Was geht noch im Herbst an den Börsen? Droht uns ein stürmischer Börsenherbst?

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Der Börsensommer 2018 brachte sehr unterschiedliche Resultate für Investoren. Während in Deutschland die Index-Revolution einen deutlich größeren MDAX und SDAX brachte und mit der Commerzbank sich ein Gründungsmitglied des DAX aus dem Leitindex verabschiedete, überstiegen in den USA mit Apple und Amazon gleich zwei Unternehmen beim Börsenwert erstmals die Billionengrenze. Abseits dessen bot auch das wirtschaftliche Umfeld jede Menge Gesprächsstoff. Vor allem der von den USA ausgehende Handelsstreit befasst die globalen Märkte. Wir haben daher im September zwei Volkswirte, Folker Hellmeyer von SOLVECON INVEST und Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel, nach ihrer Einschätzung der Lage gefragt und was sie für den Börsenherbst 2018 erwarten.

Nach der US-Eskalation jetzt Deeskalation?

Bis in den September stand disruptive US-Eskalationspolitik in handels- und geopolitischen Themen seitens der amerikanischen Administration auf der Agenda. Verträge und Abkommen oder Regeln im internationalen Organigramm wurden von der Administration in Washington gebrochen oder ignoriert.  Dabei wurde vor den Partnern EU, Türkei, Kanada und Mexiko ebenso wenig Halt gemacht, wie vor den vermeintlichen Gegnern Russland, Iran oder China. Die positiven Konjunkturerwartungen wurden in der Folge erschüttert, was an den Stimmungsindikatoren außerhalb der USA insbesondere ablesbar war. Als Konsequenz kamen internationale Risikoaktiva unter Abgabedruck.

Derzeit ergeben sich Indikationen einer Deeskalation. Es setzt sich die normative Kraft des Faktischen  in der westlichen Welt durch, denn in der heutigen arbeitsteiligen Welt wäre die Durchsetzung der US-Handelspolitik mit Zollerhöhungen am Ende nur ein Pyrrhussieg der USA, der den Vereinigten Staaten selbst massiv ökonomisch geschadet hätte, da die Kosten von US-Verbrauchern und Unternehmen zu schultern gewesen wären. Die Warnungen der Unternehmerverbände Amerikas klingen nach.

Die USA und Mexiko haben ein neues Handelsabkommen vereinbart. Mexiko mahnte, auch Kanada in das Nachfolgeinstrument des Nafta-Freihandelsabkommens einzubeziehen. Die notwendigen Gespräche würden jetzt auch geführt sagte ein US-Regierungsvertreter.  Auch im Handelsstreit mit der EU wird verbal abgerüstet. Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Trump wollen sich laut Angaben Washingtons für eine Entschärfung des Handelsstreits einsetzen.

Was bleibt, sind die Handelskonflikte mit China, Russland, der Türkei und dem Iran. Es wird implizit erkennbar, dass es primär um geopolitische und weniger um handelspolitische Interessen der USA geht. Die derzeit umgesetzte US-Geopolitik verstößt gegen die Normen des Vertragsrechts und die Regeln des internationalen Organigramms. Die Weltgemeinschaft ex USA ist hinsichtlich der Erhaltung der Selbstbestimmung und der Vermeidung einer Subordination unter US-Interessen und US-Recht gefordert, diese US-Politik auch nicht nur in Ansätzen zu tolerieren. Das impliziert weitere Konflikte.

Die partielle Deeskalation unterstützt eine positivere Bewertung der Risikoaktiva, allen voran die im historischen Kontext unterbewerteten europäischen Aktienmärkte. Es bleiben aber veritable Risiken. Ergo ist Zuversicht ob freundlicher Märkte angebracht – Euphorie ist fehl am Platz, da die USA ein globaler Risikofaktor sind und bleiben.

Ein Kommentar von Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei SOLVECON INVEST.

Folker Hellmeyer hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für die Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank. 2018 wechselte er zur SOLVECON INVEST, einer Fondsboutique ehemaliger Portfoliomanager der Bremer Landesbank. Hellmeyer ist dort als Chefanalyst für das Fundamental-Research und den Forex Report zuständig.

 



Die Sorgen bleiben bestehen  

Die Türkei steckt in einer handfesten Währungskrise. Die massiv abgewertete Währung erschwert Exporte und verteuert den Schuldendienst in ausländischen Währungen. Gleichzeitig sind die Zinsen erheblich angestiegen. Argentinien, Russland, Iran und Venezuela haben ebenfalls mit – vor allem länderspezifischen – Problemen zu kämpfen. Daraus verstärkte sich zuletzt die allgemeine Sorge um das Wachstum der Schwellenländer, deren Währungen und Aktienbörsen im bisherigen Jahresverlauf teils deutlich nachgaben.

Das globale konjunkturelle Umfeld bleibt trotz der Ereignisse vorerst extrem dynamisch. Europa und Deutschland hatten im zweiten Quartal 2018 mit jeweils gut 2 Prozent ein hohes BIP-Wachstum zu verzeichnen. In den USA wurden sogar über 4 Prozent, in China 6,9 Prozent Wachstum erzielt.

Negativ wirkt jedoch zunehmend der weiter eskalierende Handelskrieg. Insbesondere China und die USA näherten sich bisher nicht an. Auch die EU steht noch immer im Visier des amerikanischen Präsidenten. Je länger der Handelskrieg anhält, umso deutlicher werden die Bremsspuren für die globale deutsche Konjunktur spürbar.

Im Spätsommer konnten die US-Aktienindizes S&P 500 und NASDAQ 100 deutlich zulegen und erreichten neue Allzeithöchststände. Demgegenüber gaben sowohl deutsche Standardaktien des DAX als auch die größten europäischen Aktien im EURO STOXX 50 und der Schwellenländer-Aktienindex MSCI Emerging Markets über 3 Prozent nach. Auch im bisherigen Jahresverlauf sind amerikanische Aktien mit einem Plus in Höhe von 8 Prozent im S&P 500 das Maß aller Dinge.

Donald Trump setzt seine Versprechen aus dem Wahlkampf („America first“) um, damit er in den anstehenden Parlamentswahlen im November die Rückenddeckung seiner Wähler und damit die Parlamentsmehrheit behält. Allerdings sind die Bürger der Vereinigten Staaten über steigende Preise, den zollbedingten Wegfall von Absatzmärkten (z.B. Soja-Exporte nach China) und teilweise sinkende Unternehmensgewinne (aufgrund steigender Kosten durch höhere Preise) schon heute direkt von den Handelsrestriktionen betroffen. Es müsste daher für Trump sinnvoller sein, auch hier Erfolge in Form von Einigungen mit Handelspartnern vorweisen zu können. In diesem Fall bestehen für die Aktienmärkte exportorientierter Staaten gute Aussichten in den kommenden Monaten. Von der Auflösung einzelner handelspolitischer Konfliktherde würden vor allem die Aktienmärkte stark exportorientierter Nationen, wie Deutschland oder vieler Schwellenländer, profitieren.

Ein Kommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel.

Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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