Ein wichtiger Stupser

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, als das Kanzleramt vor ein paar Jahren gleich drei Stellen für Referenten mit Kenntnissen in Psychologie, Anthropologie und Verhaltensökonomik ausschrieb. Damals war ich überrascht, wie viele hämische Kommentare diese Stellenausschreibung provoziert hatte. Da verkündete die „Bild“-Zeitung: „Merkel will Psycho-Trainer anheuern“, während stern.de besorgt fragte, ob die Kanzlerin wohl auf die Couch müsse; sogar von einem möglichen Burnout Merkels war die Rede. In vielen Reaktionen klang an, dass man die Aufstockung des Beraterstabs im Kanzleramt als Anzeichen für eine wachsende Ratlosigkeit der Regierenden deutete, so als suchten diese verzweifelt nach einem Ausweg aus der Alternativlosigkeit der eigenen Politik. Zahlreiche Bürger ließen zudem unverblümt durchblicken, dass sie von Psychologie nichts halten. So gaben damals im Jahre 2014 in einer Umfrage von t-online etwa zwei Drittel von 1926 Teilnehmern an, dass sie es als unsinnig ansähen, wenn Psychologen den Politikern dabei helfen, neue Strategien für „wirksameres Regieren“ zu entwickeln.

Immerhin war damals andernorts der Grundstein einer verhaltensorientierten Politikberatung schon längst gelegt worden. So hatten etwa der Ökonom Richard Thaler und der Jurist Cass Sunstein die so genannte Methode des „Anstupsens“ im Jahre 2008 in ihrem Buch „Nudge“ eindrucksvoll dargestellt. Unter „Nudge“ versteht man das geschickte Platzieren von Anreizen und Argumenten, um auf diese Weise dem Bürger einen Schubs in die richtige Richtung zu geben, damit er „bessere“ Entscheidungen trifft. Dadurch sollen unter anderem langfristig die Staatsausgaben gesenkt werden. Denn es zeigt sich immer wieder, dass viele Menschen, sobald sie auf sich selbst gestellt sind, Entscheidungen treffen, die man nicht gerade als optimal bezeichnen möchte. Oft sind sie sich nämlich nicht über ihre Motive im Klaren, wodurch sie beeinflussbar werden.

Diese auch als „libertärer Paternalismus“ bezeichnete Methode ist jedoch immer noch bei vielen traditionellen Volkswirten verpönt, weil der Staat ihrer Meinung nach im Wortsinne nur das Beste von seinen Bürgern möchte und diese angeblich durch psychologische Tricks dahingehend manipuliert, ihm das auch zu geben. Im Grunde versucht die Politik beim so genannten Anstupsen jedoch lediglich, eine Entscheidungssituation argumentativ so aufzubereiten, dass das Handeln der Menschen unmerklich in die richtigen Bahnen gelenkt wird, ohne dabei die Freiheit des Einzelnen wirklich anzutasten. Tatsächlich macht der libertäre Paternalismus den Entscheidern aber keinerlei Vorschriften…

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GoldbergEin Beitrag von Joachim Goldberg.

Er beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein. Seitdem setzt er sich intensiv mit der ”Behavioral Finance” genannten verhaltensorientierten Finanzmarktanalyse auseinander.

Joachim Goldberg schreibt regelmäßig auf seinem Blog www.joachim-goldberg.com.

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