Lenzing: Im Fadenkreuz der Ermittler

Bildquelle: Pressefoto Lenzing AG; Fotograf: Vogel AV

Der österreichische Faser-Produzent Lenzing (WKN: 852927 / ISIN: AT0000644505) machte zuletzt mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Grund hierfür war, dass die Tochtergesellschaft Hygiene Austria Anfang März Ziel einer Hausdurchsuchung geworden war. Die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit und des schweren Betruges.

Schutzmasken-Affäre

Hygiene Austria, bei der es sich um ein Joint Venture von Lenzing und dem Textilkonzern Palmers handelt, wird vorgeworfen, in China produzierte Masken umetikettiert und als österreichische Produkte verkauft zu haben, wobei die genaue Schadenshöhe Gegenstand der Ermittlungen ist. Der Produzent von FFP2-Masken weist die Vorwürfe zurück.

Hygiene Austria erklärte, dass zur Bewältigung des Nachfrageanstiegs ein chinesischer Lohn-Fabrikant mit der Herstellung von Masken nach dem Baumuster von Hygiene Austria beauftragt worden sei. Die CE-Zertifizierung sei dabei durch ein Schweizer Unternehmen sichergestellt worden.

In einer Pflichtmitteilung räumte Lenzing inzwischen ein, dass das Versprechen „Made in Austria“ offensichtlich nicht durchgehend gewährleistet wurde. Der Konzern sieht die Aufarbeitung der aktuellen Vorwürfe bei den zuständigen Behörden.

Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat sich in der Sache eingeschaltet. Der VKI geht im Auftrag des Sozialministeriums mit einer Klage gegen die nach Ansicht der Verbraucherschützer irreführende Bewerbung von FFP2-Masken der Hygiene Austria als „Made in Austria“ vor. Das Handelsgericht Wien soll nun klären, ob zugekaufte Masken aus China als „Made in Austria“ vertrieben werden dürfen.

Ehrgeizige Umweltziele

Der Masken-Skandal ist für Lenzing ein Rückschlag, da das Unternehmen gerne als Musterbeispiel eines nachhaltigen Konzerns gesehen wird, der Fasern aus dem nachhaltigen Rohstoff Holz und Textil-Recycling-Modelle entwickelt. Außerdem verfolgt Lenzing ehrgeizige Umweltziele. Bis 2030 will das Unternehmen die Treibhausgasemissionen um 50 Prozent senken, bis 2050 wird Klimaneutralität angestrebt.

Corona-Krise belastet

Die Affäre folgt für Lenzing auf ein ohnehin schwer belastetes Corona-Jahr 2020, denn die globalen Faser- und Zellstoffmärkte gerieten wegen der Pandemie erheblich unter Druck, und das schlug sich auch in den jüngsten Geschäftszahlen nieder. Da es vor allem im zweiten Quartal 2020 einen erhöhten Preis- und Mengendruck bei Textilfasern gegeben hatte, schrumpften die Erlöse bei Lenzing im Jahr 2020 auf Jahressicht um 22,4 Prozent auf 1,6 Mrd. Euro.

Das operative Ergebnis (EBITDA) brach um 39,9 Prozent auf 196,6 Mio. Euro ein. Unter dem Strich wurde 2020 ein Verlust von 10,6 Mio. Euro verbucht, nach einem Gewinn von 114,9 Mio. Euro im Vorjahr.

Rückkehr zur Normalität?

Was die weiteren Geschäftsaussichten anbelangt, zeigt sich Lenzing trotzdem weiterhin zuversichtlich. Laut dem Konzern wachsen mit der Aussicht auf die baldige Impfung einer breiten Bevölkerungsgruppe gegen Covid-19 auch in der textilen Wertschöpfungskette der Optimismus und das Vertrauen in eine baldige Rückkehr zur Normalität. Der Lenzing-Vorstand rechnete deshalb zuletzt damit, dass das operative Ergebnis im laufenden Jahr 2021 wieder auf einem vergleichbaren Niveau wie 2019 sein wird.

