“Die Deutsche Börse ist gut beraten, Wirecard sofort aus dem DAX zu entfernen”

Bildquelle: Pressefoto DSW

Der DAX wird am 1. Juli 32 Jahre alt. Dieser Geburtstag gibt allen Anlass zum Feiern, denn Deutschlands wichtigster Aktienindex schreibt eine beeindruckende Erfolgs-Story, oder doch nicht? Die marktEINBLICKE-Redaktion hat dazu Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) befragt.

Sind die mehr als drei Jahrzehnte DAX eine Erfolgsgeschichte?
Das ist definitiv der Fall. Der DAX zeigt sich ausgesprochen hartnäckig sowie zielstrebig und hat auch die eine oder andere herbe Herausforderung nach kürzester Zeit wieder ausgeglichen. Wer vor 32 Jahren in den DAX investiert hat, ist ein glücklicher Anleger.

Wie wichtig für die darbende deutsche Aktienkultur ist ein international renommierter Index?
Der DAX ist und bleibt das Fieberthermometer und die Orientierung für Anleger. Auch wenn man mit der zweiten und auch dritten Reihe und damit mit dem MDAX sowie dem SDAX in den letzten Jahren auch so manches Mal deutlich besser lag, ist und bleibt der DAX30 als Leitindex für alle Anleger der zentrale Kompass.

Welche Kritikpunkte gibt es derzeit am Index?
Der DAX muss schauen, dass er ein ausgeglichenes Leben führt. Beim DAX bedeutet das, dass nicht einzelne Branchen ein zu großes Schwergewicht darstellen. Banken und Versicherungen auf der einen Seite und die Automobilwerte auf der anderen Seite sind nicht ohne Dominanz. Da tut es dem DAX gut, dass in den letzten Jahren Unternehmen wie Vonovia oder ganz aktuell die Deutsche Wohnen hinzugekommen sind.

Wie schätzen Sie die Folgen der Wirecard-Pleite und den Indexverbleib bis September ein?
Die Deutsche Börse ist gut beraten, Wirecard sofort aus dem DAX zu entfernen. Andere Indices, wie z. B. der EuroStoxx, sehen mit Stellung eines Insolvenzantrages einen Exit vor. Hier sollte auch die Deutsche Börse reagieren. Wir brauchen weder einen Untoten, noch ein Mahnmal im DAX. Das tut weder dem Index, noch dem Erscheinungsbild der Deutschen Börse gut.

Müssen die Indexregeln überarbeitet werden?
Definitiv müssen wir schauen, dass der DAX sich selbst schützt und gerade der Fall Wirecard zeigt ja, wie dringend das nötig ist. Wenn die Wirecard AG nun bis September im DAX verbleiben müsste, würde das auch alle anderen Unternehmen und vor allen Dingen auch den Index selbst belasten. Warum dies so sein sollte, verschließt sich mir vollends.

Wie sähe ein idealer deutscher Leitindex aus Ihrer Sicht aus?
Da ist der DAX nicht wirklich weit weg. Natürlich kommt es auf Größe an und auch auf die Liquidität in der Aktie. Diese Parameter müssen bleiben. Ein Branchenmix ist auch enorm wichtig, damit der DAX nicht zu anfällig wird. Alles entscheidend ist aber das Thema Vertrauen und damit die Transparenz der Unternehmen. Die Börse muss den Widerspruch aufklären, dass sie möglichst viele Unternehmen an die Börse locken möchte, zugleich aber von den Unternehmen hohe Transparenzstandards abzuverlangen hat. Hier gibt es aber nur eine Antwort: Volle Transparenz. Wer das Geld der Anleger einsammelt, muss im Gegenzug als Währung – besonders im DAX – das höchste Maß an Transparenz bieten. Dabei sollten auch die Themen Corporate Governance und Compliance mehr in den Fokus zu rücken. Die Deutsche Börse ist als selbst gelistetes Unternehmen sicherlich ihren Aktionären verpflichtet. In Sachen DAX und Listing kann dies aber allein bedeuten, den Schutz der Anleger und des Marktes an die erste Position zu stellen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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