Die aktuell sehr komplexe Gemengelage an den Kapitalmärkten verdeutlicht unter anderem der Verlauf der Erwartungshaltung an den künftigen geldpolitischen Kurs der US-Notenbank Fed.
Noch am Jahresanfang wurde eine zeitnahe Leitzinserhöhungspause für wahrscheinlich gehalten, angesichts der schon seit Sommer 2022 sinkenden US-Inflationsraten. Diese Annahme kippte jedoch, da sich die Konjunktur im Winterhalbjahr weniger als erwartet eintrübte, die chinesische Volkswirtschaft sich ab dem zweiten Quartal wohl erholen wird und vor allem sich der US-Arbeitsmarkts weiterhin außerordentlich robust zeigt.
Die Arbeitslosenquote verharrt auf einem historisch niedrigen Niveau nahe der Vollbeschäftigung. Die jüngste Bankenkrise wiederum sorgte dafür, dass am Markt mittlerweile nur noch mit einer kleinen Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte in dieser Woche gerechnet wird und sich damit der Leitzinsanhebungszyklus dem Ende zuneigt. Ab Juni werden derzeit sogar erste Leitzinssenkungen eingepreist, was sich aber erneut als zu optimistisch herausstellen könnte.
Zwar wurden die Nebenwirkungen der jüngsten Zinswende vieler Notenbanken durch die Verunsicherung im Zuge der Pleite der Silicon Valley Bank offensichtlich. Andererseits besteht aber weiterhin ein viel zu hoher Inflationsdruck. Daher dürfte Fed-Chef Jerome Powell auf der anstehenden Pressekonferenz betonen, dass man künftig analog der EZB „auf Sicht fahren“ werde, also die weiteren geldpolitischen Schritte an die jeweils aktuelle Datenlage anpasse.
Längerfristige Ausblicke sind angesichts der ungewöhnlich hohen Unsicherheit kaum seriös formulierbar. Einen ersten Eindruck über die wirtschaftlichen Perspektiven, die Beschäftigungssituation und die Möglichkeiten, Kosten auf die Endverbraucherpreise zu überwälzen, werden dann am Ende der Woche die Schnellschätzungen der S&P Global-Einkaufsmanagerindizes geben. Allerdings dürften die Auswirkungen der aktuellen Turbulenzen im Bankensektor hierbei noch nicht vollständig berücksichtigt werden.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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