Schlussgong: Niedrig-Zins-Politik – die Lebensversicherungen funken SOS

Die Aktienmärkte haben sich gestern wieder stabilisiert. Eine dynamische Gegenbewegung blieb jedoch aus. Die meisten Indizes legten moderat um 0,5 bis 1,0% zu und pendelten um “glatte” Marken: Der DAX stieg wieder auf 5.700 Punkte, der Dow Jones auf 10.400 und der S&P 500 auf 1.100 Punkte. Der ATX legte um knapp 2% zu und erreichte fast wieder 2.500 Punkte. Allerdings war des Vortagesverlust in Österreich besonders hoch ausgefallen. Daher war eine etwas stärkere Gegenbewegung auch zu erwarten gewesen.

Allianz Lebensversicherung kürzt 2010 die Ausschüttungen

Während die Entwicklung an den Aktienmärkten recht unspektakulär war, sorgte die Allianz für Schlagzeilen: Die Kunden der Allianz Lebensversicherung müssen zukünftig mit geringeren Renditen rechnen. Die Überschussbeteiligung sinkt 2010 von 4,5 auf 4,3%. Das klingt harmlos, sieht aber anders aus, wenn man die Gesamtverzinsung betrachtet. Diese wird 2010 voraussichtlich unter die 5%-Marke fallen. Psychologisch ist das ein großer Unterschied, ob die Versicherung mit 4,9 oder mit 5,1% werben kann. Renditen von über 5% klingen noch recht üppig, steht aber eine 4 vor dem Komma, wirkt das nicht mehr so anziehend. Diese Kürzung hat hohe Wellen ausgelöst, weil die Allianz mit Abstand der Marktführer ist und als Orientierungspunkt für andere Lebensversicherungen gilt. Es wird viele Nachahmer geben.

Das sinkende Zins-Niveau belastet die Renditen

Die deutsche Boombranche Lebensversicherungen muss sich 2010 auf Gegenwind einstellen. Die Versicherungsgesellschaften rechnen mit sinkenden Zahlen im Neugeschäft. Angesichts der Rendite-Entwicklung ist das nicht erstaunlich. So lag die durchschnittliche Gesamtverzinsung vor 10 Jahren noch bei über 7%. Aktuell liegt der Durchschnittswert nur noch bei 4,28%. Die Tendenz geht also klar in eine negative Richtung. Die Hauptursache muss nicht lange gesucht werden: Die Mini-Zinsen. Die Umlaufrendite der deutschen Staatsanleihen liegt bei 2,86%. Wie bereits mehrfach hier im Schlussgong geschrieben: Mit solchen Renditen können Lebensversicherungen nicht lange leben.

Die Alternativen: Auf Zins-Wende warten oder umschichten

Schon jetzt hinterfragen einige Versicherungsexperten kritisch, ob die 4 bis 5%, die aktuell ausgeschüttet werden, im laufenden Jahr erwirtschaftet wurden, oder ob nicht immer häufiger Reserven aufgelöst werden, damit die Renditen nur langsam gesenkt werden müssen. Eine Senkung von 4,5 auf 3,5% würde für ein riesiges Medienecho sorgen. Die Lebensversicherungen (das gilt aber zum Beispiel auch für Pensionsfonds) haben im Prinzip nur 2 Möglichkeiten: Abwarten und beten, dass die Zinsen wieder steigen (rund 80% des Kapitals investieren deutsche Lebensversicherungen in festverzinsliche Wertpapiere), oder aber eine Umschichtung in Anlage-Klassen mit einer anderen Chancen-Risiko-Verteilung (Aktien, Private Equity, Immobilien, Rohstoffe).

Die Staatsverschuldung erlaubt keine hohen Zinsen

Aufgrund der rasant gestiegenen Staatsschulden halte ich massive Zins-Erhöhungen für ausgeschlossen. Die Notenbanken sind zwar auf dem Papier unabhängig, wissen aber sehr genau, welche Zinsbelastung für die Staaten noch tragbar ist. Unwahrscheinlich, dass eine Notenbank den Staat durch massive Zins-Erhöhungen in Schwierigkeiten bringt. Den Lebensversicherungen bleibt dann noch die Möglichkeit, in Anlageklassen mit höheren Rendite-Chancen zu investieren. Das könnte am Aktienmarkt zu einem Comeback der Dividenden-Titel führen. Langfristig bringen Aktien mit hohen Dividenden die besten Erträge, aber in jüngster Zeit war diese Strategie nicht so erfolgreich wie in der Vergangenheit. Durch das niedrige Kursniveau und die hohen Dividenden kommen selbst solide Versorger wie Eon oder RWE auf Dividenden-Renditen von 5 bis 7%. In der Telekom-Branche sind sogar teilweise noch höhere Renditen möglich.

Aktien mit hohen Dividenden-Renditen sind attraktiv

Für Versicherungen, die nicht auf Kurssteigerungen angewiesen sind, aber mit Dividenden-Renditen von über 5% gut leben können, sind das sehr attraktive Konditionen. Und wie der Zufall es will, gibt es aktuell Überlegungen, Dividenden-Erträge für Versicherungen attraktiver zu gestalten und den Aktien-Besitz nicht durch scharfe Bilanzregeln zu “bestrafen”. In der neuen Ausgabe des Depot-Optimierers gehe ich auf diese Thematik und mögliche Auswirkungen auf die Aktienmärkte genauer ein.

Fazit: Je länger die Niedrig-Zins-Phase dauert, desto attraktiver wird für die Versicherungen der Einstieg in dividendenstarke Aktien. Das könnte auch erklären, warum einige DAX-Unternehmen krampfhaft versuchen, trotz der Konjunkturkrise eine hohe Ausschüttung zu ermöglichen.