Schwache Rohstoffpreise sind die Entspannungsmomente für Notenbanken

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Der sich im Trend eintrübende Einkaufsmanagerindex für das weltweite Verarbeitende Gewerbe deutet mit einem Wert von aktuell 51 keine markante Konjunkturbeschleunigung an. Im Einklang dazu setzen auch die konjunkturreagiblen Energie- und Industrierohstoffe nach einer kurzen Gegenbewegung zu Jahresbeginn ihre Schwächephase fort.

Ein markanter Auslöser für die schwache Entwicklung von Industriemetallen sind die Konjunkturängste in China. Offiziell spricht Peking zwar von einem stabilen Wachstum im II. Quartal von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch werden die anfälligen Blasen bei Immobilien, Aktien sowie Krediten von einigen Volkswirten als Handicaps für die weitere Wirtschaftsentwicklung betrachtet. Vor allem Kupfer als das Industriemetall schlechthin – mit vielfacher Anwendung in der Elektroindustrie, dem Maschinenbau und der Unterhaltungselektronik – muss dieser ökonomischen Skepsis Tribut zollen. Auf China entfallen rund 40 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage.

Selbst Chinas ergriffene wirtschaftspolitische Gegenmaßnahmen werden vorerst nur eine konjunkturelle Stabilisierung erreichen. Insofern ist eine nachhaltige Erholung des Kupferpreises nicht zu erwarten.

Auch auf dem Kupfer-Terminmarkt setzt sich der schwankungsintensive Trend sinkender Netto-Long Positionen fort. So hat sich seit Mai dieses Jahres die zwischenzeitliche Erholung pro Kupfer umgekehrt.

Oil – Lower for longer

Trotz sinkender Ölpreise und einer damit auch grundsätzlich verringerten Förderung bleibt die weltweite Übersättigung auf den Energiemärkten bestehen. Das verhaltene weltkonjunkturelle Umfeld hinterlässt offenbar seine Spuren. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen zwischen dem Westen und dem Iran kommt ein weiterer Belastungsfaktor für den Ölpreis hinzu. Da die Sanktionen in puncto iranischer Energieausfuhren nach und nach aufgehoben werden, wird der Iran mit seinen weltweit viertgrößten Öl- und zweitgrößten Gasreserven voraussichtlich ab dem 1. Halbjahr 2016 wieder eine deutlich größere Rolle an den Energiemärkten in Europa und Asien spielen. Der Iran dürfte zwar nicht in der Lage sein, seine Ölproduktion zügig zu erhöhen. Denn nach langer Zeit der sanktionsbedingten Stilllegung müssen die mittlerweile maroden Produktions- und Transporteinrichtungen zunächst wieder instandgesetzt werden. Allerdings verfügt das Land über große Lagerbestände, die umgehend exportiert werden könnten. Diese Umstände allein sind bereits ein längerfristiges Handicap für steigende Ölpreise. Doch das wirklich ausschlaggebende Argument für anhaltenden Preisdruck ist die Energiepolitik Saudi-Arabiens. Die Saudis, die ihre Marktanteile in Europa und insbesondere in Asien auch den Sanktionen gegen den Iran zu verdanken haben, unternehmen alles, um ihre Marktanteile zu behalten. Zu diesem Zweck förderte Saudi-Arabien bereits in den letzten Wochen so viel Öl wie nie zuvor, um den Preisdruck beim Öl zu erhöhen. Damit versucht Saudi-Arabien die im Vergleich kostenintensivere iranische Ölförderung von den Energiemärkten fernzuhalten.

Insgesamt schlagen sich die Abwärtsrisiken für den Ölpreis bereits an den Rohstoff-Terminmärkten nieder. Rohölpreise der Sorte Brent jenseits der Marke von 100 US-Dollar pro Barrel werden auf absehbare Zeit nicht mehr erreicht werden. Ohnehin, bei Ölpreisen über 80 US-Dollar wird die Förderung von Fracking-Öl attraktiv. Es gibt sozusagen eine „technische“ Preisobergrenze.

