Aktienmärkte: Es geht immer darum, die Trends zu erkennen!

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Die Börsenrallye geht weiter. Gerade erst kletterte der DAX (WKN: 846900 / ISIN: DE0008469008) auf ein neues Rekordhoch. Das heißt jedoch nicht, dass der Anstieg unvermindert fortgesetzt werden kann. Anleger müssen viele Unsicherheitsfaktoren im Blick behalten. Dazu gehört auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Umso wichtiger ist die Frage danach, wie der Anleger sein Portfolio bestücken sollte. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, ging auf diese Aspekte und weitere regulatorische Herausforderungen im Gespräch mit dem Deutschen Derivate Verband (DDV) näher ein. Dieses Interview wollen wir Ihnen auch hier auf markteinblicke.de nicht vorenthalten:

Herr Hellmeyer, wie betrachten Sie die Entwicklungen an den Aktienmärkten. Interessiert Sie nach all den Jahren im Job noch die Tageskomik oder sind Sie eher langfristig orientiert?

Die Antwort lautet grundsätzlich sowohl als auch. Primär geht es darum, die Trends zu erkennen und mit entsprechenden Anlagen daran zu partizipieren. Insofern eine Fokussierung auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit. Da sind die Tagesgeräusche der Märkte bisweilen nicht ausschlaggebend. Die Tageskomik ist letztendlich aber ein Bestandteil, da sich die Teile einer Entwicklung in einem nicht endenden Mosaik darstellen. Es gilt im Tagesgeschäft die Informationsstreu vom Informationsweizen zu trennen.

Die europäische Wirtschaft läuft scheinbar gut. Erkennen Sie trotzdem vereinzelt dunkle Wolken am Horizont?

Es läuft derzeit vieles rund. Der Aufschwung ist breit aufgestellt. Im ersten Halbjahr lag das Wachstum auf das Gesamtjahr hochgerechnet bei 2,4%. Die öffentlichen Haushaltslagen sind bezüglich der Eurozone nicht mehr prekär in der Frage der Neuverschuldung. Die dunklen Wolken am Arbeitsmarkt hellen sich auf. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit seit Februar 2009. Aber es wäre oberflächlich jetzt zu behaupten, dass der Himmel wolkenfrei ist. Nach wie vor sind die Arbeitslosenquoten in den Südländern deutlich zu hoch. Die Krise der EU ist noch nicht vorüber. Dabei ist der Brexit gut zu verkraften. Die Problematik liegt im Osten der EU. Wir brauchen ein neues Organigramm, das den Fehlern einer schnellen Osterweiterung, bei der nur eines von zwölf Ländern die Bedingungen erfüllte, Rechnung trägt. Für die Eurozone heißt das mehr Integration, für die EU ein Modell der zwei Geschwindigkeiten bei einer Neudefinition der politischen Mitbestimmung.

Welche Branchen finden Sie gegenwärtig attraktiv bewertet?

Wir sind mit einem breit angelegten Aufschwung konfrontiert. Entsprechend liefert der Konsum Skaleneffekte für Unternehmen. Das Infrastrukturprojekt „One Road – One Belt“ stellt für den Sektor Anlagen- und Maschinenbau eine erhöhte Attraktivität in den Raum. Gleiches gilt für den Bereich Chemie.

Wie sehen Sie die Politik der Europäischen Zentralbank? Ist sie wirklich alternativlos?

Auf keinen Fall! Es gilt in einer Phase der konjunkturellen Stärke, den Exit aus der ultraexpansiven Zins- und Geldpolitik einzuleiten. Die EZB ist jetzt schon spät dran. Das Thema Deflationsgefahr ist nicht virulent. Wir wachsen mit 2,4% auf annualisierter Basis. Der Aufschwung inkludiert die Reformländer. Wie sangen die Höhner so treffend: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Zu einem anderen Thema, das die Branche umtreibt. Auch Jahre nach der Finanzkrise hat das Regulierungstempo nicht abgenommen; im Gegenteil. National wie international werden bestehende Mechanismen, Produkte und Märkte teilweise in Frage gestellt. Wohin führt uns das? Inwieweit hat sich das Bankgeschäft insgesamt verändert?

