Der (Anleger-)Kampf gegen Verpackungen

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In Zeiten, in denen die Menschen aufgrund von Corona-bedingten Lockdowns zu Hause bleiben müssen, werden Online-Händler und Essenslieferdienste noch wichtiger, um die Menschen mit allem Notwendigen zu versorgen.

Allerdings tragen sie auf diese Weise auch dazu bei, dass das wachsende Problem mit dem Verpackungsabfall verstärkt wird. Mehr Recycling und eine Kreislaufwirtschaft sind die Lösung, bei der auch die langjährigen Börsenlieblinge Amazon, Zalando und Hersteller von Verpackungen wie International Paper oder Smurfit Kappa mitziehen müssen.

Das Plastikproblem

„Wir haben nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird unser Verbrauch ein Niveau erreichen, als hätten wir drei davon“, sagt etwa Virginijus Sinkevičius, der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige EU-Kommissar. Kunststoffverpackungen etwa sind sehr praktisch.

Im Supermarkt dienen sie dazu, unsere Einkäufe vor Schmutz und anderen Einflüssen zu schützen. Außerdem wird auf diese Weise die Portionierung erleichtert. Sie können sogar dafür sorgen, dass Lebensmittel länger haltbar sind. Trotz der vielen Vorteile, die Kunststoffverpackungen in unserer modernen Gesellschaft mit sich bringen, werden sie zu einem immer größeren Problem. Dies liegt auch an den besonderen Eigenschaften von Plastik.

Weltmeere sind voll von Plastikmüll

Laut WWF fallen in Europa jährlich rund 26 Millionen Tonnen Kunststoffmüll an. Lediglich etwa 30 Prozent dieses Mülls würden jedoch zur Wiederverwertung gesammelt. Ein Großteil wandert in die Müllverbrennung. Was mit dem Rest passiert, sehen wir eindrucksvoll an einigen Bilder in Dokumentationen oder den Nachrichten.

Die Weltmeere sind voll von Plastikmüll. Im Pazifik haben sich enorme Plastikstrudel formiert. Viele Küsten sind verdreckt, während Wissenschaftler immer wieder den Mageninhalt von Vögeln untersuchen, die qualvoll verendet sind, weil sie zu viel Kleinst-Plastikmüll über die Nahrung aufgenommen haben. Während die vielseitige Einsetzbarkeit und die Widerstandsfähigkeit von Plastik im Alltag erwünscht ist, sieht dies ganz anders aus, wenn Plastikmüll in der Natur landet.

Die 400 Jahre-Sache

Es kann laut WWF bis zu 400 Jahre dauern, bis sich Plastik vollständig zersetzt. Dies bedeutet, dass sich viele Generationen nach uns noch mit unserem Plastikmüll herumschlagen werden. Es ist jedoch nicht nur der Plastikmüll, der das Verpackungsproblem größer werden lässt. Viele Trends haben dazu beigetragen, dass die Nachfrage nach Verpackungen verschiedenster Art angestiegen ist. Selbst Corona trägt in gewisser Weise zur Verschlimmerung des Problems bei.

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Corona und der Verpackungsmüll

Coffee-to-go ist seit Jahren angesagt. Starbucks hat ihn richtig „in“ gemacht, so dass er inzwischen jeder Bäcker an der Ecke im Angebot hat. Kein Wunder, dass dabei der ein oder andere extra Plastik- oder Pappbecher anfällt. Auch das Essen zum Mitnehmen oder die Lieferung der ganzen Mahlzeit nach Hause erlebte in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom.

Ausdruck davon ist unter anderem der Umstand, dass es mit Delivery Hero ein Branchenvertreter, der noch nicht einmal profitabel arbeitet, in den DAX geschafft hat. Auch der Umstand, dass immer mehr Waren bequem von der heimischen Couch aus online bestellt werden ist keine Neuigkeit. Corona und die Locksdowns 2020 haben viele dieser Trends noch verstärkt.

E-Commerce und der Verpackungswahn

Doch schon davor boomte der Bereich E-Commerce. Unternehmen wie Amazon, Alibaba, eBay oder Zalando erlebten in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Wachstum. Heutzutage gibt es kaum noch etwas, das nicht online bestellt werden könnte. Eine große Herausforderung dabei: Die bestellten Waren müssen möglichst schnell und natürlich unversehrt zum Kunden gelangen.

Um dies zu gewährleisten, werden die Waren besonders gut gegen allerhand äußere Einflüsse wie das Wetter, unvorsichtige Lagerarbeiter oder Fahrer der Lieferfahrzeuge abgeschirmt. Dies geschieht mit sehr viel Verpackungsmaterial. In vielen Fällen stehen die Menschen vor ihren bestellten Paketen und fragen sich, ob es nicht mit etwas weniger Verpackungsmaterial gegangen wäre.

