USA vs. China: Die neue Seidenstraße

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Die Globalisierung ist kein Phänomen der Neuzeit. Bereits vor zweieinhalbtausend Jahren blühte der Handel. Besonders eine Route steht für den Welthandel wie keine andere. Die Rede ist von der Seidenstraße. Die Hochzeit dieser Handelsroute zwischen China und dem Orient begann einhundert Jahre vor Christi Geburt und endete im frühen Mittelalter mit dem Verfall des mongolischen Reiches. Doch in dieser Zeit kamen nicht nur Seide, Gewürze und chinesisches Wissen auf den anderen Teil der Erde, sondern der Austausch fand auch in die andere Richtung statt. Auf diese Weise fanden Wolle, Gold und Silber den Weg nach Osten. In Europa wird vor allem die Reise des venezianischen Händlers Marco Polo über eben diese Route mit dem Begriff Seidenstraße verbunden. Doch vergessen wird dabei, dass bis dahin bereits jahrhundertelang Warenhandel auf dieser Strecke stattfand. Unterstützt wurde dieser Trend durch den aufkommenden Seehandel, wodurch ab dem 16. Jahrhundert kaum mehr jemand über die Seidenstraße sprach.

In den vergangenen vierhundert Jahren beschäftigten sich lediglich Historiker mit Blick auf die früheren Handelsmetropolen an der Route der Seidenstraße mit dem Phänomen. Das änderte sich jedoch grundlegend, als am 7. September 2013 der chinesische Staatspräsident Xi Jinping in einer Rede in der kasachischen Hauptstadt Astana die „Silk Road Economic Belt“ für Eurasien ankündigte. Massive Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sollten China mit Europa und auch Afrika verbinden. Seither ist viel geschehen. Im Gegensatz zu Europa, wo Infrastrukturprojekte Generationen benötigen, schafft China Tatsachen und verbindet mit dem Projekt „Belt & Road“ West und Ost mit gigantischen Bauprojekten zu Lande und zu Wasser. Neben dem Ausbau von Hafenanlagen, vor allem in Afrika und Südostasien, konzentriert sich das Projekt auf Schienenverbindungen in Richtung Westen.

Mit dem Zug nach China

Der Warenverkehr zwischen Asien und Europa funktionierte lange Zeit nur über große Containerschiffe oder bei dringenden Waren per Luftfracht. Inzwischen sind jedoch Schienentransporte ein wichtiger Logistikaspekt geworden. Ermöglicht wurde diese Entwicklung vor allem durch die Investitionen Chinas. Inzwischen verkehren tagtäglich dutzende Züge zwischen China und Europa. Die Route beginnt meist in Zentralchina und geht über die Mongolei bzw. Kasachstan durch Russland und dann nach Europa weiter.

Was sich zunächst einfach anhört, ist mit Blick auf die Streckenlänge von 10.000 km, den unterschiedlichen Spurweiten und Bahngesellschaften auf dem Weg sowie den zeitlichen Aspekt eine große Herausforderung. Während in China und Westeuropa die Eisenbahn vorrangig mit einer Spurweite von 1.435 mm funktioniert, sind es in den Ländern der früheren Sowjetunion 1.520 mm. Dabei ist auch die Transsibirische Eisenbahn als längste Eisenbahnstrecke der Welt in dieser breiten Spurweite gebaut. Daher sind zeitaufwendige Umspurungen an den Grenzen von China bzw. den osteuropäischen Staaten notwendig. Der Wechsel von Elektro- und Diesellokomotiven samt Personal fällt dabei aber nicht mehr ins Gewicht.

Trotz dieser Herausforderungen fährt inzwischen beispielsweise zwischen der zentralchinesischen Millionenstadt Chongqing und Duisburg fünfmal die Woche plangemäß der Chinazug der Deutschen Bahn. Er benötigt dafür nur 14 Tage bzw. 17 Tage ostwärts. Die Kosten sind zwar im Vergleich zum Seeweg noch höher, werden jedoch durch den Zeitvorteil wettgemacht. Vor allem Elektronik aller Art und Bauteile für den Automobilbau können aus den chinesischen Werken so kostengünstig und just-in-time nach Europa transportiert werden. Züge mit 40 bis 50 Containern benötigen mit rund 14 Tagen nur ein Drittel der Transportdauer über den Seeweg.

Chongqing ist dabei aber längst nicht der einzige große Startpunkt der neuen Seidenstraße auf zwei Gleisen. Suzhou, Shenyang oder Chengdu sind längst aufgrund ihrer Industriedichte bekannte Ausgangspunkte. Die Ziele in Europa sind die klassischen Logistikzentren. Neben dem größten Binnenhafen Deutschlands, Duisburg, geht die Ware auch zum Luftdrehkreuz Leipzig, dem größten deutschen Seehafen Hamburg oder an die niederländische Grenze, wo sie zu den Überseehäfen Rotterdam und Amsterdam weitergeleitet wird. Mit Nürnberg und Mannheim kommen weitere Wasser- und Schienendrehkreuze als Endstelle des Schienenverkehrs aus China in Frage. Allein in Duisburg kommen pro Woche mehr als 30 Züge aus China an. Die chinesische Eisenbahn will bis 2020 die Zahl der Züge auf 5.000 pro Jahr erhöhen.

Neue Routen

Die Umspurungen an den russischen Außengrenzen machen inzwischen Planspiele erforderlich, wonach Eisenbahnverbindungen auch abseits von Russland ausgebaut werden könnten. Denkbar ist eine neue Südroute entlang der klassischen Seidenstraße. Doch die unsichere politische Lage in den Anrainerstaaten Pakistan, Afghanistan und Iran hat entsprechende Pläne bislang ausgebremst – auch wenn China bereits Milliarden in Usbekistan, Pakistan und dem Iran investiert hat. Sinnvoller erscheinen da Pläne, die russische Breitspur weiter in Richtung Westen zu führen. In Österreich gibt es entsprechende Pläne, eine Strecke aus der Slowakei in Richtung Wien zu führen.

Mehr zum Thema USA vs. China gibt es im Beitrag: USA vs. China: Duell der Giganten


Buchtipps

Derzeit gibt es zahlreiche Neuerscheinungen zum Thema “Neue Seidenstraße” und deren Folgen für die Welt. Drei Bücher haben wir uns etwas näher angeschaut. Die jeweiligen Cover sind praktischer Weise gleich mit Amazon-Partner-Link versehen:

Der Masterplan
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ISBN: 978-3-451-39900-8
22,00 Euro
Chinas neue Seidenstraße
Das Buch behandelt die chinesische Vision neuer Welthandelsrouten im 21. Jahrhundert – die „Belt & Road“-Initiative. Dieses gewaltige Projekt einer „neuen Seidenstraße“ in Anlehnung an die historische Seidenstraße ist zentraler Bestandteil der chinesischen Neuorientierung im freien Welthandel. China ist inzwischen zum wichtigsten Handelspartner für Europa und Deutschland geworden.
ISBN: 978-3-95601-224-2
19,90 Euro
Die neue Seidenstraße
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ISBN: 978-3-86764-854-7
34,99 Euro

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