Die Argumente für steigende Leitzinsen sind rar gesät

Zwar scheinen die Inflationserwartungen in den USA und der Eurozone ihr Tief durchschritten zu haben. Dennoch ist nicht von einer dynamisch steigenden Inflation auszugehen. Im Gegenteil, vor dem Hintergrund der aktuellen Rohstoffpreisschwäche sind Deflationierungstendenzen durchaus gegeben. Die Inflationserwartungen in den USA und in der Eurozone zeigten sich zuletzt bereits wieder rückläufig.

Dennoch wird die US-Notenbank aller Voraussicht nach die US-Zinswende im September einleiten. Jedoch ließ Fed-Chefin Yellen zuletzt vor dem US-Kongress durchblicken, dass durch eine eher frühe als späte Zinserhöhung mehr Zeit für ein anschließend gemächliches Zinserhöhungstempo besteht. Indem sie sich weiterhin an der allgemeinen Datenlage der US-Wirtschaft und den globalen Konjunkturrisiken z.B. in China – als großes Reservealibi – orientieren kann, entzieht sich die Fed jeglichem Zinserhöhungsautomatismus. Der Spielraum für geldpolitische Zurückhaltung der US-Notenbank ist bewusst gewaltig. Zinspolitisches Ungemach aus den USA bleibt für Weltkonjunktur und Weltfinanzmärkte aus.

Für die EZB gibt es ohnehin keinen Grund für geldpolitische Restriktion. EZB-Chef Draghi bestätigte auf der letzten Zinssitzung die planmäßige Umsetzung des im März begonnenen Anleiheaufkaufprogramms bis September 2016. Die Geldpolitik der EZB bleibt das integrative Bindegewebe, um den stabilitätspolitischen, konjunkturellen und auch sozialen Fliehkräften in der Eurozone entgegenzuwirken.

Für Griechenland ist noch viel mehr Rettungspotenzial der EZB drin

Auch wenn die griechischen Schuldenprobleme nur verschoben und keinesfalls aufgehoben sind, hat die Einleitung von Reformmaßnahmen in Griechenland und ein absehbares, drittes Hilfspaket den Grexit einstweilen abgewendet. Für zusätzliche Beruhigung der Finanzmärkte
sorgt die erneute Erhöhung der Notkredite der EZB an griechische Banken, die ansonsten in Zahlungsunfähigkeit gerieten.

Nach erfolgreicher Implementierung von Reformen in Griechenland, einer gesicherten Finanzierung des Landes über drei Jahre und Wiederkehr an die Kapitalmärkte ist es möglich, dass Griechenland im Laufe des nächsten Jahres in das Aufkaufprogramm der EZB aufgenommen wird. Der geringe Beteiligungsschlüssel Griechenlands an der EZB mag zwar das Kaufvolumen griechischer Staatsanleihen begrenzen. Doch allein die Tatsache, dass die EZB kauft, wird griechische Staatsanleiherenditen kräftig fallen und ihren Renditeaufschlag gegenüber der Euro-peripherie abschmelzen lassen. So kann sich Griechenland deutlich günstiger refinanzieren und seine Schuldentragfähigkeit künstlich stärken. Damit könnte die EZB auch aus der Fortsetzung der unhaltbaren Notfinanzierung griechischer Banken entkommen. Diese könnten stärker vom griechischen Staat gestützt werden.

Mit dem Aufkauf griechischer Staatsanleihen sorgt die EZB für weiter sinkende Attraktivität von Staatsanleihen im Euroraum gegenüber den USA. Insofern hat der Euro seinen Abwärtstrend gegenüber dem US-Dollar wieder aufgenommen.

Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung

Die verhaltenen Rohstoffpreise stützen die Kaufkraft der Konsumenten und die Profitmargen der Unternehmen. Damit ist nicht zuletzt eine fundamentale Stärkung der bislang stark geldpolitisch getriebenen Aktienmärkte verbunden.