Das No-Go zum Coffee-To-Go?

„Verpackungen sollten vermieden werden, bevor sie überhaupt anfallen. Mehrwegbecher beispielsweise für den Coffee-To-Go müssen die Regel werden, aber auch wer Essen mitnimmt, sollte dies in Mehrwegbehältern tun können. Die Flut an Pizzakartons und Kaffeebechern in Mülleimern und Parks hätte so ein Ende,“ fordert etwa Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA).

Dabei ist Plastik nicht das einzige Problem in Zusammenhang mit dem im Online-Handel verursachten Verpackungsmüll. Die Bestellungen werden in der Regel in Kartons geliefert. Papierverpackungen können zum Glück sehr gut recycelt werden. Allerdings werden die heutigen Verpackungslösungen mit Klebstoffen verstärkt. Dies erschwert das Recycling. Bei Kunststoffen ist wiederum schwarzes Material ein Problem.

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Recyclingquoten im Blick

Allein in Deutschland wurden im Jahr 2018 laut Statistiken des UBA 18,9 Millionen Tonnen an Verpackungsabfall angesammelt. Das macht etwa 227,5 kg Verpackungsabfall pro Kopf. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies einen Anstieg um 0,7 Prozent.

Seit 2010 liegt der Zuwachs sogar bei 17,9 Prozent. Knapp die Hälfte (47 Prozent, 8,9 Millionen Tonnen oder 107,7 kg pro Kopf) des Verpackungsabfalls entfallen dabei auf private Endverbraucher. Bei ihnen lag der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr bei 1,0 Prozent und bei 20,6 Prozent gegenüber 2010.

Was sind nun die Gründe für den größer werdenden Berg an Verpackungsmüll? Das UBA zählt zum Beispiel das allgemeine Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre auf. Es ist eine ganz einfache Rechnung: Mehr Produkte führen auch zu mehr Verpackungen. Allerdings gilt es nun abzuwarten, welche Nettoeffekte die Corona-Pandemie auf den Verpackungsverbrauch haben wird.

Der Trend bei Einwegverpackungen

Da Geschäfte und Restaurants schließen müssen, hat die Konjunktur hat eine merkliche Delle erhalten. Gleichzeitig wird mehr bestellt und nach Hause geliefert. Als weiteren wichtigen Grund für den wachsenden Verpackungsverbrauch werden Konsumgewohnheiten genannt. Darunter würde zum Beispiel der Trend bei Einwegverpackungen hin zu wiederverschließbaren Verpackungen, Dosierhilfen und generell aufwendigeren Verschlüssen fallen.

Auch wenn diese Funktionen dazu beitragen könnten, Ressourcen durch zielgerichtetes Dosieren zu schonen oder Lebensmittelabfälle zu vermeiden, würden laut UBA zusätzliche Funktionen häufig mit einem zunehmenden Materialverbrauch verbunden sein. Und natürlich würden zu diesen Trends auch die verstärkte E-Commerce-Nutzung sowie kleinere Portionen gehören. In diesem Punkt macht sich auch der steigende Anteil von Single-Haushalten bemerkbar.

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Die gute Nachricht ist, dass laut UBA in Deutschland rund 69 Prozent des Verpackungsabfallaufkommens dem Recycling zugeführt werden konnten. Der Rest wurde, wie es so schön heißt, energetisch verwertet. Also verbrannt zur Energieerzeugung. Bei Glas lag die Recyclingquote zuletzt bei 83,0 Prozent, bei Papier/Karton bei 87,7 Prozent und bei Kunststoffen bzw. Holz bei 47,1 bzw. 25,3 Prozent.

„Hersteller sollten Umweltbelastungen durch Verpackungen verringern, indem sie auf unnötige Funktionen verzichten und Mehrwegverpackungen verwenden“, schlägt Dirk Messner vor. „Verpackungen sollten so einfach wie möglich gestaltet sein, auch damit sie leichter recycelt werden können. Am besten werden gleich recycelte Rohstoffe zur Herstellung verwendet“, so der Präsident des Umweltbundesamtes weiter. Doch bei der Umsetzung ist noch einiges an Luft nach oben vorhanden. Dies sieht offenbar auch der Gesetzgeber so.

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Das Verpackungsgesetz (VerpackG) und die Folgen

Das seit Anfang 2019 geltende neue Verpackungsgesetz (VerpackG), das die bis dahin geltende Verpackungsordnung abgelöst hat, sieht neben der Verpflichtung für jeden, der gefüllte Verpackungen in Umlauf bringt, für deren Rücknahme zu sorgen, auch höhere Mindest-Recyclingquoten für die Systeme im Jahresmittel vor. Im Fall von Glas kletterte die Quote 2019 von 75 auf 80 Prozent. 2022 soll sie bei 90 Prozent liegen. Auch im Fall von Pappe, Papier und Karton wird für 2022 ein Wert von 90 Prozent vorgeschrieben, nach zuletzt 85 Prozent.

