Nach dem Brexit: No(w) time to buy

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Großbritannien hat den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Zwar hellen sich die Konjunkturaussichten wieder auf, langfristig könnte der Brexit die britische Wirtschaft aber teuer zu stehen kommen. Für Anleger sollte das allerdings kein Grund sein, UK-Aktien generell zu meiden. Denn vor allem die Geschäfte einiger großer Branchen-Marktführer dürften auch nach dem Brexit florieren, was auch bei den Aktien hervorragende Gewinnperspektiven eröffnet.

Am 1. Januar 2021 endete die 11-monatige Übergangsphase, womit das Vereinigte Königreich den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verließ. Angesichts der sich aufhellenden Wirtschaftsaussichten sehen sich viele Brexit-Befürworter darin bestätigt, dass es für Großbritannien auch ohne den Verbleib in der EU erfolgreich vorangehen wird.

Denn nachdem die britische Wirtschaft 2020 wegen der Corona-Krise um fast 10 Prozent einbrach, rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2021 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 5 Prozent. Die Bank of England passte ihre Konjunkturprognose im Mai sogar nochmals deutlich nach oben an und stellte ein Wirtschaftswachstum von über 7 Prozent in Aussicht. Laut dem Chefvolkswirt der britischen Notenbank, Andy Haldane, ist ein „fantastischer Aufschwung“ möglich.

Was dabei aber häufig übersehen wird, ist, dass die britische Wirtschaft die starken Konjunkturprognosen vor allem den Impferfolgen im Lande zu verdanken hat. Laut Fabrice Montagne, Ökonom bei der Londoner Großbank Barclays, haben die Lockerungen in Großbritannien einen viel krasseren Effekt, weil das Land in den ersten drei Monaten 2021 einen strikteren Lockdown hatte als die meisten Länder in Europa. Dennoch ist auch für ihn klar, dass der Brexit negative Effekte hat.

Gewaltiger Brexit-Schaden für Großbritannien

Die Folgen des Brexits dürften sich dementsprechend erst nach der Pandemie wirklich zeigen. Die EU-Kommission geht bislang von einem Brexit-Schaden für die britische Wirtschaft von über 40 Mrd. Britischen Pfund bis Ende 2022 aus.

Das größte Problem sind dabei die erschwerten Handelsbedingungen. Das in letzter Minute abgeschlossene Handelsabkommen gewährleistet zwar einen überwiegend zollfreien Handel, aber Formalitäten und Kontrollen wegen Produktstandards haben den Handel über den Ärmelkanal erheblich komplizierter gemacht.

„Viele Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische, fühlen sich dem nicht gewachsen und haben den Export vorübergehend ganz eingestellt“, erklärt Tobias Burggraf, Portfolio-Manager bei der in Luxemburg ansässigen Vermögensverwaltung Ethenea die Entwicklung der ersten Monate nach dem Brexit-Vollzug.

Als Folge davon ist der Handel zwischen Großbritannien und den EU-Ländern erheblich zurückgegangen. Den Zahlen der britischen Statistikbehörde ONS zufolge ist das Handelsvolumen im ersten Quartal 2021 um 23 Prozent geringer ausgefallen als im Vergleichszeitraum erstes Quartal 2018, der als letzte stabile Handelsperiode gilt. Der Handel mit nichteuropäischen Ländern verringerte sich dagegen nur um 0,8 Prozent, wodurch Großbritannien inzwischen mehr Außenhandel mit dem Rest der Welt betreibt als mit der EU.

Zitat: „Der Brexit wird das Vereinigte Königreich voraussichtlich langfristig ärmer machen, als wenn es EU-Mitglied geblieben wäre.“ (Professor Thomas Sampson, London School of Economics)

Argumente der Brexit-Befürworter werden getestet

Dass es dazu kommen musste, war für viele Wirtschaftsexperten absehbar. „Der Brexit führt zu neuen Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU, was zu einem geringeren Handelsvolumen und damit zu Einkommensverlusten durch höhere Preise und weniger effizienter Produktion führen wird“, schrieb Thomas Sampson, Professor an der London School of Ecenomics, im „Brexit and beyond“-Bericht.

Die Experten der britischen Denkfabrik „UK in a changing Europe“, der Sampson angehört, erwarten zehn Jahre nach dem Brexit rund 13 Prozent weniger Handelsvolumen zwischen Großbritannien und der EU als zuvor. Ob sich die Argumente der Brexit-Befürworter wie Unabhängigkeit der Währung oder neue Handelsbedingungen mit Partnern außerhalb der EU erfolgreich niederschlagen werden, ist derzeit nicht absehbar.

