Nachhaltige Städte: So könnten sie aussehen

Weltweit leben mehr als die Hälfte, in Deutschland sogar drei von vier Menschen in Städten. Prognostiziert wird, dass bis zum Jahr 2050 etwa 66 bis 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben werden. Das führt zu erheblichen Herausforderungen – und zwar länderübergreifend.

(Bildquelle: unsplash / Stefan Widua)

Obwohl das Leben in Städten effizienter gestaltet werden kann als auf dem Land, verbrauchen Städte aktuell bis zu 75 Prozent der weltweit erzeugten Energie. Gleichzeitig erwirtschaften sie rund 80 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

Damit sind sie für bis zu 80 Prozent des energiebezogenen CO-Ausstoßes der Menschheit verantwortlich. Die Zukunft der Städte wird entscheidend sein, für eine umweltgerechte Entwicklung und die Bekämpfung des Klimawandels.

Nachhaltigkeit ist daher ein wichtiger Faktor bei der Stadtentwicklung. Eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht es uns, unsere Städte so zu gestalten, dass sie ressourcen- und umweltschonend sind und gleichzeitig den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden.

„Die Menschen sehnen sich nach Begegnungsorten in der Stadt und erwarten entsprechende Aufenthaltsqualität. Der öffentliche Raum wird in Zukunft immer mehr der verlängerte Arm des Wohnzimmers sein, vor allem in den Großstädten“, sagt Lothar Schubert, Geschäftsführer von DC Developments.

Die Stadtentwicklung trifft somit verschiedene Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Umwelt und das Leben der Menschen haben, wie z.B. die Auswahl der Baumaterialien, der Verkehrsanbindung oder die Energieversorgung.

Nachhalthaltige Stadtentwicklungspolitik ist international

Die Agenda 2030, auf die sich die Weltgemeinschaft in New York im Jahr 2015 geeinigt hat, enthält wichtige Antworten auf diese Herausforderungen. Mit dem globalen Nachhaltigkeitsziel 11 verpflichten die Staaten sich erstmalig zu einer nachhaltigen, inklusiven Stadtentwicklung weltweit. Konkretisiert wurde dieses globale Ziel durch die Neue Urbane Agenda (2016).

Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch in der Stadtentwicklung eine wichtige Rolle. (Bildquelle: unsplash / Ivan Bandura)

Die nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung steht im Zentrum der Regierungspolitik: 2007 wurde mit der „Leipzig-Charta“ die Grundlage für eine neue Stadtentwicklungspolitik in Europa gelegt. Die Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ dient der nationalen Umsetzung der Ziele und Prinzipien der „Leipzig-Charta“.

Integrierte Stadtentwicklungspolitik ist auch eine wichtige Säule der Hightech-Strategie der Bundesregierung. Mit ihr wurde bereits 2012 das Zukunftsprojekt der „CO2-neutralen, klimaangepassten und energieeffizienten Stadt” definiert und daraus in der „Nationalen Plattform Zukunftsstadt” gemeinsam mit Kommunen, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eine „Forschungs- und Innovationagenda Zukunftsstadt” (FINA) entwickelt.

Die 6 Grundprinzipien einer nachhaltigen Stadt

Doch was genau verstehen wir eigentlich unter einer nachhaltigen Stadt? Nach Ansicht von Forschern im Bereich der nachhaltigen Stadtplanung beruht das Konzept einer nachhaltigen Stadt auf mehreren Grundprinzipien: grüner, zugänglicher öffentlicher Verkehr, Erneuerbare Energien, Abfallwirtschaft, integrative städtebauliche Lösungen und umweltfreundliche intelligente Technologie.

  1. Erneuerbare Energie
(Bildquelle: Pressefoto RWE)

Initiativen wie multimodale Verkehrsnetze für gemeinsame Fahrten oder Erneuerbare Energien für die Energieversorgung von Industrie und Wohngebieten sind nur einige Beispiele für die Verwirklichung dieser Ziele. Ein gutes Beispiel ist die Stadt Dubai, die sich mit Erneuerbarer Energie, die durch Recycling von Wasser und Abfall erzeugt wird, vollständig selbst versorgt (60 Prozent der Grünflächen werden mit grauem Abwasser bewässert).

