China: Ein Crash wiederholt sich nicht, oder doch?

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Zunächst was zum Schmunzeln: „Österreich“, das Gratisblättchen für Österreichs intellektuelle Elite, servierte in seiner Ausgabe vom 29. Juli auf Seite 8 wieder einmal eine Sensation: Unter dem Titel „China: Börsen-Crash ohne Ende“ stand da zu lesen: „Leitindex: minus 150 Prozent“. Hm… das ist ja tatsächlich sensationell!

Nein, wir denken jetzt nicht über den Wahrheitsgehalt der übrigen Österreich-„Sensationen“ nach, und auch das Gedankenexperiment, wie ein Minus von 150 Prozent in der Praxis den aussehen könnte, haben wir ergebnislos abgebrochen (Negativzinsen auf Aktien? Originell!). Tatsache ist: Die Talfahrt an den chinesischen Börsen hat sich fortgesetzt und wird von der internationalen Anlegergemeinschaft genau beobachtet. Wie an dieser Stelle bereits erwähnt: Nach den exorbitanten Kursgewinnen in Shanghai und Shenzen war eine Konsolidierung längst fällig. Doch – wie tief können die Kurse noch sinken, und wird dies die Weltbörsen mitreißen?

Tatsache ist: Der Shanghai Composite Index startete mit 3.351 Punkten (Dezimalstellen jeweils gerundet) in das Jahr 2015, kletterte bis zum 12. Juni auf 5.166 (legte also um mehr als die Hälfte zu), sackte bis zum 3. Juli auf 3.686 ab, erholte sich auf 4.124 Punkte, die am 23. Juli erreicht waren, und rutschte dann am 28. Juli wieder auf 3.663 zurück. Charttechniker werden jetzt Fibonacci-Retracements anlegen oder darüber rätseln, ob in der Region 3.663/3.686 eine Unterstützung liegt. Rätseln werden die China-Anleger, ob die Maßnahmen der Regierung wirksam sind: Staatsfonds dürfen Aktien kaufen, Neuemissionen werden gebremst, es kommt häufig zu Kursaussetzungen einzelner Werte, um den Abwärtstrend zu stoppen. Können solche Maßnahmen greifen? Ein Blick auf den langfristigen SSE Composite zeigt: besonderes außergewöhnlich ist die aktuelle Situation keineswegs. Am 1. Oktober 2007 notierte der Index bei 5.955, also über dem jüngsten Top, exakt ein Jahr später waren es dann nur noch 1.729 Punkte. Dem damaligen Muster folgend, müsste sich der Index also erst in der Region um 2.400 stabilisieren. So betrachtet, sind die Maßnahmen der chinesischen Regierung eher sinnlos. Staatliche Versuche, in einen Markt einzugreifen, erhöhen nur die Unsicherheit der Anleger, weil letztlich niemand mehr weiß, ob ein Kurs „echt“ oder manipuliert ist.

Was die jüngsten Kursausschläge in China aber auch zeigen: Investments in Emerging Markets sind immer mit größerem Risiko versehen als jene in entwickelten Märkten. Anleger neigen etwa seit dem Crashjahr 2008 dazu, die höheren Wachstumsraten, die Schwellenländer erzielen, an den Börsen zu optimistisch zu bewerten. Davor waren die meisten Schwellenland-Börsen mit einem „Emerging-Markets-Abschlag“ bewertet, seither gibt es meist Aufschläge, auch und besonders in China. Die Konjunkturprognosen im Reich der Mitte wurden in diesem Jahr bereits mehrfach zurückgenommen. Die chinesische Wirtschaft wird also langsamer als in den vergangenen Jahren wachsen, Europas Wachstumsraten aber immer noch deutlich übertreffen. Doch der Zusammenhang zwischen Konjunktur und Börsenklima ist in den Schwellenländern geringer als in den Industriestaaten. Auch das lehren die Kursverluste in Shenzen und Shanghai.

Franz C . Bauer, Trend RedakteurEin Beitrag von Franz C. Bauer

Franz C. Bauer ist Chefkolumnist des Austria Börsenbriefs

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