Geldanlage: Warten auf den Nachschlag

Schauen Sie auch schon aus Verzweiflung das RTL-Dschungelcamp? An den Börsen rührt sich derweil ja nicht gerade viel. 16 Handelstage sind schon vorüber und stolze 15 Mal wurde der DAX dabei auf 7.7XX Punkte taxiert. Dschungel-Joey & Co. verpassen also kaum etwas und können weiter das Getier im Urwald verspeisen. Mein Hauptproblem: Ich muss nun eine Brücke von der RTL-Pseudo-Doku zur aktuellen AXA-Studie schlagen, die den Deutschen weiterhin große Wissenslücken über Fonds attestiert. Der einfachste Weg wäre es natürlich, die Teilzeitprominenz mit den gleichen Fragen zu konfrontieren, auch wenn dies das Ergebnis nur verschlechtern kann, denn immerhin wussten 60 Prozent der Befragten, dass Rentenfonds nichts mit der Rente zu tun haben. Den Begriff „Anleihefonds“ konnte allerdings nur knapp ein Drittel zuordnen.

Ist aber eigentlich auch egal, denn mit Geldmarktpapieren lockt man derzeit ebenfalls keinen Anleger hinter dem Ofen hervor. Seitdem EZB-Chef Mario Draghi quasi den Blankoscheck unterschrieben hat, purzeln die Renditen der Staatsanleihen in den Keller. Spanien musste für kurzfristige dreimonatige Papiere in dieser Woche lediglich 0,441 Prozent und für achtmonatige Titel 0,888 Prozent auf den Tisch legen. Im Dezember sind es immerhin noch 1,195 Prozent bzw. 1,609 Prozent gewesen. Bei diesen Zahlen schwingt doch irgendwie ein bisschen Ironie mit. Denn ausgerechnet jetzt, wo sich die Staaten zum Nulltarif refinanzieren können, sollen sie sich ein hartes Spardiktat auferlegen? Das ist ja quasi so, als wenn sie die Bevölkerung zum Nicht-Rauchen animieren wollen, gleichzeitig aber die Zigarettenpreise auf 1,00 Euro senken. Das gleiche Spiel in Frankreich: Dort musste man in Paris zur Monatsmitte für zweijährige Anleihen läppische 0,24 Prozent, für vierjährige und fünfjährige Staatspapiere 0,74 Prozent bzw. 1,06 Prozent über den Tresen reichen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir sind Spanien oder Frankreich in den letzten Monaten nicht durch beeindruckende Wirtschaftszahlen und grandiose Wachstumsaussichten aufgefallen.

Immerhin: Die Privatanleger vertreten nun wieder eine optimistischere Meinung. An der Zertifikate-Börse in Stuttgart wurden zuletzt vermehrt Calls geordert, worauf sich
das EUWAX-Sentiment auf Jahressicht wieder in den positiven Bereich geschoben hat. Der Rückblick auf den Verlauf zeigt allerdings, dass diese Indikation nur allzu oft antizyklisch zu interpretieren war. Die Korrekturgefahren dürften nun also mit jedem weiteren Punktgewinn steigen. Da passt es gut ins Bild, dass uns Deutsche Börse-Vorstandschef Reto Francioni die Krise wieder ins Gewissen ruft. „Die akuten Flächenbrände der Finanzkrise mit ihrem bisherigen Höhepunkt im Jahr 2008 und der nachfolgenden Euro-Schuldenkrise lodern zwar nicht mehr. Doch nach wie vor existieren hinreichend ernstzunehmende Glutherde, die weiter schwelen.“ war auf dem Neujahrsempfang am Montagabend zu hören.

Diese sogenannten „Glutherde“ genau zu beziffern wird allerdings schwierig, schließlich signalisieren die meisten Konjunkturindikatoren, dass wir uns weiter auf Erholungskurs befinden. Ob ZEW-Index, Einkaufsmanagerindizes oder sogar der US-Immobilienmarkt, überall scheint das „billige“ Geld als Treibstoff zu fungieren. So viele Pro-Argrumente für den Kauf von Aktien gab es wirklich selten. Die Flut scheint sprichwörtlich alle Boote zu heben. Von den 160 Papieren aus DAX, MDAX, TecDAX und SDAX haben 82 Prozent einen soliden positiven Auftakt hingelegt. Die Gewinner bislang: Solarworld (52,03 Prozent), Praktiker (46,96 Prozent) und Nordex (38,29 Prozent). Am unteren Ende des Tableaus finden sich RWE (-9,46 Prozent), Salzgitter (-6,66 Prozent) und Wirecard (-4,87 Prozent). Im Durchschnitt ergibt sich für alle 160 Titel ein Aufschlag von stolzen 7,00 Prozent.

Dennoch ist der Schwung aus den letzten Wochen des vergangenen Jahres vorerst nicht mehr zu spüren. Der Grundtenor bleibt aber optimistisch. Anna-Maria Borse brachte es am Montag im Deutsche Börse Wochenausblick mit dem Zitat eines Händlers auf den Punkt: „Auf Jahressicht bleiben wir vorsichtig optimistisch und rechnen für den deutschen Leitindex mit neuen Rekordständen aufgrund fehlender Anlagealternativen, moderater Bewertungen, hoher Dividendenrenditen und an erster Stelle der Liquiditätsschwemme der Notenbanken.“

Fraglich bleibt allerdings, ob die konjunkturelle Dynamik auch zu steigenden Gewinnen an der Unternehmensfront führen. Bisher läuft die Berichtssaison in den USA durchwachsen. Als Enttäuschung kann man sie aber nicht einstufen. Nach der kräftigen Erholung stellt sich also jetzt die Frage: Wo liegen die Anreize für weiter steigende Kurse und wie sind diese einzuschätzen? Pauschal kann gesagt werden, dass wirklich große neue Impulse bis auf weiteres leider nicht vorliegen. Außerdem haben die Märkte die positiven Nachrichten zuletzt übergewichtet. Allerdings wissen wir, dass gerade auf Phasen sehr geringer Kursvolatilität – wie sie derzeit zu beobachten ist – nur allzu oft impulsive Bewegungen folgen. Kurzfristig kann es an den Börsen daher durchaus eine Etage weiter nach oben gehen. Wir bleiben aber bei unserer Einschätzung, einen solchen Anstieg vor allem für den Aufbau von Short-Engagements zu nutzen. Mittel- bis langfristige Long-Positionen kommen für uns auf dem derzeitigen Niveau nicht in Frage. Im Augenblick ist schlichtweg etwas Geduld erforderlich. Aber das Börsenjahr ist ja bekanntlich noch recht frisch, weshalb blinder Aktionismus wirklich nicht erforderlich ist.

Sebastian Hoffmann ist Trading-Analyst bei Prime Quants. Dort ist er vor allem für die Intraday-Analysen, die Handelssysteme und die Trading-Services verantwortlich.