Fundamentaler Strukturwandel

Der zyklische Abschwung trifft derzeit global vor allem die Industrie, unter anderem, weil Chinas Wachstum zuletzt enttäuschte.

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Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sowie die Attraktivität des Standorts für Kapital und Fachkräfte aus dem Ausland hat zuletzt deutlich abgenommen.

Deutsche Wirtschaft im Wandel

Dazu passt das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des ifo-Instituts unter deutschen Maschinenbauern. Die Wettbewerbsposition im internationalen Vergleich fiel zuletzt auf den niedrigsten Wert seit Mitte 1994. Relevante Aspekte sind eine zunehmende Konkurrenz auf wichtigen Absatzmärkten, vor allem aus China, sowie der Mangel an Fachkräften und wichtigen Vorprodukten. Gestiegene Energie- und Rohstoffkosten können zudem nur noch selten auf den Verkaufspreis aufgeschlagen werden, der Margendruck dürfte also zunehmen.

Die Erhebung ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich Deutschland nicht nur in einem zyklischen Abschwung, sondern auch in einem fundamentalen Strukturwandel befindet, der Unternehmen, Politik und Gesellschaft eine hohe Veränderungsbereitschaft abfordert.

Eine weitgehende Deindustrialisierung ist in diesem Kontext keine wahrscheinliche Entwicklung. Vielmehr werden sich Exportgüter klassischer Industrien – wie Maschinen, Anlagen- und Fahrzeugbau – wandeln müssen. Dabei werden die Segmente Umwelt- und Klimatechnologien wichtiger werden. Zudem nehmen Dienstleistungen wie Wartung und Beratung einen höheren Stellenwert ein.

Weitere Stützungsmaßnahmen aus Peking?

Der zyklische Abschwung trifft derzeit global vor allem die Industrie, unter anderem, weil Chinas Wachstum zuletzt enttäuschte. Anders als in den Vorjahren reagiert die chinesische Regierung bisher nicht mit massiven fiskalischen Stimuli für die gesamte Wirtschaft. Dagegen spricht allein schon die hohe Verschuldung, insbesondere auf Ebene der Regionalregierungen.

Zudem will man in Peking volkswirtschaftliche Fehlallokation als Ergebnis einer undifferenzierten Liquiditätsflut vermeiden, die maßgeblich zur aktuellen Situation am Immobilienmarkt beigetragen haben. Vielmehr werden neben geldpolitischen Lockerungen gezielt Verbesserungen für die Angebotsseite umgesetzt, bspw. um die Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Gütern und Dienstleistungen oder die Finanzierungsbedingungen für kleinere Unternehmen zu verbessern und um den privaten Konsum anzuregen.

Damit dürfte zwar ein weniger starker, dafür aber ein nachhaltigerer und qualitativ wertvollerer Impuls für die chinesische Wirtschaft gesetzt werden. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die Zielwachstumsrate von fünf Prozent in diesem Jahr aus dem Blick gerät, ist kurzfristig trotzdem mit zusätzlichen fiskalischen Maßnahmen zur Stützung der Nachfrageseite zu rechnen.

Das Verarbeitende Gewerbe zeigt weiterhin Schwächen

Die jüngsten Veröffentlichungen der S&P Global Einkaufsmanagerindizes zeigen weiter eine anhaltende Schwäche des Verarbeitenden Gewerbes an, vor allem weil die Auftragseingänge deutlich gesunken sind. Zuletzt gaben jedoch auch die Geschäftserwartungen der bisher noch dynamischen Dienstleistungssektoren nach, weil Neuaufträge fehlen und gleichzeitig die Kosten – vor allem Löhne – anhaltend auf hohem Niveau bleiben.

Für Deutschland ist damit ein negatives Wachstum im laufenden dritten Quartal und eine ebenfalls schwache gesamtwirtschaftliche Dynamik im vierten Quartal wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund deutet sich jedoch auch eine beginnende Nachfrageschwäche am noch nahezu voll ausgelasteten Arbeitsmarkt an, vor allem in den USA. Resultierende Belastungen des Konsums dürften auch die US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen in eine Rezession abgleiten lassen.

Die Rolle der Geldpolitik

In Jackson Hole, USA, treffen sich derzeit Vertreter der wichtigsten Notenbanken weltweit, um über die Auswirkungen struktureller Veränderungen der Weltwirtschaft auf die Geldpolitik zu beraten.

Zwar wird vor allem die Abschlussrede des US-Notenbankchefs Jerome Powell von vielen Marktteilnehmern mit Spannung erwartet. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass fundamentale Veränderungen der geldpolitischen Strategie bekannt gegeben werden.

Die Notenbanken dürften untermauern, dass der Kampf gegen die Inflation noch nicht beendet ist, die Zinsen noch länger auf erhöhtem Niveau gehalten werden müssen und die weitere geldpolitische Strategie abhängig von jeweils aktuellen Inflations- und Wachstumsdaten bleibt.

Der Wechselkurs des Euro hat im Vergleich zum US-Dollar zuletzt nachgegeben, unter anderem, weil die Zinsen für Staatsanleihen bei längeren Laufzeiten in den USA stärker gestiegen sind als in der Eurozone.

Da die Konjunkturdynamik sich in den USA voraussichtlich weniger stark abschwächen dürfte als in Europa, gehen wir bis zum Jahresende von einer Seitwärtsbewegung zwischen 1,07 und 1,10 EUR/USD aus. Anders als bei stark leitzinsabhängigen Geldmarktzinsen gehen wir vor dem Hintergrund weiter sinkender Inflationsraten und schwacher Konjunkturperspektiven kurzfristig von sinkenden Renditen bei zehnjährigen Bundesanleihen und US-Treasuries aus.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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