Unabhängig davon, ob sich der Brexit als wirtschaftliche Fehlentscheidung entpuppt oder nicht, heißt das nicht, dass Anleger den britischen Aktienmarkt generell meiden sollten. Denn viele Unternehmen dürften von den Brexit-Nachwirkungen kaum betroffen sein. Dazu gehört beispielsweise Diageo.

Diageo: Der Spirituosen-Weltmarktführer

Der in London ansässige Konzern Diageo (WKN: 851247 / ISIN: GB0002374006) ist die unangefochtene weltweite Nummer eins im Spirituosen-Bereich. Das Angebots-Portfolio ist mit über 200 Spirituosen-Marken gewaltig und erstreckt sich von Whiskey-Marken (u.a. Talisker, Johnnie Walker), Tequila (Don Julio) und Wodka (bspw. Smirnoff, Ketel One) über Rum (Ron Zacapa, Captain Morgan) bis hin zu Gin-Marken (Gordon’s Gin, Tanqueray), Likören (Grand Marnier, Baileys), Alcopops (Smirnoff Ice) und Bier (Guinness, Kilkenny).

Als Spirituosen-Weltmarktführer sollte Diageo unte randerem von einer Wiedereröffnung von Bars und Restaurants profitieren. Bildquelle: Pixabay / Pexels

Zahlreiche der bekannten Labels sind dabei in ihren Segmenten die Weltmarktführer und sorgten bei Diageo im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2020/2021 für einen Umsatz von 12,7 Mrd. GBP. Die marktbeherrschende Stellung von Diageo schlägt sich auch in der langfristigen Aktienentwicklung nieder.

Auf Zehnjahressicht legte der Kurs im Schnitt um 11 Prozent jährlich zu. Trotz des Brexits dürfte sich der Aufwärtstrend der Aktie auch in den kommenden Jahren fortsetzen, denn die Lage des Konzerns ist kaum von der wirtschaftlichen Situation Großbritanniens abhängig. Der Großteil der Erlöse wird im Ausland erzielt, wobei sich Diageo auch in aufstrebenden Emerging Markets wie Indien, Mexiko oder Südafrika immer stärker engagiert. Hier eröffnet der zunehmende Wohlstand weiteres, kräftiges Wachstumspotenzial.

Unilever: Der Marken-Gigant

Gerade beim Supermarkteinkauf wird immer wieder zu den bekannten Markenlabels gegriffen. Sehr oft landen dann auch Produkte von Unilever (WKN: A0JNE2 / ISIN: GB00B10RZP78), einem der Weltmarktführer im Konsumgüterbereich, im Einkaufswagen.

Der Londoner Konzerngigant verfügt über ein Produktsortiment von über 400 Marken. Dabei nutzen eigenen Angaben nach etwa zwei Milliarden Menschen aus über 190 Ländern täglich ein Unilever-Produkt. Diese Produkte decken die Sparten Haushalts- und Textilpflege (u.a. Domestos, Coral, Cif, Viss), Körperpflege (Axe, Dove, Rexona, dusch das) und Nahrungsmittel (Ben & Jerry’s, Knorr, Magnum, Pfanni, Langnese, Lipton) ab.

Die Markenmacht des Konzerns sorgt selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für stabile Erlöse, wie sich zuletzt im Corona-Jahr 2020 gezeigt hat, in dem Unilever mit Erlösen von 50,7 Mrd. Euro das Umsatzniveau des Vorjahres 2019 (52,0 Mrd. Euro) fast verteidigen konnte. Nachdem es für die Aktie von Unilever jahrelang kontinuierlich nach oben ging, wechselten die Papiere ab 2020 in den Seitwärtslauf. Der übergeordnete Aufwärtstrend bleibt aber intakt.

Rentokil Initial: Schädlingsbekämpfer mit +18% Kursgewinn pro Jahr

Dieser „Hidden Champion“ dürfte quasi unter dem Radar der meisten Anleger fliegen: Rentokil Initial (WKN: A0EQ3A / ISIN: GB00B082RF11). Das 1924 gegründete britische Traditionsunternehmen ist spezialisiert auf die Bekämpfung von Schädlingen.

Die Dienstleistungen in dieser sehr speziellen Sparte werden von zwei Millionen Kunden in mehr als 70 Ländern in Anspruch genommen, wobei Rentokil Initial in Großbritannien, Kontinentaleuropa, Asien, Pazifik und Südafrika der Marktführer ist. Neben Abwehr von Schadnagern, Insekten oder Tauben bietet der Konzern auch komplexe Vorratsschutzlösungen (bspw. Bio-Wärmebehandlungen, Begasungen) und technische Hygiene-Services, wie unter anderem Spezialdesinfektionen oder Wasser- und Lufthygiene-Services an.

