Die Gratwanderung der Notenbanken

Mitte März wurde mit der Pleite zweier US-Regionalbanken offensichtlich, dass von den Notenbanken eine unerwünschte Kettenreaktion ausgelöst wurde, denn die gestiegenen Zinsen haben bei Banken mit großen Anleiheportfolios zu massiven unrealisierten Verlusten geführt.

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Trotz ultra-expansiver Geldpolitik vieler Notenbanken wurde das Ziel höherer Inflationsraten – im Fall der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent – jahrelang nicht erreicht. Gleichwohl hatten Null- und Negativzinsen erhebliche Nebenwirkungen. So wurden im Rahmen der Kapitalanlage vielfach immer größere Risiken eingegangen, um ausbleibende Zinserträge zu ersetzen. Gekauft wurden Aktien, Immobilien, Edelmetalle, Krypto- und sonstige Anlagen mit der Folge stark steigender Kurse in nahezu allen Anlageklassen. Einige Banken haben zudem in großem Stil Staatsanleihen erworben, die nicht mit Eigenkapital zu unterlegen waren und in Zeiten stetig sinkender Renditen ordentliche Kursgewinne erzielten.

Zahlreiche Krisen

Erst im Zuge der Coronakrise mit der Unterbrechung von Lieferketten, massiv steigenden Energie- und Rohstoffpreisen sowie verstärkt durch den Ukrainekonflikt stieg die Inflation rasant an. EZB & Co. reagierten mit drastischen Leitzinsanhebungen, deren Ausmaße prozentual betrachtet historisch beispiellos sind. Wieder entstanden Nebenwirkungen, beginnend mit erheblichen Kursverlusten bei genau den Kapitalanlagen, die zinsinduziert vorher auf immer neue Höhen getrieben wurden. Die Anpassung der Bewertungen an das neue positive Nominalzinsniveau erfasste schließlich auch den Immobilienmarkt.

Mitte März wurde dann mit der Pleite zweier US-Regionalbanken offensichtlich, dass sogar eine unerwünschte Kettenreaktion ausgelöst wurde, denn die gestiegenen Zinsen haben bei Banken mit großen Anleiheportfolios zu massiven unrealisierten Verlusten geführt. Wenn, wie im Fall der Silicon Valley Bank, plötzlich Zweifel an der Standhaftigkeit der Bank aufkommen und Anleger beginnen ihre Einlagen abzuziehen, müssen diese Verluste realisiert werden und können zum Kollaps des Instituts führen.

Finanzkrise ist unwahrscheinlich

Auch wenn aus heutiger Sicht die Entwicklung einer größeren, gar globalen Finanzkrise unwahrscheinlich ist, müssen die Notenbanken künftig neben der Inflationsbekämpfung daher auch die Stabilität des Finanzsystems im Blick behalten. Entsprechend hat die US-Notenbank Fed trotz eines klar angekündigten weiteren Zinserhöhungszyklus und des begonnenen Abbaus der eigenen Wertpapierbestände zur kurzfristigen Stabilisierung des Finanzsystems eine zusätzliche Refinanzierungsmöglichkeit für US-Banken zur Verfügung gestellt. Dem Ziel der Inflationsbekämpfung ist dies nicht dienlich, aber man muss derzeit Prioritäten setzen. Damit wird die Geldpolitik bis auf weiteres ein noch wichtigerer Einflussfaktor an den internationalen Kapitalmärkten bleiben.

Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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