“Im Moment gibt es keine sicheren Häfen”

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Die vergangenen Monate haben an den Finanzmärkten gezeigt, dass Investoren langfristig bei der Geldanlage umdenken müssen. Nur auf “sichere Häfen” zu setzen, könnte zu wenig sein, um Ren­dite zu erzielen. Im Interview mit marktEINBLICKE-Herausgeber Christoph Scherbaum erklärt Thomas Romig, warum Investoren künftig mehr Volatilität aushalten müssen und wie ein aktives Asset-Manage­ment in solchen Phasen aufgestellt sein sollte.

Herr Romig, welche Rolle können heute angesichts lange nicht mehr gekannter Inflationsraten klassische “sichere Häfen” bei der Geldanlage noch spielen?

Zunächst einmal sollten wir “sicherer Hafen” defi­nieren: “Ein sicherer Hafen” ist etwas in das ich investiere und da­bei nichts oder nur minimal verliere. Der Wert bleibt folglich dau­erhaft stabil. Darunter fallen im Moment weder Immobilien noch Gold, Bargeld oder Aktien. Daher gibt es im Moment keine “siche­re Häfen” mehr.

Es werden vielleicht wieder welche entwickelt – zumindest – wenn die kurzfristigen Zinsen sich wieder in den positiven Bereich be­wegen. Dagegen spricht zurzeit die hohe Inflation. Wenn man als real investierender Investor denkt, gab es vor fünf Jahren das “Ausruh-Zentrum” Geldmarkt mit null Prozent Rendite und null Prozent Inflation. Vor zwei, drei Jahren gab es einen “sicheren Hafen” im Zinsbereich mit positiven Zinsen und wenig Risiko.

Gold ist für Anleger der Inbegriff des “sicheren Hafens” an der Börse. (Bildquelle: Pressefoto Newmont)

Mit Gold kann der Werterhalt mittelfristig gesichert werden, trotz­dem hat selbst Gold viel Volatilität. Auch Krypto-Assets kommen nicht in Frage. Für mich sind Krypto-Assets keine Währungen, al­lerhöchstens ein Versprechen an die Zukunft. Denn diese haben eine Volatilität von 20 bis 30 Prozent im Vergleich zum Euro oder US-Dollar. Zusammenfassend gibt es für mich zurzeit keine “sichere Häfen”.

Anleihen haben durch die Nullzinspolitik ihre Funktion als “Ren­dite-Backup” eingebüßt – kommt nun mit der Zinswende das Comeback von Bundesanleihe & Co.?

Irgendwann schon, im Moment sind wir bei deutschen Staatsanleihen bei einem Prozent auf zehn Jahre Laufzeit. Auf der anderen Seite haben wir eine aktuelle Inflation von fünf bis acht Prozent. Die genauen Zahlen werden sich erst im Laufe des nächsten Jahres rückblickend feststellen lassen.

Wir sind im Moment nicht in Duration investiert. Was interessanter werden könnte, sind Spread-Produkte, bei denen aber ein zusätz­liches Kreditrisiko besteht. Wenn man sich in diesem Bereich Strategien anschaut, liegt die Investmentrate zurzeit teilweise bei sechs Prozent oder mehr.

Es ist aber auch gut möglich, dass es da in zwei Monaten schon acht Prozent gibt. Zu beachten ist jedoch immer das Kreditrisiko.

Anleihen haben durch die Nullzinspolitik ihre Funktion als “Ren­dite-Backup” eingebüßt – Notenbanken wie die EZB müssen handeln. (Bildquelle: Pixabay / ProfessionalPhoto)

Die Aktienmärkte haben in den letzten Krisen häufig mit extre­men Ausschlägen nach unten und jedoch auch ebenso schnellen Erholungsbewegungen reagiert – was sollten Anleger aus dieser Entwicklung für die Zukunft lernen?

Ich glaube Diversifikation ist das Wichtigste. Es war leicht in den letzten Jahren im Tech-Bereich investiert zu sein. Heute ist Realismus gefragt: Weniger Gier und mehr Geduld. Wir werden auch weiterhin volatile Märkte sehen. Es wird zwar immer wieder Schocks geben, die sind jedoch auf lange Sicht verkraftbar.

