Nach Korrektur der Tech-Werte: Kommt das Comeback der Value-Werte?

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Haben Sie Google, Facebook, Apple, Microsoft oder irgendeinen anderen Tech-Wert aus den USA im Depot? Wenn ja, werden Sie sich wahrscheinlich ein bisschen mit Galgenhumor in diesen Tagen behelfen. Nach dem Motto „Rot ist das neue Grün“ im Depot. Zumindest bei den in den vergangenen zwei Jahren bei Anlegern und Investoren beliebten Technologiewerten der US-Börse NASDAQ.

Die Korrektur hat schon viel früher begonnen

Schaut man sich aber den Index und die Einzelwerten sowie deren Kursentwicklung an, so sieht man sehr schnell, dass die vielzitierte „Techkorrektur“ keineswegs erst dieses Jahr begonnen hat. Seit dem vierten Quartal 2021 ging dem IT-Sektor und dessen Umfeld ein bisschen die Luft aus – dass da der April seit langem der schlechteste Monat für die NASDAQ war, dürfte wohl nur wichtig für die Geschichtsbücher sein.

Wer in Apple, Mircosoft oder Alphabet seit dem Corona-Crash im März 2020 investiert war, konnte bis Ende vergangenen Jahres gutes Geld machen. Der ganze Tech-Sektor war in 2020 und 2021 sehr stark anstiegen, so dass eine „gewisse Korrektur nicht wirklich überraschend war“, wie Sverre Bergland, Portfolio Manager des DNB Fund Technology bei DNB Asset Management sagt.

Auf 12-Monats-Sicht gibt es noch Gewinne im Depot

Diese Korrektur hat dennoch bei vielen Aktien die Anleger nicht gänzlich in die Verlustzone gebracht. Wer bei Apple vor einem Jahr 10.000 Euro investierte, hat heute immer noch eine Summe von mehr als 12.800 Euro in der Position des iPhone-Herstellers im Depot stehen. Auch Microsoft kann sich bisher im Depot auf 12-Monats-Sicht gut halten. Der Windows-Konzern kommt bei einer Anlagesumme von 10.000 Euro heute noch mit mehr als 11.800 Euro weg.

Aktionäre freuen sich: Der „Apple Fifth Avenue“ Store in New York. Es ist der einzige Store des iPhone-Konzerns der rund um die Uhr das ganze Jahr offen hat. Bildquelle marktEINBLICKE.de

Was wohl viele Anleger überrascht hat, „ist das Ausmaß der Korrektur. Bisher bedeutete dies einen sehr harten Absturz für den teuersten Teil des Marktes. Ein Grund bestand sicherlich in der Divergenz zwischen Wachstum- und Value-Titeln“, ergänzt Bergland.

„Diese Entwicklung begann zwar schon vor der Covid-Pandemie, der Trend wurde allerdings – auch durch den starken Rückgang der Zinsen – nochmals verstärkt. Zudem kamen extrem viele neue Teilnehmer auf den Aktienmarkt, so dass der Anteil an Privatanlegern deutlich größer geworden ist.“ Alle diese Faktoren zusammen haben natürlich ihre Auswirkungen – und laut Bergland „einige Titel um bis zu 80 Prozent gefallen sind, halten wir sie immer noch für teuer.“ Seine Begründung:

„Sie haben in 2021 einen Punkt erreicht, der einfach völlig unrealistisch war, und die Gegenreaktion ist jetzt da. Wenn es zu einer derart starken Korrektur kommt, werden einige dieser Aktien zu interessanten Anlagezielen. Allerdings gibt es einige darunter, die noch kein Geld verdienen. Diese sind aus unserer Sicht nicht interessant.“

Der Software- und Spielsektor bleibt aussichtsreich

Entsprechend hat man bei DNB Asset Management einen Richtungsschwenk im Auge. „Eine große Anzahl der Konsumenten haben während der Pandemie neue Telefone, PCs, Fernseher etc. gekauft. Wenn die Menschen jetzt wieder beginnen, ein normaleres Leben zu führen – das bedeutet mehr Geld für Restaurantbesuche und Unterhaltung auszugeben -, wird auf der anderen Seite weniger Geld für Elektronik übrigbleiben.“

Entsprechend hat man daher beispielsweise den Halbleiter- und Hardwarebereich untergewichtet. Dagegen hat man  „sowohl in den Softwarebereich als auch in den eher wertorientierten Teil des Marktes investiert. Dazu zählen z. B. Unternehmen wie Microsoft, SAP und Oracle.“

Ein weiterer interessanter Bereich ist aus Sicht Berglands der Spielesektor. Hier wird von einer höheren Wachstumsrate in der zweiten Hälfte des Jahres ausgegangen. „In diesem Sektor gibt es zahlreiche Fusionen und Übernahmen, wie Microsoft bei Activision Blizzard. Die M&A-Aktivitäten werden hier weitergehen, da die User in der Regel auf den Plattformen bleiben. Und wenn man an die Metaverse-Idee glaubt, dann werden Spiele einer der ersten Orte sein, die wir sehen werden“, so Bergland.

Was ist mit Apple und Microsoft los?

Die bereits im Beitrag angesprochenen Blue-Chips Apple und Microsoft sind für den Portfolio-Manager zwei Tech-Werte, in die es sich lohnt zu investieren – wenngleich auch mit einer unterschiedlichen Gewichtung. Microsoft ist in fast allen wichtigen IT-Trends sehr gut positioniert. „Wir gehen von einem Wachstum von 16 bis 20 Prozent aus. Das Unternehmen verfügt über ein sehr gutes Modell für wiederkehrende Einnahmen. Im Gegensatz dazu sind wir bei Apple wiederum sehr skeptisch“, so Bergland.

