DAX Charttechnik: Die Kunst der leeren Worte

Gerade Mal eine Woche ist es her, als Mario Draghi den Märkten einen kräftigen Schub nach oben versetzte. Seine Worte gingen um die Welt und ließen die Kurse rund um den Globus in die Höhe schnellen. >>Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir – es wird ausreichen. Zusätzlich fügte der oberste europäische Währungshüter in London hinzu, dass der Transmissionskanal für die Wirkung der Geldpolitik durch das hohe Zinsniveau bei den Staatsanleihen gestört sei. Mit einer ganz ähnlichen Formulierung hatte die EZB bereits frühere Aktionen am Anleihemarkt begründet.

Doch die self-fulfilling prophecy ging diesmal nicht auf. Ganz im Gegenteil, denn die Rede in London hatte keinen Verweis auf ein Anleihekaufprogramm war gestern plötzlich von Draghi zu hören (in Köln würde man an dieser Stelle wie bei einer Büttenrede ein freundliches Nä Nä einspielen). Der Schock hat gesessen und der DAX machte prompt auf dem Absatz kehrt, wobei die Kurse binnen 20 Minuten vom Tageshoch bei 6.854 Punkten um 239 Zähler bzw. 3,5 Prozent auf 6.615 Punkte zurückfielen.

Hätte, könnte, würde<< die Notenbankchefs Draghi und Bernanke (Fed) entwickeln sich zu wahren Meistern der offenen Worte. Und so blieb auch gestern unter dem Strich alles ziemlich wage, obwohl insgesamt 38 Aussagen des Notenbankchefs über den Ticker liefen. Seit gestern wissen wir jedoch, dass jedes einzelne Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss, denn was die Medien oder Analysten in die Aussagen hineininterpretieren, entpuppte sich am Donnerstag als reines Wunschdenken.

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Eigentlich traurig, denn wenn wir die Worte von Draghi nach seinem eigenen Anspruch knallhart analysieren, dann hätte er sich die gestrige Pressekonferenz schlichtweg sparen können. Ein paar Beispiele und „Übersetzungen“ anbei:

>>Diskutieren über mögliche Leitzinssenkungen<<
Eine leere Worthülse, denn die Diskussion über den Leitzins zählt zu den normalen Aufgaben des EZB-Rats.

>>EZB könnte weitere außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen<<
Das Wort „könnte“ macht aus diesen Satz unbrauchbar.

>>EZB-Rat könnte Offenmarktgeschäft durchführen<<
Natürlich könnten sie das – aber tun sie es auch?

>>Mehrere außergewöhnliche Maßnahmen werden geprüft<<
Es wäre schlimm, wenn die EZB dies nicht tun würde. Leider aber wieder keine klare Aussage.

>>Noch nicht der richtige Zeitpunkt für Zinssenkungen<<
Fragt sich eigentlich nur, wann denn der richtige Zeitpunkt wäre. Hinweise darauf gab es aber natürlich nicht.

>>Sinnlos gegen den Euro zu spekulieren<<
Short-Trader der letzten Monate sind hier bestimmt anderer Meinung.

Was wir Ihnen damit sagen wollen: Egal was die Medien heute in die Worte von Draghi hineininterpretieren, Fakt ist, dass der EZB-Chef außer einer Bestandsaufnahme nichts geliefert hat. Richtig, muss er ja auch nicht. Für uns ist es einfach nur ärgerlich, dass wir unsere Zeit mit diesem Nonsens verschwenden müssen. Da wünscht man sich ein reiner Charttechniker zu sein, der das ganze leere Gequatsche einfach ausblendet. Leider müssen die Finanzjournalisten ihre Zeitungen füllen, und so beginnt das Interpretationsspiel von vorne. Was Sie mit diesen Interpretationen anfangen können, sehen Sie auf dem obigen Bild.

Stand 03.08.2012

Sebastian Hoffmann ist Trading-Analyst bei Prime Quants. Dort ist er vor allem für die Intraday-Analysen, die Handelssysteme und die Trading-Services verantwortlich.