Die Wachstumserwartungen für das laufende und das kommende Jahr bleiben insbesondere für viele Industriestaaten verhalten.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhöhte zwar die Erwartung an das globale Wachstum für 2023 leicht auf 3,0 Prozent, gefolgt von ebenfalls 3,0 Prozent im Jahr 2024. Allerdings gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen der Gruppe der Industriestaaten mit rund 1,5 Prozent und der Gruppe der Schwellenländer mit 4 Prozent Wachstumserwartung.
Die höchsten Wachstumsraten haben die Regionen Asien und Afrika vorzuweisen, wobei aufgrund des weit höheren Anteils an der globalen Wertschöpfung weltwirtschaftlich Asien im Fokus steht. Die Wachstumstreiber sind dort vor allem China und Indien. Indien liegt zwar mit erwarteten Wachstumsraten von 6,1 und 6,3 Prozent vorn, hat aber nur einen kleineren Anteil am globalen kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 von 7,25 Prozent.
Demgegenüber stehen 5,2 und 4,5 Prozent erwartetes Wachstum in China mit einem BIP-Anteil in Höhe von 18,5 Prozent. Auch wenn Indien in den kommenden Jahren aufholen dürfte, bleibt weltwirtschaftlich vor allem die chinesische Volkswirtschaft ein wichtiger Einflussfaktor. Hier überwiegen jedoch derzeit strukturelle Probleme – neben der fehlenden Exportnachfrage aus den USA und Europa vor allem die demografische Alterung und die anhaltende Schwäche des Immobiliensektors – und bremsen damit auch die globale Industriedynamik aus.
Offensichtlich wurden die Probleme zuletzt anhand der chinesischen Außenhandelsdaten für Juli. Neben einem Einbruch der Exporte im Vergleich mit dem Vorjahr um 14,5 Prozent sanken auch die Importe unerwartet deutlich um 12,4 Prozent und verdeutlichen die schwache Inlandsnachfrage. Auch deswegen fiel die Unternehmensstimmung gemäß aktueller Einkaufsmanagerindizes im Industriesektor weiter unter de Expansionsschwelle von 50 Punkten, vor allem in Deutschland mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt auf der exportorientierten Industrie.
In den USA deutet sich zwar ebenfalls eine weitere konjunkturelle Abschwächung an, allerdings dürfte die in den kommenden Quartalen erwartete Rezession nur verhalten ausfallen. Auf Gesamtjahressicht erwartet der IWF 1,8 Prozent Wachstum in diesem und 1,0 Prozent Wachstum im nächsten Jahr. Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe dürfte gemäß aktueller Einkaufsmanagerindizes künftig nur leicht nachgeben, während Dienstleister ihre Produktion voraussichtlich weiter ausweiten können. Gestützt wird die US-Wirtschaft vor allem vom privaten Konsum, der angesichts der anhaltend hohen Beschäftigungslage zuletzt sogar eine steigendes Zuversicht zu verzeichnen hatte.
Die Inflationsraten bleiben auch nach den jüngsten Leitzinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed aus Sicht der Währungshüter zu hoch und unberechenbar. Daher werden beide Notenbanken weiterhin datenabhängig ihre jeweilige geldpolitische Ausrichtung festlegen. Während vonseiten der EZB noch mit einer weiteren Leitzinsanhebung im September zu rechnen ist, dürfte die Fed zunächst abwarten und die Zinsen nicht weiter anheben. Leitzinssenkungen sind in der Eurozone nicht vor 2024 und für die USA frühestens Ende 2023 wahrscheinlich.
Während Euro- und US-Dollar-Zinsen bei kurzen Laufzeiten nur noch leichtes Steigerungspotenzial haben, sind bei längeren Laufzeiten aufgrund sinkender Inflation und schwacher Wachstumsdynamik eher fallende Renditen zu erwarten. Damit dürften reale Renditen – nach Abzug der Inflation – vorerst negativ bleiben und so die Nachfrage nach realen Anlagen, wie Aktien, Edelmetallen und Immobilien grundsätzlich unterstützen.
Zwar sind kurzfristig konjunkturell bedingt weitere Gewinnrevisionen und damit auch größere Rücksetzer bei einzelnen Aktien wahrscheinlich, allerdings rechnen wir aufgrund anstehender Leitzinserhöhungspausen und wegen der Aussicht auf eine wirtschaftliche Stabilisierung ab 2024 auf Aktienindexebene nicht mit größeren Abgaben. Eher dürften schon kleinere Kursverluste zu Nachpositionierungen von bisher unterinvestierten Anlagern sorgen und so die Kursentwicklung stabilisieren.
Im Immobiliensegment Wohnen in Deutschland deuten jüngste Daten eine beginnende Preisstabilisierung nach der Anpassung der Preisniveaus an das jetzt im Vergleich zu den Vorjahren höhere Nominalzinsniveau an. So hatte der German Real Estate Index (Greix) im zweiten Quartal leicht steigende Verkaufspreise bei Ein- und Mehrfamilienhäusern zu verzeichnen. Damit wird die Erwartung unterstützt, dass es in diesem Immobiliensegment nicht zu einer allgemeinen größeren Preiskorrektur oder gar dem Platzen einer Preisblase kommt. Vielmehr werden Mikrofaktoren, wie bspw. de Lage und vor allem die Energieeffizienz der jeweils individuellen Immobilie gewichtigere Faktoren für deren Preisentwicklung sein.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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Bildquelle: Donner & Reuschel