Bildquelle: Pressefoto Lenzing AG; Fotograf: Franz Neumayr

Österreichisches Traditionsunternehmen

Lenzing gehört zu den österreichischen Traditionsunternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1892 zurückreichen. Damals ersteigerte der österreichische Fabrikant Emil Hamburger die „Starlingermühle“ in Lenzing, Oberösterreich, und errichtete darin eine Zellstoff- und Papierfabrik.

Heute gehört die Lenzing-Gruppe zu den weltweit führenden Herstellern von aus dem Rohstoff Holz gewonnenen Fasern, die Ausgangsmaterial für eine Vielzahl von Textil- und Vliesstoff-Anwendungen sind, aber auch in technischen Anwendungen sowie in Schutz- und Arbeitskleidung zum Einsatz kommen. Der in der gleichnamigen österreichischen Marktgemeinde Lenzing ansässige Konzern verfügt über Produktionsstandorte in Österreich, Tschechien, China, Indonesien, Großbritannien sowie in den USA und beschäftig weltweit rund 7.000 Mitarbeiter.

Hoher Konkurrenzdruck und zeitweise deutliche Preiserhöhungen bei den für die Faser-Produktion wichtigen Rohstoffen hatten die Erlös- und Gewinn-Entwicklung bei Lenzing in den vergangenen Jahren stark belastet, was sich auch in der Entwicklung der im österreichischen Leitindex ATX notierten Aktie widerspiegelte.

Kräftige Erholungs-Rallye

Nachdem im Jahr 2017 ein neues Rekordhoch bei 180 Euro erklommen wurde, legten die Notierungen den Rückwärtsgang ein und brachen bis zum März 2020 auf rund 36 Euro ein. Doch die Anleger setzten offenbar frühzeitig auf eine schnelle Geschäftserholung nach der Corona-Krise, denn es folgte eine kräftige Erholungs-Rallye, im Zuge der die Notierungen bis zum Februar/Anfang März dieses Jahres auf rund 122 Euro kletterten.

Aufwärtstrend intakt

Im Zuge des Masken-Skandals brach die Aktie dann bis Mitte März auf 97 Euro ein, konnte sich bis Ende März aber wieder auf zeitweise 110 Euro erholen. Charttechnisch ist der Aufwärtstrend weiterhin intakt, wie sich am großen Abstand zur 200-Tage-Linie (70 Euro) zeigt. Setzt sich dieser fort, ist das nächste Kursziel das historische Top aus 2017 bei 180 Euro, womit sich ein weiteres Gewinnpotenzial von über 60 Prozent errechnet.

Derzeit keine Dividenden

Wegen den erheblichen Auswirkungen der Corona-Pandemie hat Lenzing im vergangenen Jahr für das Vorjahr 2019 keine Dividende ausgeschüttet. Da im Geschäftsjahr 2020 kein Bilanzgewinn erzielt worden ist, will Lenzing auch im laufenden Jahr keine Dividende ausschütten.

Fazit

Die Schutzmasken-Affäre bedeutet für Lenzing zwar einen Rückschlag. Die weitere operative Entwicklung dürfte aber eher davon abhängen, wie die weltweiten Impfstoff-Kampagnen voranschreiten und wie schnell sich die Textil-Wirtschaft erholt. Anleger scheinen hierbei optimistisch gestimmt zu sein, was sich an der kräftigen Kurs-Rallye der ATX-Aktie in den vergangenen Monaten zeigt. Charttechnisch zeigen die Trendpfeile bei der Aktie derzeit klar nach oben. Das nächste Kursziel stellt sich auf das 2017er-Rekordhoch bei 180 Euro.

Anleger, die von Kurssteigerungen bei der Lenzing-Aktie überzeugt sind, können mit einem Long-Zertifikat (WKN: MA4MJ5 / ISIN: DE000MA4MJ50) gehebelt profitieren. Skeptiker haben Gelegenheit, mit einem entsprechenden Short-Zertifikat (WKN: MA5299 / ISIN: DE000MA52995) auf fallende Kurse der Aktie zu setzen.

Bildquelle: Pressefoto Lenzing AG; Fotograf: Vogel AV