If you are in trouble… double?

(Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Wie ernst ist diese Börsenweisheit zu nehmen und was braucht es, um sich in diesen Zeiten als Anleger treu zu bleiben.

Derzeit haben viele Anleger die Sorge und oftmals sogar die blanke Angst, dass Sie exakt das Falsche machen, wenn sie in diesen sehr unwägbaren und vor allem arg herausfordernden Zeiten weiterhin anlegen und damit sich selbst und ihrer bisherigen Strategie treu blieben.

Insbesondere steht der Lackmustest für die vielen Jung-Anleger an, die erst in den letzten drei bis fünf Jahren die Börse für sich entdeckt haben. Das gilt damit auch für die zahlreichen Sparpläne auf EFTs und Aktien, die sich in den letzten Jahren zu Recht hoher Beliebtheit gegenübergesehen haben. Es wird spannend, wenn die Depotbanken ihre Statistiken veröffentlichen. Konnten gerade die Neu-Anleger dem Druck und ihrer Sorge standhalten oder aber wurden die Sparpläne gekündigt?

Sparpläne im Vorteil

Dabei befinden wir uns gerade jetzt in einer Phase, in der Sparpläne besonders sinnvoll sind. Sie disziplinieren in rauen Zeiten und lassen uns ohne ein weiteres Zutun auch dann Aktien und Fonds kaufen, wenn die Kurse fallen und wir aus vermeintlichem Selbstschutz das Investieren ansonsten pausieren oder sogar ganz sein lassen.

Und jeder Anleger muss sich die Frage stellen, warum er bei merklich höhere Kursen Aktien und Fonds gekauft hat, jetzt aber grübelt, ob das heute, bei gesunkenen Kursen, noch das Richtige ist. Von oben betrachtet, eigentlich absurd. Aber dennoch auch verständlich. Denn die Sorge, dass es noch weiter runtergeht, ist in den Köpfen verankert und korreliert mit der geopolitischen Zuspitzung. Sollte ich vielleicht doch besser ganz aussteigen und sichern, was noch da ist? Habe ich einen Fehler gemacht, dass ich überhaupt noch investiert bin?

Die Antwort ist mal ein klares „Nein“ und mal ein deutliches „Ja“. Und das aus sehr individuellen Gründen, die vollends nichts mit der Börse, den Kursen oder den Geschäftsmodellen der Unternehmen zu tun haben.

Eigene Meinung essentiell

Die Antwort ergibt sich allein aus der individuellen Betrachtung und Wertung jedes einzelnen Anlegers. Gehe ich davon aus, dass die Welt morgen „untergeht“, sollte – oder besser darf – ich nicht investiert sein. Schaue ich zwar unsicher, aber dennoch ausgewogen in die Zukunft, fällt die Empfehlung ganz anders aus. Insofern verbietet es sich je nach Betrachtungsweise sogar, zu investieren, denn das erfolgt mit Blick auf die Zukunft.

Die vielfach geäußerte Sorge, dann nicht dabei zu sein, wenn es wieder bergauf geht, dokumentiert ein, wenn auch unterschwelliges und vielleicht unterdrücktes, positives Denken.

Am Ende muss man einfach ehrlich mit sich selbst sein. Das ist schwierig genug, aber der Schlüssel zum Erfolg bzw. Zufriedenheit als Anleger. Es geht also letztendlich um Disziplin. Die allerdings gilt es immer zu wahren. Auch in weniger turbulenten Zeiten.

40 Prozent sind 40 Prozent

Ein Beispiel: Eine Anlegerin hat eine Risikobereitschaft von 40 Prozent Aktienanteil am Gesamtvermögen für sich als richtig identifiziert. Nun steigen die Aktien und damit der Aktienanteil über die eigentlich fixierten 40 Prozent. Das ist sicher zunächst ein Grund zur Freude, da es gut gelaufen ist, aber auch ein Grund, über die bisherige Anlagestrategie nachzudenken und die Frage zu stellen, ob man wirklich bereit ist, mehr Aktienrisiko zu nehmen. Ist man das bei aller Freude über die gute Performance nicht, müsste unsere Anlegerin in unserem Beispiel auf Sichtweite Anteile verkaufen oder aber zumindest Gewinne absichern.

Ein anderes Beispiel: Ein Anleger hat für sich eine passende Aktienquote von 30 Prozent identifiziert. Nun fallen die Kurse und der Aktienanteil fällt auf 15 Prozent des Vermögens. Hat sich die Risikolage des Anlegers (wichtig: nicht des Depots) nicht verändert, müsste er jetzt seinen Aktienanteil durch Zu- oder Nachkäufe wieder an das ursprünglich gewünschte Aktienniveau angleichen.

Disziplin, Disziplin, Disziplin

Macht das jemand? Nicht wirklich! Sollten wir alle das so machen? Definitiv!

Was im Weg steht ist Veränderung der Perspektive auf die eigene Anlagestrategie. Hat sich diese Risikobereitschaft verändert, dann muss man diese anpassen. Hat sich diese nicht verändert, muss man so vorgehen wie in den Beispielen zuvor dargestellt.

Aber warum fällt uns das so schwer? Die Antwort liegt wahrscheinlich in der Veränderung des Anlagehorizontes. Wer zuvor Aktien und Fonds langfristig, sagen wir für 10 Jahre, halten wollte, denkt plötzlich kurzfristig und „verrät“ damit seine eigenen Ziele, die man zuvor definiert hat. Nun kann es gute Gründe geben, das zu tun. Der Ukraine-Konflikt, die Inflation, die Energiekrise und die weiter schwelende Corona-Pandemie bieten sicher valide Anlässe dafür. Dann sollte man es aber ganz bewusst tun und nicht impulsiv.

Strategie versus Taktik

Aber kommen wir zurück zum Kern. Wer tatsächlich davon ausgeht, dass wir alle in naher Zukunft mit deutlich schwerwiegenderen Problemen zu kämpfen haben, sollte so ehrlich sein, und seine Investments grundsätzlich infrage stellen. Für alle anderen gilt, nicht plötzlich aus Sorge und Angst in ein kurzfristiges Denken umzuschwenken. Das fällt sicher schwer, ist aber essentiell für den Erfolg an der Börse.

Bleiben Sie sich also treu. Zumindest aber schauen Sie bewusst auf Ihr Depot und auf die Antwort auf die Frage, warum Sie Aktie X und Fonds Y ursprünglich erworben haben. Sind Sie sich unsicher, kann das durchaus auch mal zu einem Verkauf führen. Dann steht diese Liquidität zur Verfügung, wenn Sie sich wieder sicherer sind, dass die Zeit gekommen ist, wieder einzusteigen. Grundgerüst sollte aber immer Ihre selbst verordnete Anlagestrategie und damit die individuelle Risikobereitschaft sein. Alles andere ist Taktik und die hat an der Börse schon so manchem Anleger ein Bein gestellt.

Ein Beitrag von Marc Tüngler

Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und ist ein profunder Kenner des deutschen Aktienmarktes. Als Redner und Aktionärsvertreter auf vielen Hauptversammlungen weiß er um die Befindlichkeiten von Vorständen und Aktionären.
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