Eine in die Tiefe gehende Antwort erforderte es, meinen Vortrag auf dem Derivatetag hier schriftlich niederzulegen. In der Kurzformel werden Banken überreguliert. Die Form der Regulierung geht aber am Ziel vorbei. Die Regulierung ist zu spezifisch, sie müsste generalistisch sein. Sie forciert ein am Finanzmarkt orientiertes Modell, wo Banken eher Makler als volkswirtschaftlich verantwortliche Teilnehmer sind. Die Täter von gestern, die global agierende Bankenaristokratie, ist in der Folge noch größer geworden. „Too big to fail“ wurde mutiert in „even bigger to fail“ und sogar „too big to jail“. Die Teile der Finanzwirtschaft, die in der Krise antizyklisch agierten, die Regionalbanken, unter ihnen Sparkassen und Volksbanken, werden durch die Regulierung geschliffen und in ihren Möglichkeiten im kreditbasierten System, das grundsätzlich antizyklisch ist, beschränkt. Um Ihre Frage zu beantworten: Das Bankgeschäft verändert sich sportlich, aus Kaufleuten werden Begleiter digitaler Prozesse. Die antizyklische Funktion der Banken wird damit erodiert. Kann dies das Ziel der Regulierung sein?

Die Bereiche einer Bank, die Geld verdienen, sind in den zurückliegenden Jahren kleiner geworden. Andere, kostenintensive Bereiche, wie Legal oder Compliance dagegen wachsen weiter. Wie kann eine Bank noch Geld verdienen?

Das Eis des klassischen kreditbasierten Geschäftsmodells wird dünner. Banken müssen vor diesem Hintergrund interessiert sein, nicht mit Eigenkapital unterlegtes Geschäft zu forcieren. Das ist Makler- und nicht Bankgeschäft. Makler interessieren sich nur für Umsatz, also quantitative Aspekte des Geschäfts. Ein Banker schaut immer auf den qualitativen Prozess zuerst.

Was sollten Anleger bedenken, wenn es denn zu signifikanten, nachhaltigen Korrekturen an den Märkten kommt?

Sofern die Geopolitik nicht die Grundlagen auf den Kopf stellt (Risiko 15 %), ergeben sich Einstiegschancen in Korrekturen an Aktienmärkten. Die Bewertung des DAX, KGV bei 13,5 und einer Dividendenrendite bei 3%, ist attraktiv. Die westlichen Rentenmärkte im Investmentgrade-Sektor haben keinen renditetechnischen Sex-Appeal. Dagegen sehe ich Chancen im Sektor der Rentenmärkte der aufstrebenden Länder.

Wie stehen Sie zu strukturierten Wertpapieren, auch und speziell in Zeiten stagnierender oder fallender Börsen?

Sie sind sinnstiftend, solange sie verständlich und nachvollziehbar strukturiert werden. Derartige Produkte erhöhen das Modell effizienter Märkte. Sie bieten für alle Marktgegebenheiten die Chance, Trends, ob Hausse oder Baisse, abzugreifen.

Ganz generell: Warum sind die Deutschen in ihrer Mehrheit so risikoscheu?

Provokant geantwortet: Weil sie zu wenig von Geld und Wirtschaft verstehen! Siemens gibt es seit der Reichsgründung 1871, Unternehmen mit unverzichtbaren Geschäftsmodellen überleben Krieg, Währungswechsel und Hyperinflation. Um es deutlicher zu machen, versuchen Sie doch heute mit der Reichsmark Waren zu bezahlen. Unser Anlageverhalten in einer Durchschnittsbetrachtung ist eine Negation unserer eigenen Geschichte.

Gemischte Portfolienlösungen sind ein Absatzrenner. Hält dieser Trend weiter an?

Ja, wir leben in einer komplexen Welt, das gilt es mit derartigen Ansätzen im Sinn der Anleger umzusetzen.

Ist Diversifikation das Allheilmittel, um positive Erträge zu generieren?

Nein, es ist eine Möglichkeit, die mir persönlich aber zu kurz greift. Es gehört ein aktives Management dazu. Ich lehne auch Benchmarks ab, da dann nur das geistige Eigentum Dritter in wesentlichen Teilen gespiegelt wird.

Was halten Sie von Gold als Beimischung?

Gold gehört in jedes Portfolio. Es ist eine Teilkaskoversicherung für das aktuelle Zentralbankexperiment des Westens.

Wie würden Sie aktuell ein Depot aufstellen?

Mein Ansatz lautet: Europäische Qualitätsaktien mit globalem Hintergrund als Direktinvestment (50%) und smarte Fondslösungen im Sektor der Aktienmärkte der aufstrebenden Länder (25 %). Daneben ein Rententeil in der Größenordnung von 10 % im Bereich der aufstrebenden Länder sowie 5% – 10% Gold. Der verbleibende Rest von 5% – 10% wäre Liquidität für Chancen.

Wie sorgen Sie für das Alter vor?

Klassisch lautet die Antwort. Die Liebe und Loyalität innerhalb der Familie bildet die Basis. Ansonsten sind es Immobilien, Aktien und Gold in meinem Portfolio zur Altersabsicherung.

Quelle: DDV / Bildquelle: markteinblicke.de