Schlussgong: Börsen-Neuling Kabel Deutschland ist kein „Pflicht-Kauf“

Der DAX schloss heute fast genau auf dem Vortagesniveau. Dennoch war das kein langweiliger Tag am deutschen Aktienmarkt. Zum ersten Mal seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 wagte wieder ein größeres Unternehmen den Gang an die Börse.

Der Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland feierte heute seinen ersten Börsentag. Der Eröffnungskurs lag bei 22,50 Euro, doch nach dem Schlussgong notierte der Kurs mit 22,24 Euro leicht im Minus. Wenn nach einer so langen Durststrecke der erste Börsenneuling am Premierentag nicht einmal das Startniveau halten kann, ist das kein gutes Zeichen.

Geschäftsmodell macht Bewertung in Deutschland schwierig

Die relativ schwache Entwicklung überrascht mich aber nicht wirklich. Schon im Vorfeld war klar, dass das Interesse der Privatinvestoren nicht sonderlich groß ist. Ein Grund ist, dass das Geschäftsmodell von Kabel Deutschland (die Verbindung von TV, Internet und Telefon) hier noch keine Tradition hat. Eine Bewertung fällt auch schwer, da es in Deutschland kein vergleichbares Unternehmen gibt, das ein Kabelnetz betreibt und an der Börse notiert.

Die Banken, die den Börsengang durchgezogen haben, sind daher im Ausland auf Investorensuche gegangen. Da es im angelsächsischen Raum vergleichbare Untenehmen gibt, haben die Banken dort Werbung gemacht und auch zahlungswillige Investoren gefunden. Deutsche Privatanleger wurden dagegen kaum umworben.

Börsenerlös für Alteigentümer und Schuldentilgung

Ein zweiter Schwachpunkt ist die Mittelverwendung. Das Kapital aus dem Börsengang soll nicht schwerpunktmäßig das weitere Wachstum finanzieren, sondern ermöglicht den Alteigentümern einen eleganten Ausstieg. Auch dieser Umstand macht die Aktie nicht unbedingt zu einem „Pflicht-Kauf“ für Privatinvestoren.

Die Mittelverwendung ist auch ein kritischer Punkt bei den weiteren Börsengängen, die in diesen Tagen über die Bühne gehen. Beim Chemielogistikkonzern Brenntag läuft die Zeichnungsfrist noch bis zum 26. März und beim Modekonzern Tom Tailor bis zum 24. März.

Auch in diesen beiden Fällen soll ein Großteil des Kapitals an die Alteigentümer gehen oder zur Schuldensenkung genutzt werden (was immerhin einen positiven Bilanz-Effekt hat). Aber auch hier wäre es aus Sicht der Privatinvestoren attraktiver, wenn mehr Geld für operative Zwecke in der Kasse bleiben würde.

Brenntag und Tom Tailor sind besser zu berechnen

Die Börsengänge von Brenntag und Tom Tailor werden voraussichtlich etwas besser als bei Kabel Deutschland laufen, da zumindest die Geschäftsmodelle (Mode und Chemielogistik) leichter verständlich sind und die Kennzahlen mit ähnlichen Unternehmen aus der Branche verglichen werden können.

Gesunder IPO-Markt als Indikator für das Ende der Finanzmarktkrise

Fazit: Die 3 Börsenkandidaten Kabel Deutschland, Brenntag und Tom Tailor sind auf Basis der vorliegenden Daten sicherlich keine „Pflicht-Käufe“ für Privatinvestoren.

Dennoch gibt es einen positiven Effekt: Sollten alle 3 Börsengänge relativ glatt über die Bühne gehen, wäre das der „Eisbrecher“ für den deutschen IPO-Markt (IPO = Initial Public Offering = erstmaliges öffentliches Anbieten von Aktien an der Börse). Dann werden sich auch bald erstklassige Unternehmen, die auf bessere Zeiten gewartet haben, an die Börse wagen und den Kurszettel bereichern.
Wird 2010 zu einem guten IPO-Jahr, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass die Finanzmarktkrise langsam überwunden ist.