DAX wieder bei 10.000 Punkten – Ausblick auf das vierte Quartal

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Aktien sind und bleiben im aktuellen Niedrigzinsumfeld gefragt, daran besteht kein Zweifel. Sowohl die lockere europäische Geldpolitik als auch die alles andere als sicher zeitnah bevorstehende Zinswende in den USA sorgen für viel Liquidität im Markt, die seitens der Investoren nach Rendite sucht. Damit sollte langfristig auch der Deutsche Aktienindex seinen Aufwärtstrend aus den vergangenen Jahren fortsetzen können. Zuletzt allerdings sahen wir verschiedene Faktoren, die den DAX wieder unter 10.000 Punkte gedrückt haben, was einem Rückgang von mehr als 20 Prozent seit dem Hoch bei 12.400 Zählern im April entspricht. Um einen Ausblick auf das Potenzial oder das weitere Rückschlagrisiko im vierten Quartal zu ermitteln, lohnt sich nicht nur ein Blick auf die Gründe, die zur Korrektur im DAX geführt haben, sondern auch auf die potenziellen Impulse, die in den letzten drei Monaten des Jahres noch ihre Wirkung entfalten können.

Erst Griechenland, dann China…

Zunächst war da die Unsicherheit um das griechische Hilfspaket und damit verknüpft die Frage, ob Griechenland im Euro-Währungsverbund bleiben wird. Sahen wir nach der Einigung zwischen Geldgebern und der griechischen Regierung eine Erholungsrally, kam der noch heftigere Dämpfer in den Markt: Die chinesische Wachstumsschwäche zusammen mit den Turbulenzen an den chinesischen Börsen. Als zweitgrößte Volkswirtschaft und inzwischen mit einer erheblichen Kapitalisierung der chinesischen Börsen erbebt inzwischen weltweit der Börsenboden, wenn es dort zu Turbulenzen kommt. Nicht zu vergessen sind die Sorgen vor einer erhöhten Drehzahl des weltweiten Währungsabwertungswettlaufs nach der überraschenden Yuan-Abwertung. Außerdem stellte die Unsicherheit über den weiteren Fahrplan der US-Geldpolitik eine Bremse für weitere Kursgewinne dar. Wie wir an der Reaktion der Marktteilnehmer nach dem Aussetzen der Zinswende auf der letzten Offenmarktausschuss-Sitzung gesehen haben, war ein kleiner Zinsschritt wohl schon eingepreist. Stattdessen richtet die US-Notenbank Fed auch den Blick der Marktteilnehmer nun wieder stärker auf die globalen Konjunktursorgen, allen voran um China und lässt damit die Unsicherheit über die weitere US-Geldpolitik im Markt. Investoren mögen keine Unsicherheit und bedrohlich erscheint auch der Vertrauensverlust in die US-Notenbank.

… und jetzt noch der VW-Skandal

Ein weiterer großer Unsicherheitsfaktor für den deutschen Aktienmarkt ist zweifelsohne die Frage nach den Auswirkungen des Abgas-Skandals bei Volkswagen. Ob das sogenannte „Dieselgate“ ein VW-Thema bleibt oder auf die anderen wohlmöglich nicht nur deutschen Autobauer überschwappt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer abschätzen. Analysieren lässt sich allerdings die große Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von seiner Vorzeigeindustrie, der Autobranche. Nicht nur, dass allein bis zu 600.000 Menschen direkt oder indirekt für die Marken des VW-Konzerns arbeiten, auf dem gesamten deutschen Arbeitsmarkt hängt einer von sechs Arbeitsplätzen an der Autoindustrie. 18 Prozent aller deutschen Exporte gehen kommen aus dieser Branche. Es bleibt abzuwarten, wie stark die Marke „Made in Germany“ durch diesen Skandal beschädigt wird, was dann wiederum auch die deutsche Wirtschaftsleistung insgesamt beeinträchtigen dürfte. Zumindest hat dieses Thema durchaus das Potenzial, den deutschen Aktienmarkt im vierten Quartal weiter zu belasten.

Die Rolle der Geldpolitik

Überraschend war im August der Schritt der chinesischen Notenbank, den Yuan abzuwerten, um die Wettbewerbsfähigkeit Chinas zu verbessern. Aber durch die Abwertung des Euro nach der letzten EZB-Pressekonferenz sowie durch den Anstieg des US-Dollar in Antizipation einer baldigen Zinswende in den USA wurde knapp die Hälfte dieser Yuan-Schwäche schon wieder zunichte gemacht. Mit dem unsicheren Ausblick der US-Geldpolitik, die sogar eine Zinswende erst im nächsten Jahr möglich erscheinen lässt, könnte der US-Dollar etwas von seinem Aufwärtsdruck abgeben und so auch beim Yuan etwas für Entspannung sorgen. Da insbesondere deutsche Unternehmen in China exponiert sind, dürfte die Hoffnung auf eine Stabilisierung der Konjunkturaussichten in China dem DAX dann zugute kommen.

Die EZB dürfte ebenso versucht sein, einem stärkeren Euro entgegenzutreten. Bereits auf ihrer Sitzung im September signalisierte sie mit der Anhebung des erlaubten Limits von Käufen von Staatsanleihen eines Landes 25 auf 33 Prozent des neuemittierten Volumens, dass sie sich auf eine Ausweitung des Staatsanleihekaufprogrammes vorbereitet. In einer jüngeren Umfrage von Bloomberg erwarten 68 Prozent der befragten Volkswirte eine Ausweitung des EZB-Staatsanleihekaufprogrammes noch bis Dezember. An den Aktienmärkten könnte das die Alternativlosigkeit der Aktie weiter forcieren und als stimulierender Impuls gewertet werden.

