Zeitgenössische Kunst: Spiegel der Gesellschaft

Wie sich die Gegenwartskunst zwischen Kreativität und Konsum bewegt

Bildquelle: BMW

Der Begriff „zeitgenössisch“ wirft einige Fragen auf. Ist etwas zeitgenössisch, dass aus der aktuellen Zeit stammt? Muss es dazu noch modern sein?  Oder muss es einem Großteil der Gesellschaft gefallen, damit es „zeitgenössisch approved“ ist?

Wenn es um zeitgenössische Kunst geht, ist meistens das Gegenteil der Fall. Hier geht es nicht nur um schöne Bildchen, sondern vielmehr um Gesellschaftskritik, Provokation und das „Aus der Masse Herausstechen“ – und auch immer mehr um den Konsum. Denn die Kunst einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen, wird immer mehr zum Trend. Es stellt sich hier die Frage, ob die Verschmelzung von Kunst und Konsumgütern noch Kunst ist oder ob sich die Kunst dem Konsum unterordnet.

So wird zeitgenössische Kunst definiert

Zeitgenössische Kunst wird auch als Gegenwartskunst bezeichnet. Sie beginnt mit der Nachkriegszeit und reicht bis in die Gegenwart. Dabei handelt es sich um Kunst, die von Zeitgenossen geschaffen und von anderen Zeitgenossen als bedeutend wahrgenommen wird. In der Regel bezieht sich der Begriff zeitgenössische Kunst auf die Werke noch lebender Künstler, es wird aber auch von zeitgenössischer Kunst einer bestimmten Zeitperiode von bereits verstorbenen Künstlern gesprochen. Die zeitgenössische Kunst bezeichnet man auch als Aktuelle Kunst oder Contemporary Art.

Im Gegensatz zu anderen Kunstepochen, die sich durch einen bestimmten Kunststil definieren, bezieht sich die zeitgenössische Kunst auf Kunstwerke unterschiedlicher Stile. Die Werke zeitgenössischer Künstler können aus verschiedenen Genres stammen – der Malerei, der Fotografie, der Videokunst, der Bildhauerei oder der digitalen Kunst.

Kunst als Abbild der Gesellschaft

Häufig orientiert sich die zeitgenössische Kunst an aktuellen politischen, kulturellen oder gesellschaftlichen Themen und dient dem Künstler oder der Künstlerin dazu, die eigene Sicht der Welt zum Ausdruck zu bringen.

Dabei wird die Kunst häufig als Medium genutzt, um auf gesellschaftliche und politische Themen hinzuweisen. So zeichnet die zeitgenössische Kunst immer ein Spiegelbild der Gesellschaft ab und hat gleichzeitig das Ziel, zum Nachdenken anzuregen.

Installation Sträuße von Jeff Koons in Paris. (Bildquelle: Unsplash / Julio Wolf)

Wie unterscheidet sich die zeitgenössische von der modernen Kunst?

Die moderne Kunst oder Moderne ist eine Kunstperiode, die in den 1850er Jahren begann und in den 1960er Jahren mit der Pop Art endete. Zuvor war die Kunst dazu da, die Realität zu idealisieren und nach bestimmten Regeln abzubilden, doch nach der industriellen Revolution änderte sich das Verständnis von Kunst.

Die moderne Kunst versuchte nicht mehr, die Realität möglichst detailliert abzubilden, sondern brachte neue Wege der Darstellung hervor. Mit der Abkehr vom Realismus hatte die moderne Kunst das Ziel, die Realität frei nach der eigenen Perspektive darzustellen.

Zur Moderne zählen verschiedene Kunstrichtungen wie der Impressionismus mit dem bekannten Künstler Claude Monet, der Expressionismus mit Paul Gauguin, der Fauvismus mit Henri Matisse, der Surrealismus mit Salvador Dalí und der Kubismus mit Georges Braque.

Ein bekannter Künstler des Dadaismus ist Marcel Duchamp und für den Futurismus hat sich Filippo Tommaso Marinetti einen Namen gemacht. Zur letzten Kunstbewegung der Moderne zählt die Pop Art mit Künstlern wie Roy Lichtenstein.

