Die zauberhafte Welt der Liköre

Der Kräuterlikör Chartreuse stammt von den Kartäusermönchen in Voiron. Bildquelle: istockphoto / AlexPro9500

Süß oder bitter, fruchtig oder sahnig, als Aperitif oder Digestif, pur oder als Cocktail, eisgekühlt oder zu Desserts – Vielfältigkeit und Abwechslungsreichtum zählt zu seinen Charaktereigenschaften. Die Rede ist von Likör, einer großen Kategorie der Spirituosen und einem vielseitigen Begleiter rund ums Essen und Trinken. Bei Likören fallen einem sofort die bekannten Namen wie Ramazzotti, Jägermeister oder Sambuca ein, die nach einem guten Essen gereicht werden. Oder die süße Variante wie den Amaretto, Baileys oder den Eierlikör zur Süßspeise.

Liköre gibt es unendlich viele – von großen und kleinen Marken, nach alter Tradition oder modern interpretiert. Und sie können auch ganz einfach selbst hergestellt werden. Ein Likör passt immer, zu jeder Jahreszeit und jeder Gelegenheit. Was alles in den Likör hinein kann oder muss erfahren Sie hier. Die Kurzversion lautet: Treffen Alkohol, Zucker und Aroma zusammen, spricht man von Likör.

Eierlikör ist der Klassiker zu Desserts und Eis. Bildquelle: istockphoto /etorres69

Wann ist ein Likör ein Likör?

Ein Likör ist eine Spirituose bestehend aus Alkohol, Zucker, Wasser und einer weiteren Zutat, die für das Aroma und den Geschmack sorgt. Das können Früchte, Kräuter, Kaffee, Sahne, Wurzeln oder weitere geheime Zutaten sein, die einen Likör zu einem besonderen Geschmackserlebnis machen. Gerade die geheimen Zutaten werden von den Likörherstellern gerne verschwiegen, denn ein Likör bleibt gerne unverwechselbar. Als Aromen dürfen natürliche Aromastoffe und -extrakte sowie naturidentische Aromastoffe verwendet werden. Bei einigen Likören sind nur natürliche Aromastoffe erlaubt. Dazu zählen bei den Fruchtlikören Schwarze Johannisbeeren, Himbeeren, Maulbeeren, Heidelbeeren, Preiselbeeren und Sanddorn und bei den Pflanzenlikören Minze, Enzian, Anis und Gletscher-Edelraute.

Bei der Wahl des Alkohols und der Aromen ist man relativ frei. Nach der europäischen Spirituosenverordnung, die die gesetzlichen Vorgaben für Liköre regelt, werden Liköre „durch die Aromatisierung von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs oder eines Destillats landwirtschaftlichen Ursprungs oder einer oder mehreren Spirituosen oder einer Mischung davon hergestellt“. Hinzu kommen süßende Erzeugnisse und Erzeugnisse landwirtschaftlichen Ursprungs oder Lebensmittel wie Sahne, Milch, Milcherzeugnisse, Obst, Wein oder aromatisierter Wein.

Likör hat einen Mindestalkoholgehalt von 15 Volumenprozent und einen Mindestzuckergehalt von 100 Gramm pro Liter Flüssigkeit. Es gibt zwei Ausnahmen: bei Kirschlikör, dessen Ethylalkohol ausschließlich aus Kirschbrand besteht, sind es 70 g je Liter und bei Likören mit Enzian oder ähnlichen Pflanzen mit einem einzigen Aromastoff sind es 80 g je Liter. Der Alkoholgehalt bei Likören liegt in der Regel zwischen 15 und 40 Volumenprozent.

Für die Spirituosenkategorie Likör bestehen in Deutschland auch „geschützte geografische Angaben“, die einen europaweiten Schutz des Namens garantieren. Dazu gehören: Bayerischer Kräuterlikör, Benediktbeurer Klosterlikör, Berliner Kümmel, Blutwurz, Chiemseer Klosterlikör, Ettaler Klosterlikör, Hamburger Kümmel, Hüttentee und Münchener Kümmel.