Der Microsoft Flagship-Store in New York. Den Windows-Konzern halten viele Experten unverändert für ein gutes Investments – trotz der jüngsten Korrektur des Aktienkurses. Bikldquelle: marktEINBLICKE.de

Der Grund sei, dass der Elektronikmarkt bzw. der Verbrauchermarkt in der nächsten Zeit recht schwierig sein könnte, weil in der Pandemie-Zeit zu viel in diesen Markt investiert wurde. „Wenn wir uns also Apple genauer ansehen, hat es fast denselben Preis wie Microsoft. Allerdings wächst das Unternehmen nur um ca. 5 Prozent pro Jahr beim Umsatz, während Microsoft drei bis vier Mal so schnell wächst. Trotzdem werden sie mit demselben Multiplikator gehandelt“.

Apple-Risiko: Die Sättigung des Smartphone-Marktes

Ebenso sieht man bei DNB Risiken bei Apple, „wenn es um Regulierung der Plattformgebühren und auch die Sättigung des Smartphone-Marktes geht. Dies sind Gründe, warum wir aktuell eine große Beteiligung bei Microsoft, aber keine bei Apple besitzen.“

Wenn man sich am Ende gegen Tech-Werte entscheidet – landet man dann automatisch bei Value-Werten? Diese Frage stellen sich nicht wenige Investoren und die zweite daran knüpfende ist, ob die aktuelle Value-Rallye eine Momentaufnahme oder jetzt das lange erwartete Comeback startet.

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Eine Umkehr des Wachstumstrends

Eine ehrliche Antwort dazu gibt Richard Halle, Manager des M&G (Lux) European Strategic Value Fund: „Wir wissen es nicht“, und ergänzt: „Anders als unsere Kollegen aus dem Growth-Bereich ist ein echter Value-Investor immer vorsichtig, wenn es um Fragen zu künftigen Entwicklungen geht.“ Halle sieht mehrere gute Gründe für das Scheitern eines Value-Comebacks in den letzten zehn Jahren – und findet, dass diese inzwischen an Gewicht verloren haben.

Einer der Gründe ist, dass es eine Umkehr des Wachstumstrends gibt. „Die Marktteilnehmer sind lange einem tief verwurzelten und sich selbst verstärkenden Trend zu Wachstums- und Qualitätsaktien gefolgt. Je länger solch ein Trend anhält, desto mehr Energie ist für eine Umkehr erforderlich“, so Halle. Bisherige Anläufe zu einem Value-Comeback waren demnach allerdings nur kurzlebig und nicht sehr umfassend.

„In den letzten zehn Jahren galt vielmehr eher: Jede Value-Rallye war eine hervorragende Gelegenheit, auf Wachstum zu setzen.“

Growth oder Value – was bringt am Ende mehr?

Doch nun sei die Rotation hin zu Value sowohl stark als auch andauernd, wachstumsorientierte Investoren mussten erhebliche Verluste hinnehmen – und zwar nicht nur diejenigen, die spät eingestiegen sind, sondern häufig auch jene, die noch vor Beginn der Corona-Pandemie in Growth investierten.

Hinzukomme, dass die meisten Menschen „Value- und Growth-Titel für zwei unterschiedliche, aber klar voneinander abgegrenzte Gruppen von Aktien halten“. In Wirklichkeit seien sie das jedoch nicht, so Halle. „In Zeiten des Wandels können einstige Value-Titel durchaus zu neuen ´Lieblingen` unter den Wachstumswerten werden – wie zum Beispiel die „langweiligen“ Basiskonsumgüteraktien während des TMT-Booms (Technologie, Medien und Telekommunikation).“ Genau diese wurden laut Halle Mitte bis Ende der 2010er Jahre gefeiert, als die Anleger „Anleihe-ähnliche“ Titel liebten.

Dies gelte aber auch ebenso umgekehrt: Auch Wachstumstitel können zu Value-Aktien werden. Ein Beispiel dafür sind die Telekommunikationsaktien vor und nach der TMT-Blase oder Banktitel vor und nach der Finanzkrise, so der Fonds-Manager weiter.

Das mE-Fazit

Die Tech-Werte lassen derzioet gewaltig Federn. Dennoch setzt der breite Markt weiterhin auf diese Werte und sind laut Halle bei Value-Aktien „short“. Eine Kurzanalyse verschiedener Datenbanken zeige, dass (noch) fast kein Investmentfonds nennenswerte Gelder in Value-Titel investiert. „Und bei Privatanlegern dürfte es ähnlich aussehen. Das Potenzial für Value bei einer Umstellung der Anleger ist somit gegeben.“

Er weiß wie man in unsicheren Börsenzeiten langfristig gut in Aktien investiert: US-Börsenstar Warren Buffett. Bildquelle: markteinblicke.de

Stellt sich am Ende die Frage, nicht ob sondern wann die Zeit reif ist, das eigene Depot mit Value-Werten aufzufüllen und ein bisschen den alleinigen Fokus auf Tech-Werten zu beenden. Womit man bei US-Börsen-Guru Warren Buffett und seiner jahrzehntelangen und erfolgreichen Strategie mit seiner Holding-Gesellschaft Berkshire Hathaway wäre: „Kaufen Sie Unternehmen mit einer guten Gewinnhistorie und einer dominanten Marktposition.“

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