Bedeutende zeitgenössische Künstler

Zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlern zählt der bereits verstorbene Amerikaner Andy Warhol, der seine Kritik an der Konsumgesellschaft durch sein Kunstwerk „Campbell‘ Soup Cans“ im Jahr 1962 zum Ausdruck brachte.

Ebenso berühmt ist der Pop-Art Künstler Keith Haring, der seine Karriere als Graffitikünstler begann. Jean-Michel Basquiat mit seinem berühmten Kunstwerk, das einem Totenkopf gleicht, zählt ebenfalls zu den zeitgenössischen Künstlern. Als erster afro-amerikanischer Künstler schaffte er den Durchbruch in der weißen Kunstwelt.

Jean-Michel Basquiat zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlern. (Bildquelle: Unsplash / Mike von SBSM)

Zu den noch lebenden Künstlern der zeitgenössischen Kunst gehört die englische Malerin Jenny Saville, die mit ihren übergroßen Selbstporträts wie „Propped“ Frauen darstellt, die nicht der Schönheitsnorm der Gesellschaft entsprechen.

Der Straßenkünstler Banksy darf in dieser Aufzählung ebenfalls nicht fehlen. Seine Werke wie „Girl with Balloon“, „Blumenwerfer“ oder „Sklavenarbeit“ sorgten für Aufsehen. Um seine provokante Kunst unerkannt bekanntzumachen, bleibt der wahre Künstler hinter dem Pseudonym Banksy verborgen. Auf Auktionen werden seine Werke für mehrere Millionen Euro versteigert.

Der britische Künstler David Hockney gehört ebenfalls zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sein bekanntes „Portrait of an Artist“ aus dem Jahr 1972, das einen Swimmingpool mit zwei Personen zeigt, wurde bei einer Auktion in New York für stolze 90 Millionen Dollar verkauft.

 

Künstler zwischen Kunst und Konsum: Jeff Koons

Der amerikanische Künstler Jeff Koons, geboren 1955 in York, ist aus der internationalen Kunstszene nicht mehr wegzudenken. Der ehemalige Börsenmakler an der Wall Street in New York konnte bereits im Jahr 2008 in einer großen Ausstellung mit Skulpturen, Gemälden und Installationen im Centre Pompidou in Paris seine Werke zeigen.

Die Kunstwerke von Koons umfassen Skulpturen in verschiedenen Materialien, Installationen, Fotografien und Gemälde. Jeff Koons ist als Künstler umstritten, denn er entwickelt zwar die kreativen Ideen für die Werke, führt diese aber nicht selbst aus. Ein ca. 100-köpfiges Team setzt seine Ideen in Kunstwerke um.

Jeff Koons hat zusammen mit BMW ein Kunstwerk erschaffen. (Bildquelle: BMW)

Zu Beginn seiner Karriere verwandelte Jeff Koons Konsumgüter, wie zum Beispiel Staubsauger, in Kunstwerke, er schuf provokante Werke mit seiner damaligen Ehefrau „Cicciolina“ und wurde schließlich mit den Ballon-Hunden in poppigen Farben weltberühmt.

Die Hunde erinnern an aus Luftballons geknotete Tiere. Es gibt sie in der Größe von 30 cm bis zu zehn Metern Höhe. Einer von Jeff Koons „Balloon Dogs“ aus Stahl wurde 2013 für 58,4 Millionen beim Auktionshaus Christie’s versteigert.

Berühmt ist ebenfalls Koons Skulptur „Rabbit“, die 2019 für 91 Millionen Dollar bei Christie‘s unter den Hammer kam. Außerdem gestaltete Koons das berühmte Albumcover „Artpop“ von Popstar Lady Gaga.

Für Aufregung sorgte kürzlich ein Zwischenfall auf einer Kunstmesse in den USA, wo ein Ballon-Hund im Wert von 42.000 Dollar, wohl versehentlich, von einer Besucherin umgestoßen wurde.

The 8 x Jeff Koons BMW des US-Künstlers Jeff Koons. (Bildquelle: BMW)

Koons designed Pop-BMW

In einer Kollaboration mit dem Autohersteller BMW hat Jeff Koons 2022 seinen Traum-BMW erschaffen. Die Edition „The 8 x Jeff Koons des BMW M850i xDrive Gran Coupé“ wurde in einer streng limitierten Auflage von nur 99 Exemplaren gebaut und ist das am aufwändigsten gestaltete Fahrzeug in der Firmengeschichte von BMW. Präsentiert wurde der Pop Art BMW anlässlich der Kunstmesse Frieze in Los Angeles auf der Melrose Avenue.

