömmliches Sparen auf dem Sparbuch oder via Tagesgeld keinen Sinn ergibt. Eigentlich müsste man den EZB-Beschluss als ganz klare Aufforderung lesen, hemmungslos zu investieren oder Geld für Konsumzwecke auszugeben.
Auch dieses Jahr scheint es nicht so richtig zu klappen mit der Börsenregel „Sell in May and go away“. Aber ich habe von solchen Weisheiten eh‘ nie viel gehalten. Immerhin bleiben denjenigen, die sich bislang zurückgehalten und sich ihre geplanten Mai-Verkäufe bis zum Monatsende aufgespart haben, noch zwei Tage übrig, möglicherweise an Himmelfahrt, am Allzeithoch und bei einem DAX-Stand von gleichzeitig 10.000 Zählern zu verkaufen. Das wäre doch genial, wenn das Börsenbarometer an dieser Stelle umkehren und danach für die nächsten Monate deutlich nach Süden ziehen würde.