Neben dem Brexit muss die britische Regierung auch die COVID-19-Folgen stemmen. Bildquelle: Pixabay / skeeze

Durch den steigenden Wohlstand in Schwellenländer-Regionen konnte Rentokil Initial das Geschäft immer weiter ausbauen und die Umsätze kontinuierlich steigern (Umsatz 2020: 2,8 Mrd. Britische Pfund). Auch für Anleger ist Rentokil Initial sehr interessant. Bei der Aktie standen in den vergangenen zehn Jahren Kursgewinne von durchschnittlich 18 Prozent jährlich zu Buche.

Experian: Profiteur des E-Commerce-Booms

In der Corona-Krise hat der florierende Online-Handel einen zusätzlichen Schub verpasst bekommen. Das sorgt zwar bei den E-Commerce-Anbietern für sprudelnde Einnahmen, bringt aber auch eine Schattenseite ans Licht:

Online-Händler beklagen zunehmend wirtschaftliche Schäden durch die Angabe von Fake-Identitäten, Kreditkarten-Betrügereien oder zahlungsunfähige Kunden. Hier bietet die Wirtschaftsauskunftei Experian (WKN: A0KDZM / ISIN: GB00B19NLV48) mit ihren IT-Lösungen entsprechenden Schutz, die unter anderem bei der Bewertung der Kunden-Identität und -Bonität sowie der Identifikation von betrugsauffälligen Bestellungen helfen.

Neben der Betrugsvermeidung unterstützt der Informationsdienstleister, der in über 90 Ländern aktiv ist, mit seinen Daten- und Analyse-Tools Unternehmen beispielsweise auch dabei, gezieltes Marketing zu betreiben, wichtige Entscheidungsprozesse zu automatisieren und das Kunden-Management zu optimieren. Wie gefragt die Dienstleistungen von Experian sind, zeigt sich in den seit Jahren immer weiter steigenden Umsätzen (2020/2021: 5,4 Mrd. US-Dollar) und in der langfristigen Aktienkursentwicklung. Auf Zehnjahressicht legte der Kurs im Mittel um 13 Prozent pro Jahr zu.

Rio Tinto: Rohstoff-Aufschwung sorgt für klingelnde Kassen

Die Weltwirtschaft wurde 2020 durch die Corona-Krise heftig zurückgeschlagen, doch inzwischen hat sich das Blatt wieder gewendet. Die globale Konjunkturerholung ist in vollem Gange und dürfte weiter an Dynamik gewinnen. Das spiegelte sich auch in den zeitweise kräftig gestiegenen Rohstoffpreisen wider. Ein Unternehmen, das zu den großen Profiteuren des Commodity-Aufschwungs gehört, ist Rio Tinto (WKN: 852147 / ISIN: GB0007188757).

Der 1873 gegründete britisch-australische Konzern ist einer der weltweit führenden Bergbauer der Welt, der Minen, Schmelzhütten und Raffinerien in 35 Ländern betreibt. Rio Tinto ist in der Förderung der unterschiedlichsten Rohstoffe aktiv, dazu gehören vor allem Eisenerze, Aluminium, Kupfer, Gold und Kohle, außerdem Industrieminerale sowie Diamanten. Das Unternehmen blickt auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2020 zurück.

Dank der anziehenden Rohstoff-Nachfrage und dadurch steigender Preise wurde gegenüber 2019 ein Gewinnsprung um 49 Prozent auf 10,4 Mrd. US-Dollar verbucht (Umsatz: 44,6 Mrd. US-Dollar, 2019: 43,2 Mrd. US-Dollar). An der Börse wurde Rio Tinto vor dem Hintergrund der Rohstoffkrise Anfang 2016 auf 20 Euro zurückgeschlagen. Doch es folgte eine Aufholbewegung, im Zuge der sich der Aktienkurs bis 2021 zeitweise vervierfachen konnte. Setzt sich die Rohstoff-Hausse fort, dürfte es auch für den Aktienkurs weiter aufwärts gehen.

Fazit

Der Brexit könnte sich für das Vereinigte Königreich langfristig als wirtschaftliche Fehlentscheidung erweisen. Doch nicht alle britischen Unternehmen sind negativ betroffen. Dazu gehören zum Beispiel Diageo und Unilever. Die Markenmacht dieser beiden Großkonzerne dürfte auch in Zukunft einen Schutzwall vor Konkurrenz darstellen und für stabile Geschäfte sorgen. Rentokil Initial sollte auch weiterhin von der marktbeherrschenden Stellung in einem Nischenmarkt profitieren. Der IT-Dienstleister Experian bleibt einer der größten Profiteure des boomenden Online-Handels, und bei Rio Tinto dürfte der Rohstoff-Aufschwung in den kommenden Jahren für klingelnde Kassen sorgen. An der Börse eröffnet sich bei diesen fünf Titeln entsprechend großes Gewinnpotenzial.

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