Mit Blick auf die EZB-Sitzung in dieser Woche ist das Ergebnis des Zinsentscheids offen wie lange nicht mehr. Schon die Frage, ob die Leitzinsen ein weiteres Mal angehoben werden oder die EZB eine Zinserhöhungspause einlegt oder gar das Ende des Zinsanhebungszyklus ausruft, ist unter Beobachtern umstritten.
Ein weiterer Zinsschritt
Trotz deutlich schwächerer Konjunktursignale rechnen wir mit einem Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte, denn der Inflationsdruck ist nach wie vor viel zu hoch. Dabei kann ein Zinsschritt zu viel, eher korrigiert werden, als einer zu wenig. Sollten sich hingegen die geldpolitischen Tauben durchsetzen und vorerst keine Leitzinsanhebung erfolgen, dürften die Falken dafür sorgen, dass zumindest der Abbau des aufgeblähten Wertpapierportfolios der Notenbank zeitnah beschleunigt wird.
Zudem dürfte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in der anschließenden Pressekonferenz darauf hinweisen, dass die Inflation noch nicht endgültig besiegt ist, sondern weiterhin die Gefahr erhöhter Niveaus besteht. Daher werden die neuesten Inflationsprognosen der Notenbank wohl kaum eine relevante Abweichung zu den Juni-Daten liefern.
Wichtige Impulse für die deutsche Wirtschaft
Auch auf dem G20-Gipfel am vergangenen Wochenende ergaben sich aus Kapitalmarktsicht bemerkenswerte Entwicklungen. So signalisiert die Aufnahme der Afrikanischen Union in den Kreis der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländerstaaten, dass geostrategische Überlegungen und eine aktive Gestaltung von Handels- und politischen Beziehungen künftig wieder eine größere Rolle spielen.
Mit der Ankündigung eines umfangreichen Schienen- und Schiffsprojektes, das Indien, die Golfregion und Europa miteinander verbinden soll, sorgten USA und die EU zusammen mit anderen Staaten am Rande des Gipfels für Aufmerksamkeit – während Italien aus dem chinesischen Projekt „Neue Seidenstraße“ ausgestiegen ist.
Offensichtlich wollten die Industriestaaten die Chance nutzen, kurz nach dem vielbeachteten BRICS-Gipfel dem drohenden Bedeutungsverlust des G7-Netzwerks entgegenzuwirken. Damit ändert sich kurzfristig zwar nicht der Status Quo, aber gerade aus Sicht der exportorientierten europäischen und deutschen Wirtschaft könnten wichtige Impulse für eine eigenständigere, an gemeinsamen Zielsetzungen orientierte und den Freihandel unterstützende internationale Wirtschaftspolitik entstehen.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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