Biotechsektor vor dem Comeback?

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Forschungserfolge und Übernahmen könnten dem Biotechnologiesektor neuen Schwung verleihen. Davon ist ein Vermögensverwalter überzeugt.

Kampf gegen ausufernde Kosten der Gesundheitsversorgung

Vor wenigen Jahren gehörte der Biotechnologiebereich zu den heißesten Börsenthemen. Dies hat sich in der Zwischenzeit ein wenig geändert. In vielen Ländern dieser Welt ist es den jeweiligen Regierungen ein großes Anliegen, die ausufernden Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Allen voran in den USA, dem Land mit den höchsten Ausgaben für die Gesundheitsversorgung der Menschen. Ein Ansatzpunkt sind die zeitweise in die Höhe geschossenen Preise für Medikamente. Dabei haben sich ganz besonders die Vertreter der Biotechnologiebranche mit hohen Medikamentenpreisen hervorgetan.

Berühmtheit erlangte beispielsweise das Hepatitis-C-Präparat „Sovaldi“ des US-Biotechnologiekonzerns Gilead Sciences. Es war nicht leicht, einen Preis von 1.000 US-Dollar pro Pille und Gesamtkosten von 84.000 US-Dollar für eine zwölfwöchige Behandlung zu rechtfertigen. Dem Unternehmen bescherte dieses Mittel zeitweise üppige Einnahmen. Als Rechtfertigung wurden beispielsweise die enormen Forschungs- und Entwicklungskosten rund um solche Medikamente angeführt. Zumal „Sovaldi“ auch für eine Heilung sorgen sollte und nicht nur zur Behandlung von Symptomen.

Auf diese Weise wurde argumentiert, dass solche Medikamente, zur Kostensenkung im gesamten System beitragen würden. Der allgemeine Kampf gegen die hohen Kosten im Gesundheitssystem hatte jedoch dafür gesorgt, dass die zwischenzeitliche Goldgräberstimmung in der Biotechnologiebranche abkühlte. Die Corona-Krise schadete den Biotech-Unternehmen, indirekt wurde aber gezeigt, wie wichtig es ist, nicht nur mit dem Rotstift an das Thema Gesundheitsversorgung heranzugehen. Stattdessen gilt es, mithilfe entsprechender Investitionen, auf weitere Pandemien vorbereitet zu sein und den Kampf gegen einige der schlimmsten Krankheiten wie Krebs oder AIDS anzunehmen.

Raus aus dem COVID-Tief

Bei Franklin Templeton ist man außerdem der Ansicht, dass jüngste Erfolge klinischer Studien sowie Fusionen und Übernahmen das Interesse an Investitionen in Biotechnologieunternehmen wieder stärken könnten. Chancen werden besonders bei Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung gesehen, deren Produkte marktreif oder schon zugelassen sind. Überzeugt von einer positiven Entwicklung sind die Experten von Clearbridge Investments, Teil von Franklin Templeton, Marshall Gordon, Senior Analyst für Health Care, und Nicholas Wu PhD, Senior Research Analyst für Health Care.

Es wird darauf verwiesen, dass die Biotechnologie ein Bereich der Pharmabranche ist, welcher nicht vom Rückenwind der COVID-Impfstoffentwicklung profitieren konnte. Vielmehr hätte dieser innovative Teilsektor unter verschiedenen Widrigkeiten gelitten: dem ständig zunehmenden Wettbewerb, dem Ablauf von Patenten und der durch die Regulierungsbehörden beobachteten Preisgestaltung von verschreibungspflichtigen Medikamenten. So sei es keine Überraschung, dass sich die Werte des Biotech-Sektors in den vergangenen fünf Jahren schlechter entwickelt hätten als der S&P 500 Index.

Wichtige Meilensteine

Inzwischen scheint sich jedoch in diesem Bereich einiges zu tun. So hätten mehrere viel beachtete Ankündigungen erfolgreicher klinischer Studien dazu beigetragen, dass Biotech-Aktien zuletzt erhebliche Kursgewinne erzielen und diese auch halten konnten. Als Beispiel wird auf Alnylam Pharmaceuticals verwiesen. Das Unternehmen habe in seiner APOLLO-B-Studie eine Verbesserung der Belastungstoleranz und Lebensqualität durch das Mittel Onpattro, ein RNAi-Therapeutikum zur Behandlung der TTR-Kardiomyopathie (einer potenziell lebensbedrohlichen Herzerkrankung) nachgewiesen. Dies würde laut Gordon Alnylam ein wichtiges neues Marktsegment eröffnen und den Aktienkurs des Unternehmens stärken.

Im Vergleich zu ihrem Jahrestief bei 117 US-Dollar im Mai 2022 erlebte die Aktie von Alnylam Pharmaceuticals inzwischen mehr als eine Kursverdopplung auf etwa 241 US-Dollar. Auch Karuna Therapeutics und sein chinesischer Partner Zai Laboratories hätten einen Erfolg verbuchen können. Ihr Medikament KAR-XT würde stark gegen positive und negative Symptome der Schizophrenie wirken und sei gleichzeitig gut verträglich. Zudem sei KAR-XT das erste Medikament seit den 1950er Jahren, welches bei der Behandlung von Schizophrenie auf einem neuen Wirkprinzip basieren würde. Damit habe es die Chance, in Spitzenzeiten mehrere Milliarden Dollar einzuspielen.

Neue Übernahmewelle?

Neben der Aussicht auf weitere Forschungserfolge ist man bei Franklin Templeton auch davon überzeugt, dass Übernahmen für Chancen im Bereich Biotechnologie sorgen sollten. So seien viele Biopharmaunternehmen trotz eines hohen finanziellen Risikos bereit, einen Aufpreis für die Übernahme eines kleineren, entwicklungsstarken Medikamentenherstellers zu bezahlen. Häufig würden sie ihr Risiko minimieren, indem sie warten, bis sich in einem späteren Stadium der Medikamentenentwicklung ein Erfolg abzeichnet.

Manche Big Player würden mit dem Erwerb sogar bis zu einem Jahr nach der Marktzulassung warten, um eine sichere positive Prognose für die Nachfrage nach einem kürzlich zugelassenen Produkt abgeben zu können – so geschehen bei der Übernahme des Migräne-Spezialisten Biohaven durch Pfizer. Allein im dritten Quartal 2022 seien zwei milliardenschwere Übernahmen kleinerer Firmen durch Unternehmen mit höherer Marktkapitalisierung bekannt gegeben worden.

Amgen zahle 3,7 Mrd. US-Dollar für den Autoimmunspezialisten ChemoCentrics mit Blick auf dessen bereits zugelassenes Vasculitis-Medikament Tavneos, während Pfizer Global Blood Therapeutics für 5,4 Mrd. US-Dollar übernehmen würde, um das eigene Portfolio mit dem ebenfalls zugelassenen Medikament Oxbryta zur Behandlung der Sichelzellenkrankheit zu ergänzen und sich gleichzeitig die Chance auf Nachfolgepräparate zu sichern.

mE-FAZIT

Nach einer Durststrecke, bei der die Corona-Pandemie alles andere als geholfen hat, zeigen die Kursverläufe bei einigen Biotechnologieunternehmen wie Gilead Sciences oder Amgen, dass das Anlegerinteresse zurückgekehrt ist. Nicht umsonst liegt der Nasdaq Biotechnology Index seit Jahresbeginn lediglich mit rund 8 Prozent im Minus, obwohl im Zuge der Marktturbulenzen gerade Technologei- und Wachstumstitel gelitten hatten.

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