Süßer Amaretto- oder Kaffeelikör ist beliebt bei Frauen. Bildquelle: istockphoto /Svittlana

Vom Heilmittel zum Genussmittel

Wie viele Spirituosen hat der Likör einen geschichtlichen Hintergrund. Denn im Mittelalter war er alles andere als ein Genussmittel, sondern eine Medizin, gebraut von Mönchen in Klöstern und von Apothekern. Mit der sogenannten Mazeration wurden Heilpflanzen in Alkohol eingelegt, um so die Wirkstoffe herauszulösen. Damals war Likör nur eine Mischung aus Kräutern und Heilpflanzen und wurde gänzlich ohne Zucker als Medizin verabreicht. Dass Likör Krankheiten und Sorgen heilen soll, war schon Wilhelm Busch bekannt. Denn aus der „Frommen Helene“ stammt das bekannte Zitat: „Es ist ein Brauch von Alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör…“. Noch heute wird dem Kräuterlikör eine heilende Wirkung nachgesagt.

Als die aus Italien stammende Katharina von Medici im 16. Jahrhundert den französischen König Heinrich II. heiratete, waren unter ihrem Gefolge auch Fachkundige in der Likörherstellung. Dieses Wissen gelangte an den französischen Königshof, wodurch die Likörherstellung mit verfeinerten Methoden ihren Anfang nahm. Das Genussmittel Likör stand anfangs allerdings nur dem Adel zur Verfügung, da die Zuckerpreise zu dieser Zeit sehr hoch waren. Erst mit der Kolonialisierung und dem Zugriff auf günstigeren Rohrzucker aus der Karibik wurde der Likör erschwinglicher. Die neuen Methoden der Mazeration und Destillation am Anfang des 18. Jahrhunderts leiteten den Siegeszug von Likör ein, aber erst etwa hundert Jahre später konnte er in größeren Mengen hergestellt und zum Verkauf angeboten werden.

Die Likörherstellung besteht heute wie damals aus der Mazeration, bei der Kräuter, Früchte etc. in Alkohol, Wasser und Zucker eingelegt werden, der anschließenden zweifachen Destillation und der Reifezeit. Die genauen Rezepturen bleiben heute wie früher meistens ein Geheimnis.

Liköre von süß bis bitter

Kaum eine Spirituose hat so wenige Vorgaben in der Herstellung und ist so vielseitig wie der Likör. Nach ihren Zutaten können Liköre in verschiedene Sorten eingeteilt werden: Bitterliköre und Kräuterliköre wie Angostura, Fernet Branca, Ramazzotti, Campari, Chartreuse oder Bénédictine, Fruchtliköre wie Johannisbeerlikör, Marillenlikör oder Orangenlikör und Gewürzliköre wie Sambuca und Pfefferminzlikör. Weitere Likörsorten sind – die besonders zur Winterzeit oder zu Desserts beliebten – Kaffee-, Kakao- und Teeliköre, Honigliköre, Nussliköre wie Amaretto oder Emulsionsliköre wie Eierlikör.

Haselnusslikör mit frischen gerösteten Haselnüssen aus dem Piemont. Bildquelle: Feinbrennerei Liebl

Verschiedener Alkohol kann als Basis für Liköre verwendet werden. Sie können auf Korn, Wodka, Rum, Obstbränden, Whisky oder Cognac basieren. Kombiniert wird, was gut zusammenpasst: Korn empfiehlt sich bei Fruchtlikören mit Beeren, Rum passt gut zu Zwetschgenlikör, Weinbrand zu Quitten und Mirabellen, Wodka harmoniert gut mit Zitrusfrüchten und Whisky wird häufig bei Birnen und Äpfeln eingesetzt. Hinzugesetzt werden können dazu alle natürlichen oder naturidentischen Aromen wie Kräuter und Gewürze, um dem Likör das gewünschte Aroma zu verleihen.

