Die Ampel-Koalition und die Börse

(Bildquelle: markteinblicke.de)

“Die Ampel steht!” Mit diesem Satz machte diese Woche Olaf Scholz klar, dass er in Kürze an der Spitze einer neuen Bundesregierung stehen wird, die erstmals in Deutschland aus drei unterschiedlichen Parteien besteht. Stellt sich die Frage: Wie hält es die Ampel aus SPD, FDP und Grünen eigentlich mit der Börse?

Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Koalitionsvereinbarung umfangreich alle Themenfelder abdeckt. Beim Durchblättern sind uns dann einige Börsen-relevante Themen aufgefallen, die wir zumindest kurz kommentieren wollen. Zum Mitlesen finden Sie die gesamte Koalitionsvereinbarung etwa hier. Die von uns angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die im PDF abgedruckten Zahlen.

Die Aktienrente und die Sparer

Spannend finden wir vor allem den Abschnitt zur Altersvorsorge. Dort läuft es auf eine Aktienrente a la FDP hinaus. Konkret:

“Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge. Den Sparerpauschbetrag wollen wir auf 1.000 Euro erhöhen.” (Koalitionsvertrag, S. 72)

Das ist aus unserer Sicht ein großer Schritt in Richtung Normalisierung der Aktienanlage. Inwiefern es sich in der Realität tatsächlich auswirkt, muss man abwarten, aber den Schritt halten wir ausdrücklich für bemerkenswert, denn er ist mehr, als in den letzten 20 Jahren im Bereich angekündigt, geschweige denn umgesetzt wurde.

Zustimmung erfährt dieser Abschnitt auch durch Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW. Der Aktionärsschützer freut sich sehr, “dass es die Aktienrente in den Koalitionsvertrag geschafft hat und damit zukünftig alle Bürger von der Aktie und vom Kapitalmarkt profitieren werden.” Allerdings sagt er auch: “Darüber hinaus hätten wir uns durchaus weitere konkrete Aussagen in Bezug auf die Förderung der privaten Altersvorsorge gewünscht.”

“gute Ansätze für eine bessere Investmentkultur in Deutschland”

Dr. Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV), sieht derweil in dem Vertrag “gute Ansätze für eine bessere Investmentkultur in Deutschland”. Zudem begrüßt der Verband, dass der Sparerfreibetrag ab 2023 auf 1.000 Euro pro Person angehoben werden soll. Bergmann: “Eine moderne Investmentkultur braucht die Vielfalt der Angebote, eine breite Finanzbildung und effiziente Marktstrukturen. Der DDV als Vertreter der führenden Emittenten strukturierter Wertpapiere bringt sich gerne gegenüber einer neuen Bundesregierung für eine moderne Investmentkultur ein.”

Aus Sicht der DSW kann die angekündigte Erhöhung des Sparerfreibetrages auf 1.000 Euro nur ein Anfang sein. Zudem seien “Pläne zur Abschaffung oder Erhöhung der Abgeltungsteuer sind dem Vertrag nicht zu entnehmen, was vor dem Hintergrund der Wahlprogramme der SPD und der Grünen allein positiv zu werten ist”, so Tüngler. Weiter kritisiert der Aktionärsschützer: “Dafür fehlt aber zugleich die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist bzw. die Intention, das langfristige Anlegen bewusst auch steuerlich zu fördern.”

Hauptversammlung und Co.

Interessant wird es auch beim Thema Gesellschaftsrecht. Zum einen sollen hier Gründungen erleichtert werden. Zum anderen sollen aber auch die Aktionärsrechte bei Online-Hauptversammlungen nicht eingeschränkt werden. Ein Punkt, der in den letzten Monaten oft kritisiert wurde. Konkret heißt es:

Bildquelle: Pressefoto E.ON

“Wir erleichtern die Gründung von Gesellschaften, indem wir die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts vorantreiben und Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlage und weiteren Beschlüssen erlauben. Wir ermöglichen dauerhaft Online-Hauptversammlungen und wahren dabei die Aktionärsrechte uneingeschränkt.” (Koalitionsvertrag, S. 111)

Dieser Absatz wird seitens der DSW besonders positiv bewertet. “Wenn man das wörtlich nimmt, was man wohl darf, bedeutet dies, dass die rein virtuelle Hauptversammlung nach Corona wohl eher gemieden wird. Die Industrie und insbesondere das DAI zielten immer und gerade auf die Beschränkung der/aller Aktionärsrechte ab. Das wird so zunächst – gemäß Wortlaut – nicht kommen”, so DSW-Hauptgeschäftsführer Tüngler.

