Deutschland: Eingetrübte Perspektiven

Angesichts der globalwirtschaftlichen Nachfrageschwäche rechnen wir derzeit jedoch nicht mit nennenswerten Belastungen von Lieferketten, auch wenn in einzelnen Fällen Produktionsprozesse in Europa unterbrochen wurden.

(Bildquelle: Pressefoto Volkswagen)

Die kurzfristigen wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands haben sich vorerst weiter eingetrübt. Dabei gaben sowohl der HCOB Einkaufsmanagerindex als auch der ifo-Geschäftsklimaindex und der GfK-Konsumklimaindex auf jeweils niedrigen Niveaus nach und untermauern die Erwartung eines erneut negativen Wachstums für das laufende erste Quartal. Zwar fielen die Geschäftserwartungen der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe weniger pessimistisch aus, doch gab die Stimmung bei Dienstleistern, im Handel sowie in der Bauwirtschaft stärker nach.

Gemeinsam haben alle Segmente zunehmend fehlende Neuaufträge. Zudem leidet der private Konsum derzeit unter pessimistischen Konjunkturerwartungen, den hohen Verbraucherpreisanstiegen und der erhöhten politischen Unsicherheit. Anstatt größere Ausgaben vorzunehmen, wird verstärkt gespart. Die Erwartung einer zyklischen konjunkturellen Erholung muss daher auf das Frühjahr verschoben werden. Für das Gesamtjahr ist nur noch von einem moderaten Wachstum von maximal 0,5 Prozent auszugehen.

Für die Eurozone und für Großbritannien wurden leichte Verbesserungstendenzen bei der Unternehmensstimmung verbucht. Während die Eurozone aber weiterhin auf Rezessionsniveau rangiert, lag der Einkaufsmanagerindex für die britische Wirtschaft zuletzt oberhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Allerdings sprechen anhaltend hohe Preisanstiege, vor allem im Dienstleistungsbereich, für einen vorerst weiter restriktiven Kurs der Bank of England, womit zinsinduzierte Entlastungen weiter entfernt liegen und die Industrie sowie die Bauwirtschaft belasten.

Die Umfahrung des Roten Meeres auf der Handelsroute zwischen Asien und Europa verlängert Schiffspassagen um bis zu zwei Wochen und hat zu einem deutlichen Anstieg von Containerfrachtraten geführt. Angesichts der globalwirtschaftlichen Nachfrageschwäche rechnen wir derzeit jedoch nicht mit nennenswerten Belastungen von Lieferketten, auch wenn in einzelnen Fällen Produktionsprozesse in Europa unterbrochen wurden. Sofern die Passage nicht dauerhaft gesperrt bleibt und zumindest zum Zeitpunkt der erwarteten wirtschaftlichen Erholung ab dem Frühjahr wieder frei ist, dürften negative Effekte für Lieferketten überschaubar bleiben.

Vonseiten der EZB ist auch nach der Januar-Ratssitzung ab dem Frühjahr mit ersten Leitzinssenkungen zu rechnen. Die anhaltende gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche und damit voraussichtlich nachgebende Inflationsdruck ab Februar, könnten der Notenbank schon im April, spätestens jedoch im Juni einen weniger restriktiven geldpolitischen Kurs ermöglichen. Diese Aussicht bleibt vorerst auch einer der Haupttreiber der Aktienmärkte, wenngleich Margen und Gewinnperspektiven vieler Unternehmen vor dem Hintergrund der schwachen konjunkturellen Entwicklung in den kommenden Quartalen etwas schwächer ausfallen und damit das Aufwärtspotenzial begrenzen dürften.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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