Leider kamen mit Corona und der Ukraine-Krise zwei exogene Schocks, wobei besonders die Ukraine-Krise starke  Verwerfungen an den Kapitalmärkten angerichtet hat. Nicht mal unbedingt auf­grund der fallenden Kurse, sondern weil wir den globalisierten Kapitalmarkt verlassen haben. Zudem sind die langfristigen Fol­gen für Währungen, Rohstoff- und Kapitalmarktströme noch nicht vollständig absehbar.

Wie sollten sich Anleger jetzt positionieren?

Denkbar sind defensive Multi Asset-Produkte, die dezent oder nicht übermäßig in Aktien investieren, die aber auch Opportuni­täten nutzen wie beispielsweise im Kredit-, oder Rentenbereich. Aber auch die Währungsseite oder Beimischungen von Rohstoffen könnten interessant sein.

Grundsätzlich sollten sich Anleger die Frage stellen, wie sie ihr Vermögen aufstellen möchten. “Der sichere Hafen” – selbst unver­zinst – ist nicht mehr “der sichere Hafen”, der er einmal war. Vor fünf Jahren war es die Bundesanleihe, vor zwei Jahren das Bar­geld. Für den Moment gibt es dagegen nur noch den negativen Realzins.


Thomas Romig ist ein langjährig erfolgreicher Experte für Multi Asset-Strategien. Im Laufe seiner bisherigen Stationen bei Allianz Global Investors, Union Investment und Assenagon verantwortet(e) er den Bereich Multi Asset und erhielt zahlreiche Auszeichnungen bzw. Top-Ratings von Morningstar, Lipper und Standard & Poor’s für die überdurchschnittlichen Leistungen der von ihm gemanagten Multi Asset-Fonds.


Inwiefern können Trading- und Optionsstrategien helfen, auf Probleme der großen Asset-Klassen zu reagieren?

Wir sind überzeugt vom aktiven Management, durch das Aufwärtsbewegungen mitgenommen werden können. Bei Aufwärtsbewegungen sind wir historisch gesehen überdurch­schnittlich gut, bei Abwärtsbewegungen durchschnittlich. Bei Ak­tienfonds muss ich als Anleger mindestens fünf Jahre investiert sein, dass es sich lohnt.

Selbst bei Multi Asset-Strategien wird eine 3-Jahres-Halteperioden empfohlen. Unseren Fonds gibt es seit November 2015. Dabei haben wir den Crash 2016, den zinsbe­dingten Rückgang im vierten Quartal 2018, die Corona-Krise 2020 sowie die Ukraine-Krise 2022 erlebt.

Wenn wir unseren Fonds an­schauen und dabei immer nach den 3-Jahresperioden bewerten, bedeutet das bei uns im schlechtesten Fall eine Rendite von null. Man kann durch globale Diversifikation Teile des Geldes mittel­fristig “in Sicherheit” bringen.

Wie sieht denn der richtige Asset-Mix in einem Umfeld aus geo­politischen Krisen und Inflationssorgen aus?

Wir haben in den letzten Jahren ein im Durch­schnitt ein niedriges Zinsrisiko implementiert, denn wir konnten uns vor vier, fünf Jahren nicht vorstellen, dass wir in den negati­ven Zinsbereich rutschen würden. Wir haben daher anspruchs­volle Zeiten erlebt, als die Rendite in Richtung -0,5 bzw. -0,8 Pro­zent bei deutschen Anleihen gegangen ist auch wenn wir diese nicht im Bestand hatten.

Wir haben eine langfristige Grundüber­zeugung und passen kurzfristig das Portfolio an. Derzeit haben wir wenig Zinsrisiko im Portfolio. Je mehr die Renditen steigen und die Zinsen angehoben werden – sowie eine Entspannung im Ukrai­ne-Konflikt in Sicht ist – umso mehr rückt der Rentenbereich wie­der in den Fokus. Renditen von zwei bis vielleicht drei Prozent bei den Bundesanleihen sind dann denkbar, im Kreditbereich dann eher vier bis acht Prozent.

Aktuell haben wir eine Art Krisenmodus in unserer Allokation. Wir haben wenig Renten- und Kreditprodukte, eine Aktienquote von 30 bis 35 Prozent, was ungefähr unserem historischeren Durch­schnitt entspricht und versuchen diversifizierter aufgestellt zu sein. Darüber hinaus haben wir eine relativ hohe Cash-Quote von ca. 40 Prozent seit Anfang des Jahres aufgebaut. Gold ist für uns dagegen eine langfristige Investition in unserem Fonds.

Herr Romig, vielen Dank für das Gespräch.

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