Winterlikör mit Schlehensaft und Waldbeeren. Bildquelle: Prinz

So gelingt der Likörgenuss

Likör kann man vielseitig genießen – er schmeckt nicht nur pur als Aperitif oder Digestif, sondern passt aber auch gut zu Süßspeisen, zu Eis, im Kaffee, kann zum Backen oder als Zugabe zu Cocktails verwendet werden. Die Trinktemperatur von Likören liegt etwa zwischen 4 und 13 Grad Celsius, wobei cremige und süße Liköre kälter getrunken werden sollten als zum Beispiel Kräuterliköre. Einige Liköre eignen sich auch zum Erhitzen oder können Heißgetränken beigemischt werden.

Whisky-Likör vom Schliersee mit frischem Kräuteraroma. Bildquelle: Slyrs

Vor dem Verwenden sollte die Flasche immer etwas geschwenkt werden, da sich der Zucker häufig im unteren Teil der Flasche absetzt. Wird der Likör pur genossen, empfiehlt sich die Anschaffung von Likörglasern, damit sich das Aroma gut entfalten kann. Es gibt allerdings nicht das eine Likörglas, sondern verschiedene Formen. So serviert man Ramazzotti am besten im typischen Ramazzotti-Glas, Kräuterliköre im Shot-Glas, Eierlikör in der Likörschale und Cointreau im bauchigen Schwenker. Likörgläser sind meistens etwas kleiner als Weingläser, denn der kleinere Glaskörper ist ideal für die Entfaltung von Geruch und Aroma. Und ganz nebenbei schmeckt ein stilvoll serviertes Getränk einfach noch besser.

Liköre für die kalte Jahreszeit

Im Winter sind warm servierte Liköre ein wahrer Genuss. Fruchtliköre aus Marillen, Zwetschgen, Kirschen, Äpfeln, Birnen und Schlehen oder Cremeliköre wie Kaffee-, Mokka- oder Eierlikör passen perfekt in die Winterzeit, ebenso wie Amaretto, der als i-Tüpfelchen den Kaffee, Punsch oder Glühwein verfeinert. Spezielle Winterliköre, wie sie von einigen Herstellern angeboten werden, enthalten meist typische Gewürze wie Sternanis, Zimt, Kardamom, Nelken und Piment. Liköre, die gut in die Winterzeit passen, sind der Williams-Christbirnen Likör oder der Bratapfel-Likör von der Fein-Brennerei Prinz, der Almglüher Zimtlikör von der Bergbrennerei Löwen, der Bombardino Dolomino Eierlikör von Dolomiti Alpenfeinkost, der Mint Chocolate Cream Likör von Berentzen oder der Kaffee-Kolanuss-Likör von CO’PS, bekannt aus der Höhle der Löwen.

Co’ps ist ein Likör aus Kolanuss und Kaffee. Bildquelle: Co’ps

Klassiker mit langer Tradition

Diese Likör-Klassiker schmecken das ganze Jahr über: der Amaretto von Disaronno mit einer Geheimrezeptur aus dem Jahr 1525 oder der Grand Marnier Triple Sec-Likör aus Frankreich – ein bernsteinfarbener Likör aus karibischen Bitterorangen und ausgewählten Cognacs. Weitere Klassiker, besonders beliebt bei Frauen, sind der Sahne-Whisky-Likör Baileys Irish Cream mit Sahne und irischem Whiskey oder der Malibu Likör mit Rum und Kokosnuss aus Barbados, aus dem Jahr 1895. Als geheimnisvolles Elixier gilt der französische Likör Bénédictine, der aus 27 Kräutern besteht. Der Kräuterlikör wurde vor über 500 Jahren von dem Benediktinermönch Dom Bernardo Vincelli in der Normandie gebraut. Ebenso aus Frankreich stammt der Kräuterlikör Chartreuse, gebraut von den Kartäusermönchen im Jahr 1608 im Kloster La Grande Chartreuse bei Grenoble als „Elixier des langen Lebens“. Er soll mehr als 130 Kräuter enthalten.

Irish Cream Likör schmeckt gut als Digestif. Bildquelle: istockphoto / AlexPro9500

Bildquelle: istockphoto / AlexPro9500