Aktienmarkt auch weiterhin konkurrenzlos?

(Bildquelle: Heiko Thieme)

Seit dem globalen Börsencrash im März vergangenen Jahres, als an Wall Street die führenden Börsenindices rund 40 Prozent innerhalb eines Monats verloren und in Deutschland der DAX ähnlich hohe Verluste aufwies, kam es in den anschließenden 12 Monaten zu einer beispiellosen Erholung von gut 80 Prozent. So etwas – minus 40 plus 80 – hat es in der Börsengeschichte in einem so kurzen Zeitraum von nur 13 Monaten noch nie gegeben.

Rekordjagd an den Börsen

Der Dow Jones und DAX stiegen zwei Tage vor Ende des ersten Quartals auf neue Rekordhöhen und weisen seit Jahresbeginn ein Plus von jeweils rund acht Prozent auf. Dieses Tempo würde einen Jahresanstieg von über 30 Prozent bedeuten und den DAX bei 18.000 Punkten und den Dow Jones am Jahresende bei 40.000 sehen. Diese Extrapolation ist jedoch unrealistisch. Allerdings wird dieses Jahr noch etwas besser abschließen, als ich es in meiner Prognose Ende November bezifferte.

Die Bandbreite für den Dow Jones sehe ich jetzt in diesem Jahr zwischen 28.000 und 36.000 – im November nannte ich die 25.500 bis 33.500 Marken. Beim DAX lag meine Erwartung zwischen 11.000 bis 15.000 Punkten. Jetzt rechne ich mit einer Bandbreite zwischen 12.500 bis 16.000 Punkten.

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US-Wirtschaftswachstum im Fokus

Den Grund für das höhere Börsen Potenzial in den USA und Deutschland liefert die schnellere Überwindung der Corona-Pandemie. Zwar gibt es momentan noch etliche Fragezeichen hierzu besonders in Deutschland, jedoch rechne ich mit deutlichen Verbesserungen in den kommenden Monaten nach einem bisher sehr enttäuschenden Start in Deutschland und auch auf EU-Ebene. Hier gilt die Devise: aus Fehlern möglichst schnell lernen.

Die erwarteten Wachstumsraten in den USA liegen für dieses Jahr bei mindestens 6 Prozent. Dies wäre das beste Ergebnis seit 1983, als Ronald Reagan Präsident war. In Deutschland soll das Wirtschaftswachstum allerdings nur halb so hoch ausfallen. Der Export ist hierbei ein entscheidender Wachstumsmotor. Die Bundestagswahlen im September sind aus heutiger Sicht ein möglicher Belastungsfaktor für die Börse. Nach dem jüngsten Einbruch der CDU ist offen, welche Partei den Kanzler stellt. Meines Erachtens wäre Söder der beste Kandidat.

Korrekturen bleiben ein Thema

Im weiteren Jahresverlauf rechne ich trotz meiner angehobenen Kurserwartungen für den Dow Jones und DAX mit einer Korrektur von 10 bis 15 Prozent an beiden Börsenplätzen. Die Börsengeschichte beweist, dass es selbst in Hausse Jahren irgendwann aus welchen Gründen auch immer eine Korrektur gibt. Einen Vorgeschmack hat es hierzu bereits im ersten Quartal gegeben. Der TecDAX verlor nach seinem Rekordhoch im Februar über 10 Prozent innerhalb von knapp drei Wochen, um sich dann wieder zu erholen.

Solche „Schlaglöcher“ sind normal. Genauso war es in den USA beim Freiverkehrsmarkt (NASDAQ), wo Technologiewerte und Internetunternehmen im Vorjahr aufgrund der Corona Krise einen kometenhaften Anstieg vorlegten, der bis Februar dieses Jahres anhielt, bevor eine kurze Korrektur von über 11 Prozent eintrat nach dem Stichwort:

Gewinnmitnahme verarmt nicht! Die Realwirtschaft steht momentan im Vordergrund, nachdem dieser Wirtschaftsbereich im Vorjahr total zusammenbrach. Die Hoffnung, dass die Corona Pandemie im Laufe dieses Jahres bezwungen wird, gab dafür.  den Ausschlag. Übertreibungen werden an der Börse immer wieder „bestraft“ oder „belohnt“.

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Die Sache mit der deutschen Börsenkultur

Die in Deutschland bisher total vernachlässigte Börsenkultur wurde durch die Corona-Krise und den damit verbundenen „Lockdown“ von vielen entdeckt und brachte aufgrund des ungewöhnlichen Hausse Jahres oft beachtliche Gewinne. Solange Anleger die Börse nicht mit einem Spielkasino verwechseln und spektakuläre ad-hoc-Resultate erwarten, wäre dieser neue, Corona bedingte Trend sehr zu begrüßen.

Seit nunmehr 50 Jahren bemühe ich mich in verschiedenen Funktionen, die Börse für alle als eine ideale Basis für einen langfristigen Vermögensaufbau zu entdecken. Kaum zu glauben, dass die Corona-Krise dazu den Startschuss im vergangenen Jahr gab. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich hierbei nicht nur um eine „Eintagsfliege“ handelt, sondern einen neuen Dauerzustand, von dem alle profitieren können.

Aktienmärkte bleiben konkurrenzlos

Warnungen vor einem nachhaltigen Inflationsanstieg begleitet von spürbar höheren Zinsen teile ich nicht. Die Notenbanken werden ihre Niedrigzinspolitik in den kommenden zwei bis drei Jahren fortsetzen. Deutlich gestiegene Arbeitslosenraten aufgrund der Pandemie werden temporäre Preissteigerungen wieder eindämmen.

Der Rentenmarkt ist somit weiterhin uninteressant, solange Renditen für 10-jährige Staatsanleihen in den USA und Deutschland unter der Drei-Prozent-Marke bleiben. So gesehen sind die Aktienmärkte weiterhin konkurrenzlos, obwohl die aktuelle Bewertung aus historischer Sicht keinesfalls billig oder preiswert ist. Wie immer ist alles relativ und das nicht nur im Leben, sondern auch an der Börse!

Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline.
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