„Manchmal geschieht zehn Jahre nichts, dann passiert in einer Woche mehr als in zehn Jahren“.
Das Zitat stammt von keinem geringeren als dem Ökonomen und Philosophen Karl Marx, bekannt durch sein Hauptwerk „Das Kapital“. Lange Zeit galt dieser Satz für die Künstliche Intelligenz. Die theoretischen Modelle wurden schon vor Jahrzehnten entwickelt. Das Problem lag in der Umsetzung: Es gab zu wenig digitale Daten und zu wenig Rechenleistung. Durch das Cloud-Computing, neue hochleistungsfähige Computer-Chips und die Unmengen an digital produzierten Daten haben sich die Voraussetzungen dramatisch verbessert.
Attraktives Gesicht
Mit der Veröffentlichung von Chat-GPT durch OpenAI Ende November 2022 hat die Künstliche Intelligenz ein attraktives Gesicht bekommen. Zunächst klingt es wie Spielerei: Man fragt über eine Eingabe und erhält eine meist stimmige Antwort, bis hin zu einer umfassenden Analyse. Chat-GPT ist gefüttert mit dem Wissen, das im Internet publiziert wurde, ob gut oder schlecht, deshalb gibt es aktuell auch noch Ausreißer, die zu fehlerhaften Interpretationen führen.
Doch dies ändert sich durch die Lerneffekte des KI-Modells schnell. Chat-GPT kommt zum genau richtigen Zeitpunkt: Die Tech-Welt war im „Nach-Corona-Kater“ und war auf der Suche nach „the next big thing“. Chat-GPT und die damit verbundenen KI-Modelle wirken nun wie eine Droge auf die Tech- und Wirtschaftswelt, deren Auswirkungen erst in zarten Zügen zu erkennen sind. Worum geht es wirklich?
Es geht um nichts weniger als um die Neudefinition der Arbeit. Um gewaltige Produktivitätssprünge. Historisch haben uns die zurückliegenden vier industriellen Revolutionen enorme Produktivitäts- und Wohlstandssprünge beschert. Die Künstliche Intelligenz kann uns nun auf ein ganz neues „Level“ bringen. Dies ist auch dringend notwendig, denn in allen großen Wirtschaftsräumen USA, Europa und China sinken die Erwerbszahlen in der kommenden Dekade dramatisch. Stichwort: Fachkräftemangel.
Ungeahnte Chancen
OpenAI, die Mutter hinter Chat-GPT, kommt in einem aufsehenerregenden wissenschaftlichen Papier zum Schluss, „…dass etwa 19 Prozent der Arbeitsplätze zu mindestens 50 Prozent von GPTs betroffen sind, wenn man sowohl die aktuellen Modellfähigkeiten als auch die erwartete GPT-gestützte Software berücksichtigt.“
Wenn wir davon ausgehen, dass die OpenAI-Studie impliziert, dass die Arbeitnehmer 50 Prozent weniger Zeit mit den Aufgaben verbringen, die von großen Sprachmodellen betroffen sind, sollten die USA von einer Verbesserung des BIP um vier Prozent profitieren, was etwa 1,05 Billionen US-Dollar entspricht. Mehr als eine Verdoppelung des erwarteten BIP-Wachstums. In den nächsten Ausgaben nehme ich mir einzelne Bereiche und deren Profiteure, auch aus Anlegersicht vor.
Ein Beitrag von Thomas Rappold
Er ist Internetunternehmer, Buchautor und Investor. Bereits mit 14 Jahren erlernte er die frühen Programmiersprachen im Selbststudium auf dem damaligen Kultcomputer Commodore C64. Er ist profunder Kenner des Silicon Valley und dort an verschiedenen Start-ups beteiligt.
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