Wenn der Versorger einfach kündigt…

In den vergangenen Monaten häufen sich die Berichte über Energieversorger, die die Belieferung ihrer Haushaltskunden kurzfristig einstellen bzw. bestehende Verträge fristlos kündigen.

(Bild: Unsplash / Arthur Lambillotte)

In den vergangenen Monaten häufen sich die Berichte über Energieversorger, die die Belieferung ihrer Haushaltskunden kurzfristig einstellen bzw. bestehende Verträge fristlos kündigen. Was von einer solchen Kündigung zu halten ist, und wie Verbraucher am besten auf eine solche Kündigung reagieren können, wollten wir von Rechtsanwalt Dr. Benjamin Stillner (www.dornkamp.de), wissen:

Darf der Energieversorger einen bestehenden Vertrag einfach so kündigen, nur weil sich die Einkaufspreise erhöht haben?

Im deutschen Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind („pacta sunt servanda“). Aus diesem Grund darf ein Energieversorgungsvertrag zwar von beiden Vertragsparteien, also auch vom Versorger, mit der vertraglich vereinbarten Frist ordentlich gekündigt werden. Nur ganz ausnahmsweise steht den Vertragsparteien allerdings ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags zu.

Eine solche sogenannte außerordentliche Kündigung bedarf aber stets eines wichtigen Grundes, der es dem anderen Vertragsteil unzumutbar macht, am Vertrag festzuhalten. Das allgemeine Verteuerungsrisiko rechtfertigt grundsätzlich keine fristlose Kündigung.

Was sind die Gründe für die aktuelle Kündigungswelle?

Die Gründe für die Kündigungswelle sind die rasant gestiegenen Beschaffungspreise auf dem freien Energiemarkt. Seit dem Ukraine-Krieg und der damit verbundenen Verknappung von Gas aus Russland sind die Preise buchstäblich explodiert. Das bekommen dann diejenigen Energieversorger zu spüren, die keine langfristigen Lieferverträge mit ihren eigenen Lieferanten geschlossen hatten, sondern sich auf dem Spotmarkt kurzfristig bedienen müssen eigene Lieferverpflichtungen zu erfüllen.

Egal ob Stromversorger oder Gaslieferant – in letzter Zeit haben vermehrt Versorger ihren Vertrag gekündigt. (Bildquelle: pixabay / geralt)

Von daher ist es zwar aus Sicht der Energieversorger verständlich, sich unbequemer Endkundenverträge entledigen zu wollen, die niedrigere Preise als die eigenen Einkaufspreise vorsehen. Rechtlich ist das aber nicht darstellbar.

Allenfalls kommt eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Aber auch dabei ist Zurückhaltung geboten. Die Tendenz in der Rechtsprechung geht eindeutig dahin, dass der Vertrag zu den geschlossenen Konditionen zu erfüllen ist.

Was gilt, wenn im Vertrag eine „Preisgarantie“ vereinbart wurde?

In der Vergangenheit haben Energieversorger offensiv Kunden umworben und abgeworben, indem sie eine Preisgarantie ausgelobt haben. Nach meiner Einschätzung betrifft das ca. 65 Prozent der geschlossenen Verträge in Deutschland außerhalb der Grundversorgung. Eine solche Preisgarantie sieht zusammengefasst vor, dass lediglich eine Erhöhung an Endverbraucher weitergegeben werden darf, die Folge staatlicher Umstände ist (z.B. Umsatzsteuer, EEG-Umlage, usw.).

Umgekehrt liegt damit das allgemeine Verteuerungsrisiko beim Energieversorger, selbst wenn das in der Preisgarantie-Klausel nicht so ausdrücklich formuliert ist. Das bedeutet, dass den Endverbraucher eine solche Verteuerung nicht interessieren muss. Denn eine Garantie ist in Deutschland die strengste Form der Selbstverpflichtung. Eine solche Pflicht muss unter allen Umständen eingehalten werden.

Sparen beim Energieverbrauch ist sinnvoll. Doch Vorsicht bei der Auswahl des Versorgers.  (Bildquelle: pixabay / jackmac34)

Aus diesem Grund hat beispielsweise das Landgericht Düsseldorf vor wenigen Wochen im Wege einer einstweiligen Verfügung einem Energieunternehmen aus Nordrhein-Westfalen untersagt, Energielieferungsverträge unter Bezugnahme auf an gestiegene Beschaffungskosten zu kündigen, wenn zuvor eine solche Preisgarantie vereinbart worden war.

Was können betroffene Verbraucher tun, deren Vertrag fristlos gekündigt wurde?

Verbraucher sollten zunächst ihren Vertrag dahin überprüfen, ob auch in Ihrem Fall der Energieversorger eine Preisgarantie übernommen hat. Ist das der Fall, ist die Sache rechtlich eindeutig. Die ausgesprochene Kündigung wäre dann unwirksam.

Aber selbst wenn es eine Preisgarantie nicht gibt, sollte der Verbraucher der Kündigung in jedem Fall widersprechen und den Energieversorger zur Weiterbelieferung zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen auffordern – am besten per Einschreiben. Zahlungen, die der Verbraucher dem Energieunternehmen noch schuldet, können so lange zurückgehalten werden, bis die Belieferung wieder aufgenommen wird.

Daneben haben Verbraucher die Möglichkeit, sich bei der Bundesnetzagentur oder auch bei den Verbraucherzentralen ihres jeweiligen Bundeslandes über das vertragswidrige Verhalten ihres Energieversorgers zu beschweren. Verbraucherzentralen sind in Deutschland mit einer umfassenden Klagebefugnis ausgestattet und können derartige rechtswidrige Geschäftspraktiken im Wege einer Unterlassungsklage effektiv unterbinden. Kosten entstehen dem Verbraucher dadurch nicht.