  1. Abfallwirtschaft und Kreislaufwirtschaft

Der nächste Punkt ist die Abfallwirtschaft. Eine erstaunliche Lösung für die Bewältigung des städtischen Abfalls ist das Prinzip der Kreislaufwirtschaft, das in vielen nordischen Ländern umgesetzt wird.

  1. Inklusive städtische Lösungen

Nachhaltige Städte müssen die Zugänglichkeit zu öffentlichen Räumen und Dienstleistungen gewährleisten, die den Bürgern soziale Interaktion und Sicherheit bieten. Eine Stadt, die sich um Nachhaltigkeit bemüht, sollte die Gentrifizierung eindämmen und städtebauliche Strategien entwickeln, die Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringen.

„Die Integration von Gemeinschaftsflächen erweitert den Wohnraum für den einzelnen Bewohner und schafft ein generationenübergreifendes Wohnumfeld. Als absolute Priorität ist, die Barrierefreiheit zu behandeln: So können Lebensräume an Attraktivität gewinnen und die ersehnten Begegnungsorte für die älteren Generationen in den Städten zunehmen“, meint Lothar Schubert.

  1. Grüne öffentliche Verkehrsmittel
(Bildquelle: pixabay / _Leon)

Städtische Gebiete müssen wachsen, ohne die Kohlenstoffemissionen zu erhöhen, und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Städte, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, müssen sicherstellen, dass ihre Infrastruktur ein einfaches, kosten- und zeiteffizientes Fortbewegen und Pendeln ermöglicht.

Die Förderung umweltfreundlicher, zugänglicher öffentlicher Verkehrsmittel und Initiativen, die Fußgängern und Radfahrern Vorrang vor Autos einräumen, können den öffentlichen Verkehr verbessern, schädliche Emissionen reduzieren und zu mehr umweltfreundlichen Praktiken anregen.

  1. Zugang zur Natur

Nachhaltige Städte sind grüne, kompakte Städte, in denen die Bürger Zugang zur Natur haben und den städtischen Raum auf intelligente Weise nutzen. Die Stadtarchitektur sollte die Natur in die Stadt bringen und das soziale Verhalten der Gemeinschaft einbeziehen und gleichzeitig das öffentliche Eigentum fördern.

Lothar Schubert kommentiert: „Nicht nur bei der Gestaltung von Parks und Grünflächen, sondern auch bei der Mobilität müssen wir die Bedarfe aller Generationen noch stärker im Blick haben. Die Deutschen sind durchaus bereit für autoarme Innenstädte. Wir müssen in den Metropolen Vorbild sein und mit Konzepten vorangehen, die eine vernetzte Struktur schaffen, gleichermaßen aber den Handel nicht vernachlässigen und die Stadt beleben.

Jüngere Generationen wünschen sich vor allem kurze Wege und Fahrradstraßen als Teil ihrer Work-Life-Balance. Die Aufgaben für den öffentlichen Nahverkehr liegen insbesondere im Ausbau sowie in der Barrierefreiheit, um alle Zielgruppen ganzheitlich in ein Modell der Zukunft einzubeziehen.“

  1. Umweltfreundliche intelligente Technologien

Durch den Einsatz intelligenter Technologien können die Bürger Plattformen schaffen, auf denen sie Ideen zur Verbesserung der Stadt präsentieren können, oder Anwendungen für den Betrieb umweltfreundlicher öffentlicher Verkehrsmittel, zur Messung der Luftqualität usw.

Eine weiterer wichtiger Punkt in diesem Sektor sind die Ladestationen für Elektrofahrzeuge, auch EV-Ladegeräte genannt. Sie liefern Strom für das Aufladen von Plug-in-Elektrofahrzeugen, einschließlich Hybriden, Elektrofahrzeugen, Lastwagen und Bussen, und tragen dazu bei, die Kohlenstoffemissionen in hohem Maße zu neutralisieren.