Das sportliche Design beinhaltet Elemente aus der Pop Art sowie geometrische Muster: Das jeweils seitlich angebrachte „POP!” und die Windwirbel symbolisieren laut Koons die Kraft und die Geschwindigkeit des The 8 x Jeff Koons.

Der Künstler selbst war mehrere Monate vor Ort, um seine Vision auf dieses Fahrzeug zu übertragen. Das Fahrzeug der Edition wurde auf der Heckklappe von Jeff Koons signiert und im April 2022 bei Christie’s in New York für 475.000 Dollar versteigert.

Figurative Kunst von Yayoi Kusama

Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama, geboren 1929 in Matsumoto in Japan, gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Aufgrund ihrer schweren Kindheit leidet sie schon ihr ganzes Leben an Zwangsstörungen und Halluzinationen. Ihre Angst vor dem Verschwinden der Individualität drückt sie in ihrer Kunst aus.

Die japanische Künstlerin ist bekannt für ihre figurative Kunst. (Bildquelle: Yayoi Kusama, 2022 Copyright of Yayoi Kusama Photo by Yusuke Miyazaki – Yayoi Kusama Museum)

Die Einflüsse für Kusamas Kunst stammen aus ihren Reisen von Tokio bis New York in den 50er und 60er Jahren, wo sie über ein Jahrzehnt lebte und dort Künstler wie Andy Warhol kennenlernte. Ihre Leidenschaft gilt vor allem der Pop-Art.

Nachdem sie im Jahr 1973 wieder nach Japan zurückgekehrt war, setzte sie ihre Werke fort. Mittlerweile dürften es schon mehr als 200 Unikate sein, die die japanische Ausnahme-Künstlerin erschaffen hat. Am bekanntesten ist sie für ihre Punkte, die alles bedecken, und einen Weg in die Unendlichkeit symbolisieren.

Die avantgardistische Kunst von Kusama ist farbenfroh und hypnotisch zugleich – sie dringt vollständig in den Raum ein. Durch die Schaffung ihrer Kunstwerke kann Yayoi Kusama ihre Krankheit regulieren und besser mit ihren Halluzinationen umgehen.

Ein berühmtes Gemälde von Yayoi Kusama ist “Flower” aus dem Jahr 1993, bei dem sie einen Widerspruch zwischen dem flüchtigen Leben einer Blume und der Unendlichkeit der Punkte darstellt. Im Jahr 1966 inszenierte sie eine bahnbrechende Installation auf der Biennale von Venedig, obwohl sie gar nicht eingeladen war.

Die Installation von Metallkugeln formte einen „kinetischen Teppich“ aus 15.000 spiegelnden Kugeln, die für zwei Dollar pro Stück an die Besucher verkauft wurden und die Seele des Betrachters reflektieren sollten.

Eine ebenfalls bekannte Installation eröffnete im Jahr 2000 ihre Pforten. Im Musée des Beaux-Arts in Nancy kann der „Infinity Mirror Room Fireflies on Water“, eine riesige glitzernde Installation, bewundert werden, die eine grenzenlose Unendlichkeit vorspielt.

Louis Vuitton x Yayoi Kusama Speedy 20 in blue Monogram Empreinte leather mit Infinity Dots. (Bildquelle: Louis Vuitton x Yayoi Kusama)

Gesichter, Kürbisse und Punkte

Yayoi Kusama arbeitet gerne mit figurativen Elementen, zum Beispiel ihren Kürbissen, die sie durch ihre menschenähnliche Beschaffenheit schon seit ihrer Kindheit faszinieren. Ebenso die unendlich wirkenden Punkte, die Ausdruck des Unbekannten sind. Mit dem Motiv der figurativen Blumen ließ Yayoi Kusama ihre Kindheit im ländlichen Japan wieder aufleben. Ihre jüngste Kreation sind die „Faces“, lustige Gesichter mit farbenfrohen Augen, die ihr großes Bedürfnis nach Freude widerspiegeln. Sie entstanden im Jahr 2009 und haben etwas von Surrealismus, denn sie wirken wie ein buntes Kaleidoskop aus Augen und stilisierten Zellen.

