Gute Investoren, schlechte Investoren

Nicht nur auf dem grünen Rasen, auch auf dem Börsenparkett nimmt das Emirat Katar eine nicht zu unterschätzende Rolle ein...

(Bildquelle: unsplash / Florian Wehde)

Regenbogen-Armbinden, zugehaltene Münder und schmerzhafte Niederlagen bei miserablen TV-Quoten und dann der frühe „Ausfall“ unserer Nationalmannschaft. Die WM in Katar sorgte definitiv für jede Menge Gesprächsstoff. Aber nicht nur auf dem grünen Rasen, auch auf dem Börsenparkett nimmt das Emirat eine nicht zu unterschätzende Rolle ein, die in Zukunft noch stärker ausfallen dürfte.

Als Investor spielt der Staatsfonds Katars schon lange in und um die finanzielle Champions League. Das kleine Land am Golf hält maßgebliche Beteiligungen an einigen der größten und namhaftesten deutschen Konzerne.

Im Oktober dieses Jahres hat der Energieversorger RWE mit Hilfe katarischer Mittel ein Solarunternehmen in den USA übernommen. Mit einer Beteiligung von neun Prozent, ist Katar aktuell der größte Aktionär des Traditionsunternehmens aus Essen. Am Hamburger Logistiker Hapag Lloyd hält das Emirat stattliche 12,3 Prozent. Bei Volkswagen sind es gar 17 Prozent und mit der Beteiligung einher gehen zwei Sitze im Aufsichtsrat.

Zukunftssicherung für die Post-Öl-Ära

Die meisten Investitionen in europäische Werte laufen über den katarischen Staatsfonds „Qatar Investment Authority“ (QIA), der mittlerweile ein Vermögen von rund 450 Mrd. US-Dollar verwaltet. Damit ist er in den Top Ten der größten Staatsfonds rund um den Globus.

Die steigenden Aktivitäten von Katar hängen natürlich mit der absehbaren Endlichkeit fossiler Energieträger zusammen. Man investiert, um die eigene Zukunft unabhängig vom Öl zu sichern. Als Aktionär ist das Emirat zwar eher passiv. Auch ist bisher kaum augenscheinlich, dass geopolitische Ziele offen verfolgt werden, anders als bei der Weltmacht China.

Wie halten wir es mit Investitionen aus China? (Bildquelle: unsplash / Denys Nevozhai)

ESG wird wichtiger

Für den Standort Deutschland sind ausländische Investitionen wichtig, keine Frage. Aber wie sieht es mit Ethik und Moral aus? Nicht zuletzt die Diskussionen rund um das Fußballturnier haben gezeigt, dass die Öffentlichkeit immer stärker einen kategorischen Imperativ formuliert. Die wachsende Bedeutung von Environmental Social Governance (ESG), nicht nur mit Blick auf Imagewerte, sondern als harter, finanzieller Parameter für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens, wirft weitere Fragen auf, welche Standards hierzulande für fremdes Geld heute und in Zukunft gelten sollten.

Sicher, das kann man durchaus ambivalent sehen. Investitionen aus Katar deshalb aber per se abzulehnen ist defintiv zu kurzsichtig. Genauso kurzsichtig wäre es aber, die Tatsache, dass Katar bisher als Aktionär nicht negativ aufgefallen ist als ewig gegeben hinzunehmen. Man kann sicher sein, dass die Katari mehr Einfluss nehmen werden, wenn einmal etwas nicht (mehr) so läuft, wie sie es sich vorstellen.

Nachhaltigkeit darf uns nicht auf die Füße fallen

Klar ist, dass Unternehmen in Sachen ESG und Katar sehr sensibel sein müssen, sollen ihnen die willkommenen Investitionen nicht eines Tages auf die Füße fallen. Katar ist zwar unbestritten – und aus deutlichem Eigeninteresse – im eigenen Land ein Vorreiter, wenn es um innovative, klimaschonende Maßnahmen geht, die durchaus mehr sind als Image- und Marketing-Aktionen. Aber: Beim ESG geht es um weit mehr als den Klimaschutz. Das „S“ im Akronym wird zunehmend groß und größer geschrieben.

Wie halten wir es mit Fragen der Nachhaltigkeit? (Bildquelle: Pixabay / ejaugsburg)

Zentrale Fragen zu sozialen Themen, Menschenrechten oder der Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewinnen – zu Recht – immer mehr an Bedeutung. Wir dürfen und können die Wertediskussion insofern nicht losgelöst von wirtschaftlichen Interessen führen. Vielmehr geht es auch bei Investitionen um Haltung, Transparenz und Konsequenz. Auch Aktionäre müssen in Zukunft einem neuen Wertekanon folgen. Das sehen wir beispielsweise und bereits immer deutlicher bei China.

Wie halten wir es mit China?

Klar ist, Katar wird seine Aktivitäten in Europa nicht zurückfahren, sondern in Zukunft noch weiter ausdehnen. Das heißt für uns, dass wir uns, anders als etwa bei China, rechtzeitig Fragen zum richtigen Umgang, zu unserer Haltung nicht nur stellen, sondern diese auch im Sinne unseres gemeinsamen, europäischen Wertegerüstes nachhaltig beantworten müssen.

Und auch weit über Katar hinaus müssen wir uns mit grundsätzlichen Fragen viel intensiver auseinandersetzen, als dies bisher der Fall war. Das betrifft die Rüstungs- bzw. Verteidigungsindustrie, die Energieversorgung und – wie bereits vorab genannt – unser Umgang mit China.

Folgen des Handelns bedenken

Natürlich geht es um eine kritische Haltung, aber wir sollten in der Diskussion auch so ehrlich sein und uns vor Augen führen, wie es um uns bestellt ist, wenn man unsere wirtschaftliche Beziehung zu China deutlich reduziert. Und das Preisschild können wir jetzt schon erkennen. Wir werden deutlich an Wohlstand verlieren mit allen Konsequenzen und auch politischen Unwägbarkeiten, die sich daraus ergeben.

Wie so oft wird die Diskussion hierzulande auf die lange Bank geschoben, da sie auch unangenehm ist und auf den Kern unseres Wertkanons abzielt. Genau das ist aber der größte Fehler, den wir alle machen können. Denn während die Zeit ungenutzt verstreicht, orientieren sich andere Volkswirtschaften und auch potente Investoren. Welche Rolle wir dann dabei zukünftig noch spielen, weil wir uns heute als unzuverlässiger, da eben nicht klar orientierter Partner zeigen, ist derzeit nur wenig positiv zu beantworten. Starten wir daher heute eine ehrliche Diskussion.

Ein Beitrag von Marc Tüngler

Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und ist ein profunder Kenner des deutschen Aktienmarktes. Als Redner und Aktionärsvertreter auf vielen Hauptversammlungen weiß er um die Befindlichkeiten von Vorständen und Aktionären.
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Bildquelle: Pressefoto DSW