Schlussgong: AIG – der Ausverkauf beim ehemaligen Weltmarktführer geht weiter

Mit einem kräftigen Kursanstieg haben sich heute die europäischen Aktienmärkte in das Wochenende verabschiedet. Der DAX schloss im Xetra-Handel bei 5.877 Punkten. Gelingt am Montag ein guter Wochenstart, kann schon in der nächsten Handelswoche die Marke von 6.000 Punkten angetestet werden.

Für Rückenwind sorgte ein Thema, das in den vergangenen Wochen fast immer Kursverluste ausgelöst hat: Der amerikanische Arbeitsmarkt. Das Arbeitsministerium hat heute die Zahlen für Februar veröffentlicht. Die Arbeitslosenquote blieb mit offiziell 9,7% stabil (die inoffizielle Quote liegt bei rund 17% und zeigt das wahre Drama auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt).

Die positive Überraschung war, dass im Februar „nur“ 34.000 Amerikaner ihren Job verloren haben. Aufgrund des harten Winters hatten die Konjunkturforscher mit dem Abbau von rund 50.000 Arbeitsplätzen gerechnet.

Arbeitslosenzahlen liefern Argumente für Fortsetzung der Null-Zins-Politik

Hinter der positiven Reaktion der Aktionäre auf die heutigen Arbeitsmarktzahlen steckt folgender Gedanke: Die Zahlen waren nicht so katastrophal, dass ein erneuter Konjunkturabsturz zu befürchten ist, aber gleichzeitig waren die Zahlen nicht so gut, dass eine schnelle Zins-Erhöhung „droht“.

Das heißt: Die Arbeitsmarktzahlen bieten dem US-Notenbank-Chef Ben Bernanke ausreichend Argumente, seine Null-Zins-Politik zu verteidigen. Das billige Geld bleibt im Markt und stützt die Liquiditätshausse am Aktienmarkt.

Bemerkenswert: Keine Horrornachrichten von AIG

Positive Nachrichten gab es aber auch von den US-Unternehmen. Wobei das Wort „positiv“ eigentlich nicht in einem Satz mit dem Versicherungskonzern American International Group (AIG) benutzt werden sollte.

Zur Erinnerung: AIG ist das Unternehmen, das den zweifelhaften Rekord hält, den höchsten Jahresverlust in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte verursacht zu haben. 2008 hat der ehemals größte Versicherungskonzern der Welt 99 Mrd. Dollar verbrannt. Ich bin sicher: Es wurde eifrig getrickst, damit der Verlust nicht im dreistelligen Milliardenbereich liegt.

Die Hintergründe des Absturzes habe ich hier im Schlussgong mehrfach beschrieben. Im Archiv können Sie die Artikel aus dem März 2009 noch einmal lesen.

Selbst 6% Tagesgewinn ändern nichts am faktischen Totalverlust für Altaktionäre

Heute gehört die AIG-Aktie mit einem Tagesplus von über 6% zu den Tagesgewinnern an der Wall Street. Die Aktie nähert sich der 30-Dollar-Marke. Für die Altaktionäre ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Kaum zu fassen, aber die AIG-Aktie notierte kurz vor dem Crash bei knapp 1.500 Dollar. Wer in den Jahren 2000 bis 2007 rund 1.000 bis 2.000 Dollar je Aktie gezahlt hat, interessiert sich heute nicht für Kursgewinne von 1 oder 2 Dollar auf Tagesbasis. Der „gefühlte“ Totalverlust bleibt.

Der Staat muss nicht noch mehr Opfer bringen

Freuen können sich daher heute nicht so sehr die Altaktionäre, sondern der neue Großaktionär: Der amerikanische Staat. AIG benötigte über 100 Mrd. Dollar Staatshilfe. Im Gegenzug übernahm der Staat rund 80% der Aktien.

Unter staatlicher Aufsicht hat das AIG-Management jetzt einen großen Auftrag: Der Staat will sein Geld zurück. Schrittweise werden die Filetstücke des Versicherungskonzerns verkauft. Mit den Verkaufserlösen können aktuelle Verluste abgedeckt werden (neue Staatshilfe wird dadurch überflüssig) und erste Raten an den Staat zurückgezahlt werden.

50 Mrd. Dollar Verkaufserlös in nur einer Woche

Wenn man diesen Geschäftszweck berücksichtigt, war das eine sehr gute Woche für AIG und für den amerikanischen Staat. Am Montag hat AIG die asiatische Lebensversicherungstochter für 35,5 Mrd. Dollar an den britischen Konkurrenten Prudential verkauft.

Heute melden einige Medien, dass ein weiterer großer Deal noch am Wochenende folgen wird. Die US-Lebensversicherungstochter Alico soll für 15 Mrd. Dollar an den US-Wettbewerber Metlife verkauft werden. Insgesamt ergibt das Verkaufserlöse von gut 50 Mrd. Dollar – und das in nur einer Woche.

Mehr Geld für neue Rettungsaktionen

Wenn der „Ausverkauf“ des ehemaligen Marktführers weiterhin so gut läuft, kann der Gesamtschaden, für den jetzt noch zu einem großen Teil die amerikanischen Steuerzahler aufkommen müssen, deutlich reduziert werden. Die schlimmsten Befürchtungen treffen nicht ein.

Das bedeutet auch: Jede Rückzahlung verschafft dem US-Finanzminister etwas mehr Luft. Wenn AIG weniger Hilfe benötigt, ist mehr Kapital für andere Unternehmen vorhanden. Es können noch ein paar Löcher gestopft werden. Da ich auch in diesem Jahr mit mehr als 100 Bank-Pleiten in den USA rechne, wird es genug Bittsteller geben.