Ist Chinas Comeback endlich in Sicht?

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COVID-19, die Handelsstreitigkeiten mit den USA und ein schwieriger Immobilienmarkt hatten zuletzt nicht das allerbeste Bild von der chinesischen Wirtschaft gezeichnet. Mittel- bis langfristig sollten sich in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt allerdings auch für Anleger weitere Renditechance eröffnen.

China bleibt das globale Sorgenkind

Im Frühjahr dieses Jahres konnte die Weltöffentlichkeit mitansehen, wie China die Riesenmetropole Shanghai abriegelte, um die Ausbreitung der COVID-19-Omikronvariante in den Griff zu bekommen. Nach einem wochenlangen Lockdown wurden viele der Beschränkungsmaßnahmen in Shanghai wieder aufgehoben. Dies bedeutete noch lange nicht das Ende der sogenannten „Zero-COVID“-Strategie der Pekinger Führung. Zuletzt musste China erneut mit steigenden Fallzahlen bei den Corona-Ansteckungen fertig werden. Als Reaktion wurden neue Beschränkungen in Städten wie Shenzhen, Dalian oder Tianjin erlassen.

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Bereits im Frühjahr 2022 sowie im Verlauf der vergangenen Jahre zeigte sich, wie sehr das Lockdown-bedingte Zurückfahren der Produktion in vielen chinesischen Fabriken bis hin zum Stillstand die weltweiten Lieferketten belasten kann. Ganz besonders stehen dabei die vielbeschäftigten Häfen in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt im Fokus. Wenn diese stillstehen, zeigen sich die Auswirkungen in der gesamten Weltwirtschaft. Die Folgen zeigen sich aber auch in China selbst. Im ersten Halbjahr 2022 wuchs die heimische Wirtschaft laut dem Staatlichen Amt für Statistik (NBS) noch um 2,5 Prozent.

Chinas Verbraucher werden vorsichtiger

Im zweiten Quartal lag die Wachstumsrate nur noch bei 0,4 Prozent. Angesichts der Stimmung rund um COVID-19 ist es auch um die Verbraucherstimmung in China nicht besonders gut bestellt. Nicht umsonst hatten selbst einige westliche Unternehmen wie der Sportartikelhersteller adidas oder der Elektrowagenbauer Tesla zwischenzeitliche Probleme, beim Erreichen bestimmter Ziele, mit ihrem China-Geschäft begründet. Dabei spielt derzeit nicht nur COVID-19 eine wichtige Rolle, wenn es um die Einschätzung der Gesundheit der chinesischen Wirtschaft geht.

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Zu Chinas alten Problemen gesellen sich neue hinzu

Seit einigen Jahren herrscht ein Handelskonflikt zwischen China und den USA. Verstärkt wurde dieser durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Zuletzt drückte sich der Streit beispielsweise darin aus, dass immer mehr an US-Börsen gelistete Unternehmen aus China, wie der E-Commerce-Riese Alibaba, auch eine Zweitnotierung ihrer Aktien in Hongkong durchführten. Während die USA mehr Transparenz von diesen Unternehmen fordern, ist eine zu freizügige Herausgabe von Daten vonseiten der chinesischen Unternehmen der Pekinger Regierung ein Dorn im Auge.

Im Mittelpunkt der Streitigkeiten zwischen den beiden Weltmächten steht auch der Umgang Pekings mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang. Das jüngste Kapitel betrifft wiederum wichtige Technologien. So hat die US-Regierung den Verkauf bestimmter Produkte des Spezialisten für Grafikprozessoren, NVIDIA, nach China untersagt. Die neuesten Exportbeschränkungen betreffen Hochleistungs-Chips im Bereich der Künstlichen Intelligenz, die auch für militärische Zwecke verwendet werden könnten. Erst mit einer Lizenz wird NVIDIA solche Produkte nach China und in diesem Fall auch nach Russland liefern können. Dies ist auch eine Reaktion auf die Konflikte in der Ukraine und den Streit rund um Taiwan.

Die Haltung Chinas zu Russland trägt nicht zur Entspannung bei

Es wird deutlich, dass der Krieg in der Ukraine indirekt auch die Verhältnisse westlicher Staaten mit China belastet hat, da sich China in diesem Konflikt auf die Seite Russlands gestellt hat. Zu allem Überfluss hat China im wirtschaftlichen Bereich auch mit genügend hausgemachten Herausforderungen zu kämpfen.

Nach vielen Jahren des ungezügelten Wachstums, im Zuge dessen der Immobiliensektor den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Chinas angekurbelt hatte, ist dieser zuletzt immer mehr zu einem Belastungsfaktor geworden. Stellvertretend steht dafür die Schieflage des Immobilienentwicklers Evergrande. Trotz dieser Herausforderungen wird der Anlagestandort China in den kommenden Jahren nicht uninteressant bleiben.

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Chinas Zentralbank geht ihren eigenen Weg

Während die Fed und die EZB gerade dabei sind, die Leitzinsen im Kampf gegen die hohe Inflation zu erhöhen, geht die chinesische Zentralbank einen anderen Weg. Im Kampf gegen die durch die „Zero-COVID“-Politik und die Immobilienkrise verursachte wirtschaftliche Schwäche wurden die Leitzinsen jüngst abgesenkt. Mitte August wurde der Referenzzins für einjährige Darlehen an einige Finanzinstitute (MLF) um 0,10 Prozentpunkte auf 2,75 Prozent herabgesenkt.

Bei den sogenannten Reverse-Repo-Geschäften ging es wiederum mit dem Schlüsselsatz ebenfalls um 0,10 Prozentpunkte nach unten, in diesem Fall auf 2,0 Prozent. Es waren nicht die letzten solchen Maßnahmen. Später folgten weitere Lockerungen bei einigen Zinssätzen für Immobilienkredite. Damit scheint die chinesische Zentralbank nicht nur willens, die Wirtschaft anzukurbeln. Anders als ihre Pendants im Westen wie die EZB oder die Fed hat sie noch einiges an Raum für weitere Leitzinssenkungen, während die Währungshüter hierzulande und auf der anderen Seite des Atlantiks inflationsbedingt gerade den anderen Weg gehen müssen.

Gleichzeitig dürfte die chinesische Wirtschaft in den kommenden Jahren angesichts einer jungen Bevölkerung und der wachsenden Mittelschicht einiges an Potenzial mitbringen. Zumal die Regierung viele Trends unterstützt. Dazu gehört der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme. Dieser soll in Zukunft einen stärkeren Fokus auf den Konsum ermöglichen, weg von der Konzentration auf eine exportorientierte Industrieproduktion. Außerdem wird kräftig in Zukunftsfelder wie die Elektromobilität, Erneuerbare Energien oder den Tech-Sektor investiert.

mE-FAZIT

Chinas Wirtschaft steht unverändert vor großen Aufgaben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Anleger diesen Markt völlig abschreiben sollten. Chancen sind für Risiko-bewusste Anleger mehr denn je vorhanden. Denn die Regierung in Peking und die chinesische Zentralbank haben gezeigt, dass sie viele der benötigten Mittel haben und auch bereit sind, diese einzusetzen, um die schwächelnde Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Wann der Turnaorund kommt ist eine Frage der Zeit, die Anleger wiederum einkalkulieren sollten. Die ehemals schnelle Rendite mit Investments in China ist erst einmal vorbei.

 

red. mE / Bildquelle: unsplash / Freeman Zhou