Zwischen Angst und Hoffnung

Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG

Das dritte Quartal ist passe. Der Mut, zu Jahresbeginn die globale Schwäche vom Dezember an den Börsen zu nutzen, wurde belohnt. Der DAX erzielte seit Januar ein Plus von 16 Prozent, während der Weltindex der MSCI-Gruppe sogar auf einen Anstieg von 21 Prozent auf Eurobasis kommt, wobei die Dollarstärke allerdings mit eine Rolle spielte.

Nur zweimal – im Mai und August – wurde in diesem Jahr der globale Aufwärtstrend an den Börsen kurz unterbrochen. Damit bestätigte sich: Jede ausgeprägte Börsenschwäche seit dem Wirtschaftsaufschwung von 2009 ist als Kaufchance zu sehen. Die entscheidende Frage ist jetzt, wie geht es weiter?

Während der Finanzkrise von 2008 halbierten sich der Dow Jones und DAX innerhalb von 15 Monaten. Einen so starken Einbruch an der Börse hatte es an Wall Street seit der Weltwirtschaftskrise von 1929/1932 nicht gegeben. Der 2009 begonnene Wirtschafsaufschwung ist inzwischen der längste in der amerikanischen Geschichte!

Im Windschatten dieser Wirtschaftsentwicklung hat der Dow Jones seit März 2009 ein Plus von 320 Prozent zugelegt, was einem jährlichen Anstieg von fast 15 Prozent entspricht. Der DAX kommt auf einen ähnlichen Jahresdurchschnitt bis Januar 2018, als er sein Rekordhoch von 13.600 Punkten erreichte. Allerdings sind diese Ergebnisse nicht vergleichbar, da im DAX die Dividenden miteingeschlossen sind und das aktuelle DAX Niveau fast 10 Prozent unter seinem Rekordhoch liegt. Insofern schneidet die Wall Street bisher besser ab als die Börse in Frankfurt. Von der Bewertung her (Kurs-Gewinn-Verhältnis) ist jedoch Deutschland fast 20 Prozent günstiger als die USA. Allerdings befindet sich Deutschland am Rande einer Rezession, während die USA ein Wachstum von rund zwei Prozent aufweist.

Das momentan schwache Wirtschaftsbild in Deutschland hat primär geopolitische Gründe. Hierfür ist in erster Linie der amerikanische Präsident verantwortlich. Sein Handelsstreit mit China schadet der ganzen Welt. Künstliche Handelsschranken verunsichern Unternehmen und stellen Investitionen zurück. Trump behandelt die globale Wirtschaft wie ein Immobiliengeschäft, wo er entgegen seiner eigenen Einschätzung nicht sehr erfolgreich war. Den Banken hat er es zu verdanken, dass er seine Pleiten überlebte. Der erhoffte Durchbruch bei den Handelsgesprächen mit China blieb bisher aus. Zollschranken schaden in erster Linie nicht China sondern dem amerikanischen Verbraucher, der höhere Preise zahlen muss. In den USA ist die Angst vor einer Rezession in jüngster Zeit deutlich gestiegen, auch wenn es dafür bisher keine tatsächlichen Beweise gibt. Psychologie ist allerdings sowohl in der Wirtschaft als auch an der Börse ein wichtiger Faktor.

Die geopolitische Strategie von Trump beruht fast ausschließlich auf seinen täglichen Twitter-Meldungen von maximal 280 Anschlägen. So etwas hat es in der Weltgeschichte noch nie gegeben. Die in 13 Monaten bevorstehende Präsidentschaftswahl, die er unbedingt gewinnen will, wird ihn jedoch zwingen, seinen Konfrontationskurs nicht nur gegenüber China sondern auch der restlichen Welt entscheidend zu mildern. Das Ausscheiden seines starren Sicherheitsberaters John R. Bolton ist vielleicht ein erstes Anzeichen dafür.

Europa hat hingegen seinen eigenen Trump in Person von Boris Johnson. Kommt es zu einem harten Brexit, wirft dies etliche Verwirrungen auf, die an der Börse keinen Beifall finden. Wird Johnson dagegen zum Rücktritt gezwungen, so ergeben sich neue Perspektiven. Eine Entspannung zwischen den USA und Iran, sowie eine graduelle Verbesserung der Wirtschaft in China würden das Weltwirtschaftswachstum wiederbeleben. Davon würde auch Deutschland entscheidend profitieren und die unmittelbaren Rezessionssorgen überwinden. Die jüngste Börsenerholung deutet dies an, zumal der Rentenmarkt bei den niedrigen Zinsen und teilweise sogar Negativzinsen keine Alternative offeriert.

Mein DAX Ziel für dieses Jahr bleibt somit 13.000 und beim Dow Jones 28.000, sofern sich die Rezessionswarnungen und Sorgen für 2020 als nichtig erweisen. Dies ist der Unterschied zwischen Hoffnung und Angst!

Ein Beitrag von Heiko Thieme 

 

Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline. www: heiko-thieme.club

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