Wachstumserwartungen für die deutsche Volkswirtschaft sinken

Das Inflationsziel der EZB von 2 Prozent dürfte im Laufe der nächsten Monate erreicht werden und die Notenbank vor diesem Hintergrund eine erste Leitzinssenkung spätestens im Juni vornehmen.

(Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank)

Sowohl das Kiel Institut für Weltwirtschaft als auch das ifo-Institut haben ihre Wachstumserwartungen für die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2024 deutlich auf 0,1 bzw. 0,2 Prozent nach unten korrigiert. Vor allem das erste Quartal fällt mit einer voraussichtlichen gesamtwirtschaftlichen Schrumpfung schwach aus. Die Kapazitätsauslastung der deutschen Industrie befindet sich mit nur noch 81 Prozent auf Rezessionsniveau. Im Jahresverlauf ist allerdings mit einer langsamen Stabilisierung der Konjunktur zu rechnen.

Inflationsziel bald erreicht?

Dabei dürfte eine erwartete Belebung in vielen europäischen Staaten sowie ein anhaltend dynamisches Wachstum in der Region Südostasien die Exportnachfrage antreiben. Zudem werden Industrieunternehmen in Erwartung einer steigenden Nachfrage ihre zuletzt deutlich gesunkenen Lagerbestände aufstocken. Nicht zuletzt sollten die – derzeit durch hohe Lohnabschlüsse bei gleichzeitig weiter sinkender Inflation – stark steigenden Realeinkommen für eine höhere private Konsumgüternachfrage sorgen.

Die noch schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage mildert den Preissteigerungsdruck in der Eurozone. Folglich hat die EZB ihre eigenen Inflationsprojektionen deutlich auf 2,3 Prozent im Jahr 2024 und 2,0 Prozent im Folgejahr gesenkt. Christine Lagarde führte zwar die aktuell hohen Lohnsteigerungen als Grund für weiterhin bestehende Inflationsgefahren an, bemerkte jedoch gleichzeitig, dass ein Teil davon durch sinkende Margen von Unternehmen kompensiert wird.

Zudem zeigte der Februar-Arbeitsmarktbericht für Deutschland einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit, so dass sich der Lohndruck nach dem Ende der laufenden Tarifverhandlungen und der Berücksichtigung der hohen Inflationsraten der letzten zwei Jahre normalisieren sollte. Wir gehen davon aus, dass das Inflationsziel der EZB von 2 Prozent im Laufe der nächsten Monate erreicht wird und die Notenbank vor diesem Hintergrund eine erste Leitzinssenkung spätestens im Juni vornehmen wird.

Für die US-Volkswirtschaft hingegen wird zwar weiterhin eine im Vergleich zum Vorjahr nachlassende Dynamik erwartet. Trotzdem wurden die Erwartungen auf rund 2 Prozent Wachstum nach oben korrigiert. Besonders der sehr gut ausgelastete Arbeitsmarkt sorgt für eine starke Nachfrage bei Dienstleistungen und Konsumgütern. Das Szenario einer Rezession wird für die US-Volkswirtschaft immer unwahrscheinlicher.

Werden die Leitzinsen bald gesenkt? (Bildquelle: unsplash / Chris Karnbach)

Weiterer Schwung für die Aktienmärkte

Trotz der – mit rund 3 Prozent – vergleichsweise hohen Inflationsrate dürfte die US-Notenbank Fed die Leitzinsen im Laufe des Sommers senken, denn das hohe Zinsniveau sorgt bereits für zunehmende Ausfallraten bei Konsumentenkrediten und Kreditkartenforderungen. Zudem stehen US-Regionalbanken durch den Preisverfall im Segment der gewerblichen Immobilienfinanzierungen unter erheblichem Druck.

Der Nationale Volkskongress in China hat sich auf ein Wachstumsziel in Höhe von 5 Prozent für das Jahr 2024 festgelegt. Um dieses zu erreichen, werden weitere gezielte fiskal- und geldpolitische Stimuli nötig sein, die über eine Steigerung der Exportnachfrage auch den ausgeprägten Auftragsmangel deutscher Industrieunternehmen etwas lindern dürften.

Zudem versucht die chinesische Regierung weiterhin den Binnenkonsum zu stärken und die Abhängigkeit insbesondere vom Handel mit westlichen Industriestaaten zu verringern. Gleichzeitig wurde eine Ausweitung der Militärausgaben beschlossen und betont, dass man Taiwan weiterhin als Teil Festlandchinas betrachte. Vor dem Hintergrund der potenziell enorm hohen ökonomischen Kosten für China halten wir eine kriegerische Eskalation des Taiwankonfliktes für vorerst unwahrscheinlich.

Die Perspektiven für die Aktienseite bleiben trotz vielfach erreichter Allzeithöchststände auf Indexebene konstruktiv. Vor allem europäische Aktienindizes sind aufgrund parallel ebenfalls gestiegener Unternehmensgewinne nicht überbewertet. Zudem sollten absehbare Zinssenkungen, die Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft und die anstehende US-Präsidentschaftswahl die Aktienmärkte unterstützen, wenngleich geopolitische Unsicherheiten als Risikofaktoren im Blick bleiben sollten. Wir gehen davon aus, dass der Selektion von Einzeltiteln eine große Bedeutung zukommen wird, denn insbesondere von der weiter steigenden Entwicklung und Nutzung Künstlicher Intelligenz werden einige, aber nicht alle Unternehmen deutlich profitieren.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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Bildquelle: Donner & Reuschel