Wenn dieses Jahr so gut werden sollte, wie es sich derzeit abzeichnet - mit einem DAX irgendwo zwischen 12.000 und 16.000 Punkten, wie von mir zum Jahresbeginn avisiert - dann dürften größere Korrekturen sowieso ausbleiben. Solche rosigen Jahres-Aussichten gibt es wirklich nur äußerst selten, das muss ich immer wieder betonen.
Aufgehellte Konjunkturprojektionen in der Eurozone - auch die Weltbank hat die Wachstumsprognose 2015 von 1,1 auf 1,5 Prozent angehoben - und steigende Inflationserwartungen machen sich in wieder steigenden Renditen bei Staatsanleihen der Euro-Länder bemerkbar. Und angesichts der vermeintlich erfolgreichen reflationierenden Wirkung der Anleiheaufkäufe der EZB wird bereits über deren vorgezogenes Ende spekuliert. Bislang hatte die Liquiditätshausse der EZB die Attraktivität von Zinsanlagen immer mehr geschmälert, damit den Euro abgewertet und eine beispiellose Aktien- bzw. Exporthausse losgetreten. Im II. Quartal jedoch hat sich der Umkehrschwung eingestellt.
Lange Jahre galt China als Jungbrunnen der Weltwirtschaft. Doch zeigen sich mittlerweile Risse in der schönen Wirtschaftsfassade. Der Immobilienmarkt hat seinen Zenit überschritten und das Schicksal des Aktienmarkts erinnert an unseren Neuen Markt. Diese negativen Vermögenseffekte über Immobilien und Aktien bedrohen die Konsum- und Investitionsfreude in China. Bereits jetzt steht beim chinesischen Wachstum - nach westlichen Maßstäben - schon längst nicht mehr die Sieben, sondern eher die Vier vor dem Komma. Auch Chinas Anrainerstaaten bekommen die Nachfrageschwäche zu spüren.
Die Eurozone ersäuft in billigem Geld. Und dennoch will die eurozonale Wirtschafts-Wüste einfach nicht grün werden. Kreditausleihungen an Haushalte und Unternehmen findet man in der Eurozone noch seltener als Gänseblümchen am Nordpol. Und die Inflation ist so wenig wach wie der Bär während seines Winterschlafs.
Früher war der Sommer an den Kapitalmärkten eher ruhig und gemütlich. Erst im September ging es an den Börsen wieder zur Sache. 2015 ist von dieser typischen Sommerlässigkeit nicht unbedingt auszugehen. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass Renten- und Aktienmärkte grundsätzlich hoch bewertet sind und unter normalen Umständen längst reif für eine ordentliche Konsolidierung wären. Es darf also eigentlich im anstehenden Sommer in punkto Marktbedingungen nichts anbrennen. Risiken gibt es dennoch. Dabei meine ich noch nicht einmal den Konflikt des Westens mit Russland. Hier kann man nur hoffen, dass die Telefonverbindung von Merkel zu Väterchen Frost Putin nie einfriert.
Griechenland spielt zwar eine Rolle, aber keine Hauptrolle an den Finanzmärkten. Ein Grexit hat zwar das Potenzial, die Aktienmärkte kurzfristig zu irritieren. Für einen Crash fehlt es aber an Argumenten. Denn im Vergleich zur letzten Krise an den Finanzmärkten - der Pleite der Lehman-Bank mit anschließender Immobilienkrise - kommt der Grexit nicht als Übernacht-Schock, sondern wird als mögliches Ergebnis bereits seit langem diskutiert. Im Vergleich zu früheren Immobilieninvestments der Banken ist ihr heutiges Anlagevolumen in Griechenland begrenzt. Eine zweite Euro-Bankenkrise ist daher nicht zu befürchten. Und außerdem stehen heute Rettungsinstitutionen wie die Rettungsschirme und die EZB bereit, die Kollateralschäden eindämmen. Der Grexit liefert Kaufkurse, weil er die Europäische Stabilitätsidee und Wettbewerbsfähigkeit wiederbelebt.
Es gibt Zeiten, da kommt es knüppeldick, es gilt Murphys Gesetz, wonach alles, was schiefgehen kann, auch tatsächlich schiefgeht. Das spüren im III. Quartal auch deutsche Aktien. Banken, Versicherungen und Versorger sind fundamental angeschlagen. Dies allein wäre schon belastend genug für den DAX...
Deutschen Aktien kommen die stabilisierenden Konjunkturmaßnahmen Chinas - die auch auf die Anrainerstaaten positiv ausstrahlen - zugute. Daneben profitiert die deutsche Exportindustrie von der Euro-Abwertungspolitik der EZB. Käme es zu einer US-Zinserhöhung würde der Euro sogar in die Zange genommen und weiter abwerten.
Seit Mitte 2012 war das Leben für Aktien und Anleihen in der Eurozone leicht, unbeschwert und krisenfrei. Denn es galt das Motto:„ Alle Staatsschuldenkrisen stehen still, wenn der starke Arm der EZB es will“. Ihre geldpolitischen Bizepse waren so stark, dass dagegen ein antieurozonaler Spekulant wie ein mangelernährter Spargeltarzan aussah. Mit der liquiditätsnährstoffreichen Kost der EZB sanken die Renditen von Anleihen, was deren Attraktivität und damit den Euro schwächte. Das insgesamt baute wiederum Aktien über Liquiditätshausse und Exportwachstum ähnlich auf wie Proteine die Muskeln. Ja, Mario Draghi war so etwas wie der Fitnesstrainer der Eurozone.
Im 1. Halbjahr war das größte Risiko für die Finanzmärkte wohl Griechenland. Wenn auch definitiv nicht aufgehoben, so ist dieses Risiko zumindest aufgeschoben. Im 2. Halbjahr, nach der Sommerpause scheint für Anleger das Zinsänderungsrisiko im Mittelpunkt zu stehen.
Mit bescheidenen Aussichten für Zinspapiere fällt der Blick auf die größte Alternativanlageklasse Aktien. Sicherlich wird Deutschland als von der Weltkonjunktur abhängiger Aktienmarkt von der aktuellen Verunsicherung in den Schwellenländern vor allem mental, im Kopfkino der Anleger geschwächt.