Schon in früheren Jahren war der Iran ein großes Betätigungsfeld für die deutsche Industrie. Nach Sanktionsbefreiung bietet die marode Infrastruktur des Landes vielfältige Investitionschancen insbesondere für mittelständische Industrieunternehmen, die angesichts eines schwächeren weltwirtschaftlichen Umfelds für jede Unterstützung dankbar sind.

Für eine reduzierte Risikoaversion an den Weltfinanzmärkten sorgen neben den chinesischen Konjunkturstützungspaketen ebenso Pekings unkonventionelle Instrumente zur Stabilisierung des chinesischen Aktienmarkts. Alles wird unternommen, um die Aktienblase nicht bersten zu lassen. In letzter Konsequenz würde die chinesische Notenbank nicht davor zurückschrecken, indirekt über die Geschäftsbanken Aktien aufkaufen zu lassen. Seit 2008 hat sich ihre Liquiditätsausstattung bereits verdoppelt. In der westlichen Welt werden diese planwirtschaftlichen Instrumente stillschweigend geduldet. Man fürchtet die ansonsten massiv auftretenden Kollateralschäden für die Weltwirtschaft.

Insgesamt haben weder die griechische Staatsschuldenkrise noch die Unsicherheiten an den chinesischen Finanzmärkten zu einer weiteren markanten Eintrübung in der deutschen Konjunkturstimmung geführt. Trotz des leichten Rückgangs der ZEW Konjunkturerwartungen zeigt sich die aktuelle Lage stabilisiert. Die verbesserte (geld-)politische und damit mit Zeitverzögerung ebenso wirtschaftliche Großwetterlage wird im Zeitablauf die Konjunkturerwartungen wieder stärken.

Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Die Bullen schlagen zurück

Aus charttechnischer Sicht wartet im DAX auf dem Weg nach oben der nächste Widerstand im Bereich um die 12.000 Punkte. Auf der Unterseite bestehen dagegen erste Haltelinien bei 11.600 Punkten und an der oberen Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei zurzeit 11.454 Punkten. Darunter bietet eine Kurslücke zwischen 11.149 und 11.035 Punkten Halt. Schließlich verlaufen die nächsten nennenswerten Unterstützungen bei 10.800 und an der 200-Tage-Linie bei derzeit 10.684 Zählern.

Im Euro Stoxx 50 wartet auf dem Weg nach oben der nächste Widerstand bei 3.691 Punkten. Darüber liegen weitere Hürden bei 3.782 und am bisherigen Jahreshoch bei 3.836 Zählern. Im Fall einer Konsolidierung sollte der Index bei 3.651 und am zuletzt überwundenen Abwärtstrend bei derzeit 3.561 Punkten Unterstützung finden. Darunter verläuft die nächste nennenswerte Auffanglinie bei 3.417 Punkten.

Und was passiert in der KW 30?

Auf Unternehmensebene setzt sich die US-Berichtsaison für das II. Quartal 2015 fort. Morgan Stanley dürfte unter einer Schwäche im Handelsgeschäft zu leiden haben. IBM verspürt vor dem Hintergrund der Konzernumstrukturierung weiteren Gegenwind. Das Ergebnis von Apple wird insbesondere in Hinblick auf konjunkturelle Bremseffekte in China mit Spannung erwartet. Das Ergebnis von Microsoft dürfte keine negativen Überraschungen bereithalten. Coca-Cola und McDonald’s bekommen die Nachfrageschwäche auf dem Heimatmarkt zu spüren. Bei den exportsensitiven Unternehmen Caterpillar und General Motors hat sich die US-Dollar-Stärke niedergeschlagen.

Auch in Deutschland startet die Berichtsaison. Daimler, SAP und BASF haben von einem vergleichsweise schwachen Euro profitiert. Negativeffekte der chinesischen Konjunkturabschwächung sind zu erwarten.

Auf Makroebene in den USA deutet der vom Finanzdatenanbieter Markit veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf eine Stabilisierung der US-Konjunkturerholung hin. Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind rückläufig.

In der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe eine Fortsetzung der zyklischen Konjunkturerholung. Auch in Deutschland zeigt sich die Konjunkturstimmung wieder stabiler.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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