Er bezeichnet die Formulierung als einen wichtigen Schritt. “Dennoch müssen wir hier natürlich weitermachen und vor allem darauf achten, dass die Rechte nun nicht auch in der Präsenz-Hauptversammlung reduziert werden.” Diesen Aussagen haben auch wir von marktEINBLICKE nichts hinzuzufügen.

Der Europäische Kapitalmarkt

“Wir setzen uns für einen leistungsstarken europäischen Banken- sowie Kapitalmarkt ein, der durch Wettbewerb und Vielfalt der Geschäftsmodelle geprägt ist. Wir wollen die Kapitalmarktunion vertiefen. Dazu werden wir die Barrieren für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte in der EU abbauen und den Zugang von KMU zum Kapitalmarkt erleichtern. Wir werden uns auf Ebene der EU dafür einsetzen, Unterschiede im Insolvenz-, Steuer-, Verbraucherschutz-, Aufsichts- und Gesellschaftsrecht abzubauen. Wir werden bei der Überarbeitung der Finanzmarktregeln MiFID/MiFIR die Markttransparenz stärken, um der Fragmentierung des europäischen Wertpapierhandels entgegenzuwirken.” (Koalitionsvertrag, S. 168/169)

Wie das konkret mit kapitalmarktkritischen EU-Mitgliedern wie Frankreich umgesetzt werden soll, bleibt aus unserer Sicht fraglich. Aber die Hoffnung besteht natürlich. Für den DDV ist dieser Absatz interessanterweise ebenfalls wichtig, seitens des Verbandes heißt es: “Positiv wertet der Verband auch die Absicht, sich für einen leistungsstarken EU-Kapitalmarkt einzusetzen, der von Wettbewerb und Vielfalt der Geschäftsmodelle geprägt sein soll.”

Die Start-up-Kultur und Börsengänge

“Deutschland soll führender Start-Up-Standort in Europa werden. Der Zukunftsfonds wird den Wagniskapitalmarkt auch für institutionelle Investoren öffnen und die deutsche Finanzierungslandschaft über eine flexible Modulausgestaltung gezielt ergänzen. Wir werden Börsengänge und Kapitalerhöhungen sowie Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten (Dual Class Shares) in Deutschland gerade auch für Wachstumsunternehmen und KMUs erleichtern.” (Koalitionsvertrag, S. 169)

Das ist ein spannendes Ziel – allein ob das gelingt, bleibt fraglich. Deutschland ist nach wie vor kein Gründer- und Start-up-Land. Aber wir lassen uns überraschen.

Der Hochfrequenzhandel

“Verzerrungen durch Hochfrequenzhandel wollen wir durch geeignete Marktregeln begrenzen. Die Spekulation mit Nahrungsmitteln wollen wir durch die Absenkung der Positionslimits auf europäischer Ebene begrenzen.” (Koalitionsvertrag, S. 170)

Bildquelle: Pixabay / PIX1861

Auch hier sind keine nennenswerte Auswirkungen für den Privatanleger zu erwarten. Zumal laut Tüngler auch die viel diskutierte Transaktionssteuer im Vertragstext ebenfalls nicht vorkommt.

Die große BaFin-Reform

“Wir wollen die Reform der deutschen Finanzaufsicht BaFin fortsetzen. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Aufsichtsbereichen der BaFin sowie mit anderen deutschen und internationalen Behörden muss intensiviert werden. Die BaFin muss als Arbeitgeberin attraktiver werden. Die Gründung, Übernahme, Umstrukturierung oder Kapitalstärkung von Banken und Finanzdienstleistern soll zügiger als bisher möglich sein. Wir werden uns für eine stärkere Standardisierung für die Erstellung von Prospekten einsetzen. Wir werden die Fähigkeiten der BaFin bei der Prüfung von Vermögensanlageprospekten weiter stärken. Wir werden den Verbraucherbeirat der BaFin weiter stärken.” (Koalitionsvertrag, S. 170)

Wirecard und dessen Aufarbeitung lassen grüßen. Hier hat die Koalition sich viel vorgenommen. Ob es tatsächlich gelingt die BaFin sinnvoll umzubauen, bleibt zu hoffen.

Alles in allem kann man zunächst einmal zufrieden sein. Spannend wird es bei der Frage nach der konkreten Umsetzung werden und welches Tempo die neue Koaltion an den Tag legen wird.

In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt

Bildquelle: markteinblicke.de