Bei den Kunststoffen wurde die Quote 2019 von 36 auf 58,5 Prozent angepasst und soll 2022 noch einmal auf 63 Prozent ansteigen. Für Getränkeverpackungen wurde im VerpackG das Ziel einer Mehrwegquote von 70 Prozent aufgenommen. Außerdem wurde die Pfandpflicht für Getränkeverpackungen erweitert. So unterliegen zukünftig auch kohlensäurehaltige Frucht- und Gemüsenektare sowie für Getränke mit einem Anteil an Milcherzeugnissen von über 50 Prozent der Pfandpflicht.

Kreislaufwirtschaft als Ausweg

Es ist nicht nur der Verpackungsabfall, mit dem die Menschheit fertig werden muss. Wir verbrauchen mehr Ressourcen als uns die Erde zur Verfügung stellt. Die Initiative TheWorldCounts rechnet zur Veranschaulichung vor: Wenn die Erdgeschichte in ein Jahr gepresst würde, wäre der Mensch gerade einmal seit 37 Minuten auf diesem Planeten. Trotzdem hat er lediglich 0,2 Sekunden gebraucht, um knapp ein Drittel sämtlicher natürlicher Ressourcen zu verbrachen.

Laut TheWorldCounts würden wir derzeit knapp 1,8 Erden benötigen, um unsere Nachfrage nach Ressourcen zu decken und den angefallenen Abfall zu absorbieren. Auch der seit 1987 begangene „Earth Overshoot Day“ soll verdeutlichen, wie sehr die Menschheit über ihre Verhältnisse lebt und wie viel mehr Ressourcen verbraucht werden als uns in einem Jahr zur Verfügung stehen würden.

So misst dieser Tag, wann genau der weltweite Verbrauch nachwachsender Ressourcen die Möglichkeiten der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen innerhalb eines Jahres übersteigt. Dank Corona gab es 2020 eine Sensation zu bestaunen. Grund zur Freude besteht jedoch nicht.

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Wegwerfmentalität der Menschheit

COVID-19 hat der Erde, ähnlich wie die jüngste Finanzkrise, nur eine kleine Verschnaufpause gegönnt. Daher ist es wichtig, dass die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit auch in der Investorengemeinde eine immer wichtigere Rolle spielen. Seit Anfang an fiel der „Earth Overshoot Day“ auf einen immer früheren Tag im Jahr. Doch nun wurde er um etwa einen Monat nach hinten verschoben. Am 22. August 2020 war es dann doch so weit. Für die Verschiebung war Corona verantwortlich. Das Virus hatte weltweit für einen beispiellosen Konjunktureinbruch gesorgt.

Das Problem knapper Ressourcen ist damit jedoch noch lange nicht gelöst. Schuld an der Misere ist unsere Konsumgesellschaft. Diese ist auf einer Wegwerfmentalität aufgebaut. Zuletzt gewannen Nachhaltigkeitsinitiativen immer mehr an Aufmerksamkeit. Viele Organisationen, Unternehmen und Regierungen arbeiten bereits an einem Umstieg auf eine Kreislaufwirtschaft.

Europäische „Grünen Deals“

Nach der Annahme eines ersten Aktionsplans durch die EU-Kommission im Jahr 2015, der dazu beitragen soll, den Übergang Europas zu einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, die globale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, hat die Kommission im März 2020 einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft angenommen.

Dieser ist Teil des größeren europäischen „Grünen Deals“. Frans Timmermans, der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident, erklärt dazu: „Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, unsere natürliche Umwelt zu erhalten und unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, bedarf es einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft.“

Dazu will die Kommission Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vorschlagen, um sicherzustellen, dass in der EU in Verkehr gebrachte Produkte so konzipiert sind, dass sie über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien statt Primärrohstoffe enthalten.

Das „Recht auf Reparatur“

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Die Verwendung von Einwegprodukten soll eingeschränkt werden. Außerdem soll gegen vorzeitiges Veralten vorgegangen und die Vernichtung nicht verkaufter langlebiger Güter verboten werden. Verbraucher sollen ein „Recht auf Reparatur“ erhalten. „Viele Produkte gehen zu schnell kaputt, können nicht ohne Weiteres wiederverwendet, repariert oder recycelt werden oder sind nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt“, sagt Timmermans.

Es wird sogar mit positiven Auswirkungen auf das BIP-Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen gerechnet. Demnach sollen die Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft in Europa das BIP der EU bis 2030 um weitere 0,5 Prozent steigern und etwa 700 000 neue Arbeitsplätze schaffen können.

Mehr über die maßgeblichen Unternehmen in diesem Bereich lesen Sie im Artikel:

Amazon, Zalando & Co in der Verpackungspflicht

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