„Immer wieder sonntags…

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…kommt die Erinnerung“ heißt es in einem deutschen Schlager der 70er-Jahre. Scheinbar auch immer wieder sonntags werden die Anleger daran erinnert, dass die griechische Finanzkrise noch nicht gelöst ist. Immerhin – so versprechen es die Euro-Politiker – soll der kommende Sonntag wirklich der finale Entscheidungstag sein. Jedoch liegen die Positionen der Gläubiger und der griechischen Regierung auseinander. Die Kreditgeber in Europa haben einerseits kein Interesse an einem Grexit, der die Gefahr einer griechischen Schuldenstreichung zulasten nationaler Steuerzahler heraufbeschwört. Andererseits ist in der wahlberechtigten Bevölkerung der Eurozone und in den Ländern der EU der Unmut über die griechische Verhandlungstaktik gleichzeitig so groß, dass ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone um jeden Preis, d.h. über einen faulen Kompromiss, auf Widerstand stieße.

Griechisches Reformangebot als trojanisches Pferd?

Grundsätzlich kann der griechische Ministerpräsident Tsipras noch nicht einmal dem großzügigen Reformangebot der Euro-Gruppe vom 26. Juni zustimmen, da es die griechische Bevölkerung in einem Referendum mit übergroßer Mehrheit abgelehnt hat. Alles andere wäre innenpolitischer Selbstmord. Dennoch liegt jetzt ein neuer griechischer Reformvorschlag vor, der im Staatshaushalt über Steuer- und Rentenreformen, Einsparungen im Verteidigungsetat und Privatisierungen etwa 13 Mrd. Euro einsparen soll. Doch leider werden die wirklich heißen Eisen harter Strukturreformen, die über die Kernsanierung des maroden Verwaltungs- und Steuerwesens sowie die Bekämpfung der Korruption erst eine nachhaltige Verbesserung der griechischen Wirtschaftsverfassung ermöglichten, nur als lapidare Absichtsbekundungen formuliert.

Es lebe die Europäische Transferunion

Das Athener Angebot ist auf den zweiten Blick mit hohen Gegenforderungen gespickt. Die Ziele für den Primärüberschuss – d.h. der Haushaltsüberschuss ohne Zinszahlungen – will man reduzieren und der Militärhaushalt soll weniger als gefordert reduziert werden. Für die Einsparungen von 13 Mrd. Euro erwartet Athen ein neues Hilfsprogramm für drei Jahre über ca. 53 Mrd. Euro. Auch bleibt der Athener Wunsch nach einem Schuldenschnitt sehr lebendig. Mit Annahme dieses Athener Angebots würde sich die griechische Verschuldung erneut deutlich erhöhen, ohne eine Aussicht auf eine Steigerung der griechischen Wettbewerbsfähigkeit zu haben. Überhaupt, woher nimmt man den Optimismus, dass etwa 50 Mrd. Euro ausreichen, wenn sich die letzten zwei Hilfspakete jeweils deutlich auf über 100 Mrd. Euro beliefen? Insgesamt würden sich das Kreditausfallrisiko der Gläubiger und damit auch das Systemrisiko der Euro-Finanzwelt noch weiter erhöhen. Vor allem darf die fatale Signalwirkung auf andere Euro-Länder nicht unterschätzt werden. Die Büchse der Instabilitäts-Pandora würde geöffnet. Jeder Deal für Griechenland wird im Herbst bei den Parlamentswahlen in Spanien und Portugal eine große Rolle spielen. In den Wahlkämpfen werden die aktuellen Oppositionsparteien dieselbe Großzügigkeit einfordern.

Grexit und Umschuldung als Königsweg?

Grundsätzlich müsste es bei einem Grexit nicht zu einem klassischen Schuldenschnitt von z.B. 30 Prozent kommen. Dieser wird in Berlin konsequent abgelehnt. Alternativ wären über eine Stundung, Umschuldung und Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden die Gläubigerforderungen nicht sofort verloren, sie würden in die sicherlich sehr weite Zukunft verschoben. Dann könnten die Euro-Politiker argumentieren, Griechenland würde über die Abwertung der Drachme zum Euro an künstlicher Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und könnte, befreit von der unmittelbaren Schuldenlast, den Weg harter Strukturreformen leichter beschreiten. Und nach Abschluss der Standortverbesserung und Wiedereintritt in den Gemeinschaftswährungsraum würde Griechenland schließlich beginnen, seine Schulden abzuzahlen.

Der ökonomischen Vernunft gehorchend könnte Griechenland also austreten, ohne dass die nationalen Regierungen der Geberländer ihren Wählern Steuerverschwendung über Schuldenstreichung erklären müssten. Ob Griechenland seine Schulden wirklich jemals zurückzahlen kann oder will, wäre für Politiker zunächst eine irrelevante Frage. Grundsätzlich sind öffentliche Kreditgeber immer geduldiger als private. Der politische Zeitgewinn bis möglichst nach der Bundestagswahl 2017 wäre sicherlich nach dem Berliner Geschmack.

Bleibt die US-Zinswende eine Fata Morgana?

