Der große Bluff

(Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Wie Sie wissen, bin ich Berliner. So wie beispielsweise auch die große Marlene Dietrich, die 1901 in Schöneberg geboren wurde, das ab 1912 eingemeindet wurde und heute den südlichen Rand der Hauptstadt bildet. Und vor dessen Rathaus der legendäre US-Präsident John F. Kennedy den nicht minder legendären Satz „Ich bin ein Berliner“ sprach. Den ich mir etwas weiter oben quasi ausgeliehen habe. Albert Einstein, Kurt Tucholsky und David Bowie wohnten hier, und das KaDeWe, das berühmte „Kaufhaus des Westens“, kann es jederzeit mit dem Harrods in London aufnehmen, wie ich finde. Aber zurück zu Marlene Dietrich. Denn die spielte 1939 in der Westernkomödie „Der große Bluff“ die weibliche Hauptrolle und feierte damit ihr Comeback in Hollywood. Der Titel würde sich allerdings auch ganz hervorragend für das Lustspiel eignen, das Donald Trump und Amtskollege Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires gaben. Erinnern Sie sich noch, dass ich am Ende der vergangenen Ausgabe ein As im Ärmel des US-Präsidenten vermutete? Da lag ich verdammt richtig – konnte aber nicht ahnen, dass diese Karte gezinkt sein würde. Denn wie sich am Dienstag herausstellte, war die vom selbsternannten Dealmaker höchstpersönlich in die Welt getwitterte Rücknahme der chinesischen Strafzölle auf US-Automobile reine (und das ist jetzt wirklich die Ironie an der Geschichte) FAKE NEWS! Die Märkte reagierten prompt und gaben die kompletten Gewinne vom Wochenbeginn wieder ab. Und in der Folge noch viel mehr. Der vermeintliche Startschuss für die Jahresendrallye ging damit sowas von nach hinten/unten los, und es droht noch mehr Ungemach:

Inverse Zinsstruktur

Mit diesem sperrigen Begriff ist das Phänomen gemeint, wenn die Renditen für Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit höher liegen als die für Anleihen mit längerer Laufzeit. Eine besondere Beachtung wird dabei den Staatsanleihen mit zwei- und zehnjähriger Laufzeit geschenkt, oder besser noch: deren Verhältnis zueinander. Und da zeichnet sich in den USA schon seit geraumer Zeit eine Verflachung der Zinsstruktur ab, die nun sogar in die Inversion kippen könnte. Denn die Differenz zwischen der Renditen zehnjähriger und zweijähriger Staatsanleihen betrug am Dienstag nur noch 11 Basispunkte. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren, Ende 2013, lagen die beiden Kennzahlen 260 Basispunkte auseinander. Ja und? Ganz einfach – in der Vergangenheit folgte auf eine inverse Zinsstruktur stets eine Rezession, und zwar mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 24 Monaten, plus minus. Das könnte bedeuten, dass die Börsenparty 2020 vorbei ist. Kleiner Ausflug in die Volkswirtschaftslehre: Rezession = Phase des Abschwungs innerhalb des Konjunktur-Zyklus, der in vier Phasen unterteilt wird – Expansion/Aufschwung, Boom, Rezession/Abschwung und Depression. Definiert wird die Rezession über mindestens zwei Quartale hintereinander negatives Wachstum, als Referenz gilt das BIP. Und die möglichen Auswirkungen auf die Märkte dürften recht eindeutig sein. Was wir in den vergangenen Sitzungen gesehen haben, war unter diesen Umständen vielleicht ein kleiner Vorgeschmack auf eine größere Korrektur, die durchaus kommen kann. Und zwar nicht nur in den USA, sondern als eine Art Folgeerscheinung auch in Europa. Die Börse läuft der Wirtschaft bekanntlich voraus, und ist dies auch hier der Fall, sollten wir uns besser warm anziehen!

PrimequantsEin Beitrag von Sebastian Jonkisch von Prime Quants

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