Wachstumserwartungen korrigiert

Die EZB dürfte eine weitere Leitzinsanhebung vornehmen

(Bildquelle: Pixabay / Julius_Silver)

In ihren Herbstprognosen haben sowohl das Kiel Institut für Weltwirtschaft als auch das ifo-Institut die Wachstumserwartungen für Deutschland und die Eurozone im laufenden Jahr auf -0,5 bzw. -0,4 Prozent nach unten korrigiert.

Schwache Auftragslage in der Industrie

Parallel berichtete das Statistische Bundesamt von einem Einbruch der Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe im Juli um 11,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Dieser ist zwar durch einen im Juni verbuchten Großauftrag im Segment Luft- und Raumfahrt verzerrt, allerdings liegt der Auftragseingang auch im Vergleich zum Vorjahr 10,5 Prozent drunter. Dabei sind wichtige exportorientierte Branchen wie der Maschinenbau, die Metallverarbeitung und elektronische Bauteile besonders betroffen. Auch die Industrieproduktion gab im Juli im Vergleich mit dem Vormonat um 1,8 Prozent nach. Erkennbar ist der schon begonnene Strukturwandel in der deutschen Industrie, denn die energieintensive Produktion sank im Vergleich zum Vorjahr um 11,4 Prozent. Für 2024 wird ein dynamischeres Wachstum von knapp 1,5 Prozent für Deutschland erwartet – unter anderem getrieben durch stark steigende Reallöhne und damit den privaten Konsum.

Die Lokomotive stottert

Auch das globale Wachstum wird mit rund 3 Prozent in diesem und im kommenden Jahr im historischen Vergleich schwach ausfallen. Vor allem China fällt bis auf weiteres als Lokomotive für die Weltwirtschaft aus. Die Prognosen untermauern unsere Erwartung verstärkter Gewinnrevisionen im Zuge der Berichtssaison für das dritte Quartal. Kurzfristig rechnen wir daher mit einer Fortsetzung der schwankungsreichen Seitwärtsbewegung im DAX zwischen 15.500 und 16.500 Punkten.

Neben der zyklischen Konjunkturdelle wird die deutsche Wirtschaft aber auch von strukturellen Wachstumsproblemen und zunehmend nachteiligen Standortbedingungen zurückgehalten – u.a. hohe Steuern, hohe Energiepreise, komplexe Bürokratie, langwierige öffentliche Verwaltung, Fachkräftemangel. Ein Beleg dafür sind Daten der OECD, nach denen die deutsche Wirtschaft aktuell gerade die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung des Jahres 2019 erreicht hat. Der Corona-bedingte Einbruch wurde also erst jetzt ausgeglichen, während Japan rund 3,5 und die USA mehr als 6 Prozent im Vergleich zu 2019 vorn liegen.

Das bringt der Deutschland-Pakt

Die Bundesregierung hat viele dieser Themenbereiche mit den „10 Punkten für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ sowie dem von Bundeskanzler Scholz an die Bundesländer adressierten „Deutschland-Pakt“ adressiert und entsprechende Gegenmaßnahmen formuliert.

So soll unter anderem das Wachstumschancen-Gesetz durch Investitionsprämien, attraktive Abschreibungsmöglichkeiten und steuerliche Förderungen Anreize für Investitionen und Innovationen geben, vor allem auch für den Mittelstand. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll den Kapitalmarkt stärken und Start-Ups durch mehr Risikokapital unterstützen. Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt, die Bürokratie abgebaut, bezahlbare Energie abgesichert und die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte erleichtert werden.

Ein ebenfalls sehr wichtiger Aspekt für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft ist ein klares Bekenntnis zur Unterstützung internationaler Kooperationen und Arbeitsteilung sowie des globalen Handels. Begleitet werden diese Planungen von einem Haushaltsentwurf 2024, der die Rückkehr zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse mit einer Neuverschuldung unterhalb von 0,35 Prozent des BIP vorsieht. Das Gesamtpaket kann in der Theorie den notwendigen Aufbruch in die Transformation der deutschen Wirtschaft einleiten. Entscheidend für dessen Erfolg ist jedoch die tatsächliche Umsetzung und die Frage, ob mit den Maßnahmen ausreichend privatwirtschaftliche Investitionen und ein insgesamt positiver, nach vorne gerichteter Ruck in der Gesellschaft angereizt werden kann. Die Bundesregierung muss diese Agenda daher gezielt nachhalten, um weitere wichtige Aspekte ergänzen und vor allem positiv zum Mitgestalten motivieren.

Notenbanken bestimmen die Themen

An den Kapitalmärkten stehen kommende Woche die geldpolitischen Sitzungen der US-Notenbank Fed und der EZB im Fokus. Vonseiten der Fed wird keine weitere Leitzinsanhebung erwartet. Trotzdem dürfte Präsident Powell darauf hinweisen, dass der Inflationsdruck nach wie vor zu hoch ist und keine baldige Zinssenkung in Aussicht stellen. Im EZB-Rat dürfte die Frage einer weiteren Zinsanhebung intensiv diskutiert werden, denn es gibt offensichtlich auch zunehmend Befürworter einer Zinserhöhungspause.

Wir gehen allerdings von einer weiteren Leitzinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte aus, denn das Tempo der Inflationsabsenkung hat in der Eurozone zuletzt deutlich abgenommen und externe Faktoren wie die stark gestiegenen Rohölpreise untermauern diese Tendenz. EZB-Präsidentin Lagarde dürften daher die Gefahr einer zu frühen Beendigung der geldpolitischen Straffung als höher einstufen als die Gefahr, zu stark anzuheben und damit die Wirtschaft zu stark abzukühlen.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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Bildquelle: Donner & Reuschel