Keepall 55 mit Pumkins-Motiv von Yayoi Kusama. (Bildquelle: Louis Vuitton x Yayoi Kusama)

Das Luxushaus Louis Vuitton aus Paris brachte 2023 bereits zum zweiten Mal eine Kollektion mit Motiven von Yayoi Kusama heraus.

Ihre charakteristischen Motive der Unendlichkeit zieren sämtliche Produktkategorien des Luxusherstellers und bringen Farbe in die Kollektion: von Taschen, über Herren- und Damenbekleidung, Sonnenbrillen, Düften, bis hin zu Schuhen und Accessoires. Zur Louis Vuitton x Kusama Kollektion gehören Motive mit Kürbissen, Punkten, Gesichtern und Blumen.

Takashi Murakami gilt als Nachfolger Andy Warhols

Der japanische Künstler Takashi Murakami wurde 1962 in Tokio geboren und gilt als der erfolgreichste zeitgenössische Künstler Japans. Seine Werke konnten in den letzten Jahren etwa um den 20-fachen Wert steigen. Er wird oft als Nachfolger Andy Warhols angesehen.

Takashi Murakami studierte an der Tokyo University of the Arts und absolvierte eine Kunstausbildung nach japanischer Tradition. Unter anderem gehörte dazu das Studium der Nihonga-Malerei, bei der dreidimensionale Techniken wie Perspektive und Schattenwurf abgelehnt werden.

Murakami hielt diese Technik jedoch nicht für zeitgemäß und interessierte sich für die japanische Niedlichkeitsästhetik, liebte Mangas und Anime-Figuren.

Murakami entwickelt eigenen Kunststil

Daraus entwickelte er seinen eigenen Kunststil „Superflat“ (super flach) – eine comicartige Umsetzung von populären Motiven, bei denen es an Tiefe und Perspektive fehlt. Murakami ist besonders bekannt für seine bunten lächelnden Blumen und für Mr. DOB – eine mausartige Figur mit offenem Mund und scharfen Zähnen.

Takashi Murakami ist bekannt für seine kreativen Fashionprodukte. (Bildquelle: Hublot)

Die Popkunstwerke von Takashi Murakami sind eine Mischung aus Moderne und Tradition und werden als Neo-Pop oder Pop-Surrealismus bezeichnet. Bei Murakamis Kunst kann man die Verschmelzung von Kunst und Konsum feststellen. Dies ist ausdrücklich von ihm gewollt, denn er sieht sogar seine Merchandising-Produkte als Kunst an. Die zeitgenössischen japanischen Werke von Takashi Murakami werden von ihm entworfen, in seiner großen Firma Kaikai Kiki Co. gefertigt, auf dem Massenmarkt vermarktet und millionenfach verkauft.

Im Jahr 2002 ging Takashi Murakami eine Kollaboration mit Louis Vuitton ein, die ihn noch bekannter machte. Doch auch mit unzähligen anderen Fashion- und Uhrenmarken machte er gemeinsame Sache. Ebenso entwarf er 2022 eine Serie von 20.000 stylischen NFT-Avataren für die Krypto-Welt.

Die lächelnde Blume von Takashi Murakami ziert das Zifferblatt der neuen Hublot Uhr. (Bildquelle: Hublot)

Die Schweizer Uhrenmanufaktur Hublot mit Sitz in Nyon hat dieses Jahr ihr viertes Kunstprojekt in Kooperation mit dem japanischen Künstler vorgestellt. Es umfasst dreizehn NFTs und dreizehn Uhren-Unikate mit dem berühmten Motiv des japanischen Künstlers – der lächelnden Blume.

Die NFTs sind von japanischen Videospielen und Fernsehsendungen der 1970er Jahre inspiriert, genauso wie die Classic Fusion Takashi Murakami All Black, das Produkt der ersten Kooperation aus dem Jahr 2021.

Die NFTs sind mit einer limitierten Edition aus 13 neuen Einzelexemplaren der Classic Fusion verbunden und wurden exklusiv online auf einer Plattform zum Kauf angeboten, zu der nur die Besitzer von mindestens einem der 324 NFTs Zugang hatten.