Nachhaltigkeitsrating deutscher Städte 2022

Die Kriterien für das Nachhaltigkeitsrating lehnen sich an die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung an und analysieren die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit. In der Gesamtauswertung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Kriterien landet Wolfsburg auf Rang eins, Ulm auf zwei und Heidelberg auf Rang drei. Erlangen und Ingolstadt folgen auf Platz vier und fünf im Ranking. Das Ruhrgebiet belegt im Nachhaltigkeitsindex wie bereits im Vorjahr ausschließlich Plätze in der zweiten Hälfte und hat den höchsten Nachholbedarf.

„Großstädte beheimaten etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung und tragen dementsprechend eine besondere Verantwortung beim Thema Nachhaltigkeit. Im Bereich Ökologie zum Beispiel können Städte durch den Ausbau von Radinfrastruktur und die Festlegung von Flächen für Erneuerbare Energien einen großen Beitrag leisten”, erklärt Dr. Gesa Crockford, Geschäftsführerin von ImmoScout24.

 Das Ruhrgebiet ist abgeschlagen

Oberhausen, Herne, Duisburg und Gelsenkirchen bilden im Ruhrgebietsvergleich das Schlusslicht und belegen im Nachhaltigkeitsindex die letzten vier Plätze. Gelsenkirchen schneidet insbesondere im Teilbereich Soziales am schlechtesten ab (Rang 71). In keiner anderen Großstadt gibt es eine höhere Jugendarbeitslosenquote und eine geringere Beschäftigungsrate bei Frauen.

Im Ruhrgebiet gehören alte Schwerindustriefabriken zum Landschaftsbild. (Bildquelle: unsplash / Tayfun van Zantvoort)

Duisburg folgt dicht und schneidet in den Teilbereichen Ökonomie (Rang 59) und Ökologie (Rang 69) noch schlechter ab als Gelsenkirchen. In Duisburg ist der Nachholbedarf insbesondere bei der Infrastruktur für Elektroladesäulen, der Luftqualität und der Beschäftigungsrate von Frauen groß.

Herne belegt im Nachhaltigkeitsindex den drittletzten Platz und hat unter den 71 Großstädten Deutschlands die schlechteste Luftqualität, die geringste Ingenieursdichte und eine der höchsten Jugendarbeitslosenquoten.

Die Top 5

Auch in diesem Jahr führt Wolfsburg den Nachhaltigkeitsindex des Städterankings an. Im Teilbereich Ökonomie belegt die niedersächsische Autostadt den 1. Platz und punktet hier insbesondere mit einem großen Anteil FuE (Forschung und Entwicklung)-Beschäftigter, einer hohen Ingenieursdichte und einer Vielzahl von Patentanmeldungen.

Im Teilbereich Ökologie landet Wolfsburg auf Platz 4. Unter anderem, da die Dichte an Elektrotankstellen nirgendwo sonst so hoch ist wie in Wolfsburg. Zudem setzt die Stadt auch in anderen Bereichen auf eine Dekarbonisierung, etwa im Baubereich. Auch im Bereich Soziales erreicht Wolfsburg mit Platz 8 die Top 10. Die Stadt bietet ein leistungsfähiges Bildungssystem und verzeichnet eine hohe Beschäftigungsrate von Frauen sowie eine geringe Altersarmut.

(Quelle: marktEINBLICKE)

Lag Ulm im letzten Jahr noch auf Platz 5 des Nachhaltigkeitsrankings, belegt es in diesem Jahr den zweiten Platz. In den Teilbereichen Ökologie und Soziales erreicht Ulm sogar Platz 1.

Das liegt unter anderem an den guten Platzierungen bei den Indikatoren Solarleistung (Rang 2), Ladesäulen (Rang 6), Alternative Heizenergie (Rang 7) und Windleistung (Rang 8). Im Vergleich dazu landen München im Bereich Solarleistung nur auf Rang 67 und Berlin sogar auf Rang 70. Zudem ist die Altersarmut in München (Rang 58) und Berlin (Rang 59) vergleichsweise hoch.

Heidelberg klettert im Vergleich zum Vorjahr einen Rang nach oben und landet im Nachhaltigkeitsranking auf Platz 3. In allen drei Teilbereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales findet sich Heidelberg auf Rang 5 wieder.

