Wirecard? Die muss man jetzt doch kaufen, oder nicht!?

Bildquelle: Pressefoto Wirecard

Ach ja, die daily Dosis Wirecard (WKN: 747206 / ISIN: DE0007472060)… Als ich gestern Abend den Handelsblatt-Artikel “Weitere Unregelmäßigkeiten bei Singapur-Tochter von Wirecard” gelesen habe, war mein erster Gedanke “Prima Nachkaufkurse bei Wirecard”.

Doch der Reihe nach… Das Handelsblatt berichtet, dass der Wirecard-Wirtschaftsprüfer Ernst & Young das Testat für den Jahresabschluss 2017 der Wirecard-Tochter in Singapur verweigert hätte. Alarmsirene quengelt! Das Testat sei verweigert worden, weil Unterlagen nicht vorgelegt worden wären und sich die Prüfer daher keinen ausreichenden Blick auf die Geschäftsvorgänge hätten verschaffen können und ihre Fragen nicht beantwortet wären. Alarmsirene wird schrill! Und diese Aussagen stünden im Widerspruch zu der von Wirecard, man habe von Ernst & Young ein uneingeschränktes Testat für den Konzern-Jahresabschluss von Wirecard erhalten. Alarmsirene kollabiert fast!

Bis hierhin sieht es so aus, als würde das Handelsblatt auf den Spuren der Financial Times wandern und nun hätte sich eine zweite renommierte Finanzzeitung in Wirecard verbissen, so dass an den bisher von der FT erhobenen Vorwürfen wohl doch mehr dran sein müsse, als bisher vermutet. Doch ist das wirklich so?

Auffällig ist, dass Wirecard die Emotionen hoch treibt und dass die Handelsblatt-Autoren in den einschlägigen Börsenforen heftig beschimpft werden. Einerseits nachvollziehbar, andererseits erschreckt das Maß der Pöbeleien und Drohungen und auch die nicht vorhandene Bereitschaft, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Dabei sind doch gerade die interessant…

Das Handelsblatt selbst schreibt nämlich, dass die Unterlagen nicht etwa von Wirecard verweigert worden wären, sondern dass diese von der CAD konfisziert worden seien. Die CAD ist die Behörde in Singapur, die nach den ersten erhobenen Vorwürfen der Financial Times gegen die Wirecard-Tochter in Singapur die Ermittlungen aufgenommen hat und dabei hat man selbstverständlich die Originalbelege beschlagnahmt. Ob diese auch für den Jahresabschluss benötigt werden, das interessiert die CAD nicht (muss es auch nicht). Und dass man die Originalbelege mitnimmt und nicht etwa Kopien anfertigt, ist auch verständlich und normal.

Viel Wirbel also um nichts? Naja… das Handelsblatt berichtet über Fakten und Vorgänge und das zu recht. Denn Wirecard hat selbst nicht auf das fehlende Testat hingewiesen und verweist nun in seiner Stellungnahme auch nur darauf, man habe dies im Handelsregister (in Singapur) so hinterlegt. Und deshalb sei die Information ja durchaus öffentlich.

Sorry, aber das ist wieder typisch Wirecard und das kann einen nur auf die Palme bringen! Den Machern um CEO Braun muss doch inzwischen klar geworden sein nach drei Jahren Auseinandersetzung mit der Financial Times und den ganzen erhobenen Vorwürfen über angebliche Bilanztricksereien und Scheinumsätze sowie den mehrfachen damit einhergehenden massiven Kurseinbrüchen, dass dieser Themenkomplex eine besondere Sensibilität und Aufmerksamkeit erfordert! Da kann es keine zwei Meinungen drüber geben! Aber Wirecard scheint das noch immer nicht begriffen zu haben. Unfassbar! Dabei ist Vertrauen doch das Lebenselixier eines Finanzdienstleisters, da muss mon doch die größte Sorgfalt drauf verwenden. Aber nicht so bei Wirecard, da wird an dieser Stelle lieber weiter vor sich hin dilettiert.

Das heutige Drama ist also nicht vom Handelsblatt verschuldet worden, sondern von Wirecard selbst. Hätte man nämlich selbst offen kommuniziert, dass das Testat für den 2017er Jahresabschluss der Singapur-Tochter noch aussteht und weshalb (!), dann wäre das ganze eher ein Non-Event geblieben und keiner Aufregung wert (sofern das Testat später bei Vorliegen der noch fehlenden Unterlagen dann erteilt würde). Aber nein, man hat hier hier sehenden Auges ein Bullauge offen gelassen, als das U-Boot bereits beim Tauchen war. Oder man hat das Problem nicht erkannt seitens des Vorstands, aber das würde dann wirklich ernsthafte Fragen bzgl. der Kompetenz nach sich ziehen…

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Kissig Ein Beitrag von Michael C. Kissig

Er studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog “iNTELLiGENT iNVESTiEREN” verfasst Michael C. Kissig regelmäßig eine Kolumne für das “Aktien Magazin”.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

Bildquellen: Michael C. Kissig / Pressefoto Wirecard