Niedrige Bewertung des DAX

Sehen wir in den kommenden Monaten eine Entspannung oder Verbesserung in den oben genannten Punkten, könnte der DAX zu einer Erholungsrally ansetzen, denn die Stimmung ist aktuell so schlecht wie lange nicht. Viel Pessimismus ist auch in Punkto China bereits eingepreist. Auf der Habenseite liefern die lockere EZB-Geldpolitik, ein schwacher Euro und niedrige Rohstoffpreise durchaus Argumente für eine Jahresend-Rally im DAX. Was sich auf dem aktuellen Niveau konstatieren lässt, ist eine im historischen Durchschnitt günstige Bewertung. So wird seit der Auflegung des „DAX-Index“ 1988 dieser im Median mit einem Verhältnis des Kurs zu den erwarteten Unternehmensgewinnen von 13,3 gehandelt. Bei einer aktuellen KGV-Bewertung von 12 besteht Aufwertungspotenzial, denn dies kommt einem Abschlag von 10 Prozent gleich. Im historischen Mittel müsste der DAX also bei 11.500 Punkten stehen.

Positiver Impuls durch starke Zuwanderung

Ein Faktor, der aktuell noch vernachlässigt wird, aber in den kommenden Monaten möglicherweise noch eingepreist werden muss, ist der massive Zustrom von Flüchtlingen in den europäischen, allen voran deutschen Raum. Die Bundesregierung geht dieses Jahr offiziell noch von 800.000 Asylbewerbern aus, inzwischen wird aber auch schon die Zahl von 1,5 Millionen Flüchtlingen herumgereicht, und auch in den kommenden Jahren dürfte der Zustrom anhalten. Insbesondere kurz- und mittelfristig dürften sich die benötigten zusätzlichen Ausgaben durch die Bundesregierung als positive Stimuli für die Wirtschaft erweisen. Die Immigration dürfte sich als ein kleines Konjunkturprogramm entpuppen, welches laut Einschätzungen verschiedener Institute allein im Jahr 2015 zu einer Steigerung des nominalen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 Prozent führen könnte. Während die Rufe des IWF, der USA und der europäischen Nachbarländer nach mehr Ausgaben durch die Bundesregierung relativ erfolglos blieben und Deutschland sich der schwarzen Null im Haushalt verpflichtet sieht, bleibt aufgrund der akuten Lage nichts anderes übrig, als zu reagieren. Die Schätzungen pro Person und Jahr für die Unterbringung und Verpflegung liegen bei rund 12.000 Euro, tendenziell sogar noch höher. Ein Aspekt, der in den kommenden Jahren ausschlaggebend sein könnte, ist auch eine Entspannung am deutschen Arbeitsmarkt. Denn zuletzt zeigte sich eine steigende Knappheit am deutschen Arbeitsmarkt in der Form, dass Unternehmen immer größere Schwierigkeiten haben, offene Stellen zu besetzen.

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Der DAX aus der Sicht der Charttechnik

Aus charttechnischer Sicht ist die Bildung eines Bodens zwischen 8.350 und 10.000 Punkten wahrscheinlich. Dabei sticht insbesondere die Zone um 9.300 hervor. Zuletzt sahen wir einen Abprall von diesem Niveau, welches im DAX die Chance auf die Ausbildung eines Doppelbodens ermöglicht. Die Bestätigung dieses Doppelbodens allerdings benötigt einen Ausbruch über das Erholungshoch um 10.500 Zähler. Bis dahin bleibt der Abwärtstrend intakt und somit ist auch die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass wir im DAX noch einmal tiefer fallen, auch da die Aufwärtstrendlinie von 2011 zum jetzigen Zeitpunkt bedrohlich nah liegt und noch nicht abschließend als sicher verteidigt bezeichnet werden kann. Auch angesichts der bestehenden Unsicherheit um die weitere Konjunkturentwicklung und Geldpolitik erscheint ein Rückfall unter 9.000 Punkte wahrscheinlich. Eine potenzielle Anlaufstation stellt dann die 8.700-Punkte-Marke dar. Bei spätestens 8.350 Zählern dann dürfte aber auch der Letzte die Möglichkeit wahrnehmen, wieder in den Markt einzusteigen. Eine zunehmende Divergenz zeigt sich aktuell im Wochenchart beim MACD, die ebenfalls auf den überverkauften Status hinweist. Denn wie oben beschrieben sind die Bedingungen für eine erneute Rally nicht schlecht. Gelingt dem DAX der Anstieg über die 11.000-Punkte-Marke, könnte sich das Sentiment wieder zugunsten einer Fortsetzung der Rekordjagd entwickeln. Angesichts der zuletzt gesehenen Volatilität ist dabei ein neuer Rekordschluss zum Ende des Jahres nicht ganz ausgeschlossen. Hierzu allerdings müsste sich die Datenlage aus China aber erheblich verbessern oder im Reich der Mitte ein massives Konjunkturprogramm aufgelegt werden.

Andreas PaciorekEin Beitrag von Andreas Paciorek

Er ist Market Analyst Germany & Austria bei CMC Markets, Frankfurt.
Davor arbeitete er bei der Bank of Tokyo Mitsubishi in Frankfurt sowie bei der Varengold Bank. Paciorek hat ein Diplom der Universität Bonn im Bereich Regionalwissenschaften Japan mit Schwerpunkt Wirtschaft.

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