Die bayrischen Städte Erlangen und Ingolstadt folgen auf Platz 4 und 5. Erlangen landet in jedem Teilbereich in den Top10. Ausbaufähig ist hier insbesondere die Versorgung von Kindern in Tageseinrichtungen (Rang 63).

Alternative Heizenergie im Neubau

Besonders im Neubau spielen alternative Heizenergien eine wichtige Rolle. (Bildquelle: unsplash / Bill Mead)

Der Einsatz nachhaltiger Heizenergien ist nicht nur ein wichtiger Baustein bei der Erfüllung der Klimaziele, sondern spielt auch angesichts steigender Energiepreise eine entscheidende Rolle. Der Nachhaltigkeitsindex des Städterankings bewertet im Bereich Ökologie unter anderem den Anteil alternativer Heizenergien zu Gas und Öl im Neubau von Wohnimmobilien.

„Städte leisten in ihrer Neubaupolitik einen erheblichen Beitrag zu der Erfüllung der Klimaziele. Im Neubau von Wohnimmobilien muss der Einsatz alternativer Heizenergien stärker vorangetrieben werden“, ergänzt Dr. Gesa Crockford. „Städte, die jetzt schon nachhaltiger bauen oder nachhaltiges Bauen fördern, sind in Zukunft attraktiver.“

Mannheim, Wolfsburg und Heidelberg sind die drei Großstädte mit einem Anteil von über 90 Prozent alternativer Heizenergien in ihren aktuellen Neubauten. In sechs Städten beträgt der Anteil alternativer Heizenergie im Neubau weniger als 40 Prozent: Lübeck (39 Prozent), Kassel (36 Prozent), Salzgitter (27 Prozent), Oldenburg (23 Prozent), Osnabrück (20 Prozent) und Bremerhaven (9 Prozent).

In Gesamtdeutschland ist der Anteil der alternativen Heizenergien in fertiggestellten Gebäuden über die letzten Jahre gestiegen: Betrug der Anteil 2018 noch 56 Prozent, lag er 2020 bei 60 Prozent.

Nachhaltiger Urlaub in Deutschland

Falls Sie einen nachhaltigen in Deutschland machen wollen, haben wir noch eine Zusammenstellung der 10 nachhaltigsten Urlaubsort. Da die Kriterien sich ein wenig von denen des Nachhaltigkeitsindexes unterscheiden, gibt es auf dieser Liste andere Städte.

Die Top 10 haben durch verschiedene Nachhaltigkeitsprojekte im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beigetragen. Diese Städte unterstützen eine Philosophie, die die Umwelt schützt und Bewohner in eine grünere Zukunft führt. Sie haben eine neue, notwendige Richtlinie bezüglich Nachhaltigkeit erstellt und zeugen vom persönlichen Engagement der Einwohner.

(Datenquelle: ClubMed, Bildquelle iStock: MikeManson)

Die eindrucksvolle Stadt Freiburg im Südwesten des Schwarzwalds, ist die nachhaltigste Stadt Deutschlands. Freiburg ist bekannt für seine Umweltpolitik und ist schon seit 2010 die Bundeshauptstadt im Klimaschutz.

Außerdem haben es gleich drei Städte aus Hessen und drei Städte aus Baden- Württemberg in die Top 10 geschafft. Die Städte Frankfurt, Wiesbaden und Kassel sind allesamt in den Top 10, und zwei davon sind sogar auf dem Siegerpodest gelandet. Die Ergebnisse belegen die Wirkung der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen, die 2008 implementiert wurde, mit dem Ziel einer besseren und nachhaltigeren Lebensqualität.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Eine nachhaltige Stadtentwicklung ist entscheidend, um den Bedürfnissen der Menschen zu entsprechen, ohne dabei die Umwelt zu schädigen. Die Umsetzung von umweltfreundlichen Maßnahmen und Konzepten, wie die Green City oder ein verstärktes Angebot von Erneuerbaren Energien, muss noch intensiviert werden, damit auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Umgebung vorfinden.