Laut Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung ist zwar weiterhin mit einer ersten Zinserhöhung im September zu rechnen. Doch nimmt eine auch der Weltkonjunktur verpflichtete Fed die Risiken eines Grexit und vor allem einer deutlichen Konjunkturverlangsamung in China sehr ernst. (Eine Einschätzung der Situation der chinesischen Finanzmärkte finden sie unter „Halvers Woche“ am Ende dieses Produkts.)

Im Ernstfall wird die US-Notenbank ihre Zinswende auf Dezember oder sogar Anfang 2016 verschieben. Denn eine verfrühte US-Leitzinswende und ein damit weiter aufwertender US-Dollar könnten zu einer beschleunigten Vermögensrepatriierung großer US-Investoren führen. Über eine binnenwirtschaftliche Abkühlung würde dieser Prozess schließlich auch die amerikanische Exportkonjunktur empfindlich treffen. Darüber hinaus fürchtet die Fed die verstärkende Wirkung konjunkturell sinkender Energierohstoffpreise auf eine aktuell ohnehin wieder Deflationstendenzen zeigende Weltwirtschaft. Denn Wohl und Wehe der Industriemetalle hängen nicht zuletzt von China ab. Die Industriemetalle Aluminium und Kupfer notieren bereits jeweils auf dem niedrigsten Niveau seit sechs Jahren.

Grundsätzlich ist der Zusammenhang von Rohstoffen – auch Rohöl zeigt sich von einer schwachen Seite – und weltweiter Preisentwicklung hoch.

Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung: Zunächst alle Augen auf Griechenland

Nach der kurzfristigen Stabilisierung des Finanzmarkts in China mit planwirtschaftlichen Methoden – z.B. Verkaufsverbot für Aktien – hat sich die Panik wieder entspannt. China ist gezwungen, selbst mit den größten marktwirtschaftlichen Sünden ein Platzen seiner Blasen und damit Kollateralschäden für die Weltkonjunktur zu verhindern. Grundsätzlich wird China zukünftig von Investoren kritischer beäugt werden.

Zunächst bleibt Griechenland tonangebend. Der Non-Grexit wäre für die Renten- und Aktienmärkte kurzfristig zwar positiv. Denn mögliche Kollateralschäden für andere Euro-Länder blieben zunächst aus. Da damit aber unumkehrbar der Weg in die Europäische Transferunion mit all ihren wirtschaftshemmenden Effekten beschritten würde, werden die Euro-Aktienmärkte langfristig gegenüber denen in Amerika und Asien unterdurchschnittlich performen.

Umgekehrt wäre ein Grexit kurzfristig zwar irritierend, längerfristig aber eine Düngung der Stabilitätsunion und ein „Nai“ – ein Ja – für den Wirtschaftsstandort Europa. Der Grexit lieferte insofern Kaufargumente.

Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Starke Unterstützungen

Aus charttechnischer Sicht liegen im DAX im Falle einer fortgesetzten Korrektur die ersten Unterstützungen an der Barriere zwischen 10.950 und 11.000 Punkten. Die nächsten Haltelinien liegen bei 10.800 und darunter bei 10.653 Punkten. Kommt es zu größeren Verwerfungen, bietet die Unterstützungszone zwischen 10.050 und 9.927 Punkten Halt. Auf der Oberseite bietet die obere Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei 11.429 und die Marke bei 11.600 Punkten Widerstand.

Im Euro Stoxx 50 wartet eine relativ starke Auffangzone zwischen 3.325 und 3.290 Punkten. Darunter verlaufen die nächsten wichtigen Unterstützungen bei 3.192 und bei 2.970 Zählern. Sollte der Index dagegen die noch steigende 200-Tage-Linie zurückerobern, warten die nächsten Widerstände bei 3.417 und darüber im Bereich um 3.450 Zähler. Darüber verlaufen weitere Hürden 3.550 und am Abwärtstrend bei zurzeit 3.563 Zählern.

Und was passiert in der KW 29?

Im Rahmen der US-Berichtsaison für das II. Quartal 2015 werden die Ergebnisse der Banken JPMorgan, Goldman Sachs, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo grundsätzlich stabil ausfallen. Yahoo dürfte weiter unter dem Preisdruck bei Online-Werbung leiden, während Konkurrent Google von seinem Fokus auf Smartphone-Apps profitieren dürfte. In den Ergebnissen von Intel und General Electric wird sich der nach wie vor starke US-Dollar niedergeschlagen haben. Insgesamt wird sich aufgrund der im Vorfeld bereits gestutzten US-Gewinnerwartungen das Enttäuschungspotenzial aber in Grenzen halten.

Auf Makroebene dürften die chinesischen BIP-Zahlen für das II. Quartal erneut schwächer ausfallen und das von der Regierung ausgegebene Wachstumsziel von 7 Prozent verfehlen. In den USA fallen der Konjunkturbericht der Fed (Beige Book) als auch der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed stabil aus.

Auf ihrer Sitzung sieht sich die EZB aufgrund der weiterhin schwachen Inflation in ihren Anleiheaufkäufen bestätigt. In Deutschland setzt sich die konjunkturelle Stimmungseintrübung gemäß der ZEW Konjunkturerwartungen leicht fort.

Grundsätzlich gilt der Fokus der Finanzmärkte aber den finalen Verhandlungen der Gläubiger mit Griechenland.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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