DAX Charttechnik: Warum so pessimistisch?

In Deutschland gilt es als Volkssport: Skeptisch sein. Gerade in Zeiten der Staatsschuldenkrise, wenn fast ausschließlich negative Meldungen in der allabendlichen Tagesschau über die Mattscheibe flimmern, verfällt der Anleger schnell in dieses negative Muster. Immer neue Rettungspakete für Griechenland, Hilfen für die angeschlagenen spanischen Banken – die Liste der Hiobsbotschaften ist lang. Logisch gedacht, kommt man also schnell zu dem Schluss: Das kann niemals gut gehen. Die Konsequenz daraus: Der Kauf von Short-Zertifikaten, denn schließlich kann man an dem Untergang ja noch verdienen. Doch leider spielen die Börsen nicht mit.

Während der DAX mit der Marke von 6.900 Punkten ringt, kletterte der MDAX sogar auf ein neues Jahreshoch. Damit haben die beiden wichtigsten Aktienindizes in Deutschland seit Jahresanfang Gewinne von 17 Prozent (DAX) und 25 Prozent (MDAX) vorzuweisen. Alleine seit dem Korrektur-Tief Anfang Juni verbesserte sich der deutsche Aktienmarkt um 1000 Punkte, doch Long-Zertifikate sind kaum gefragt. Vielmehr agieren die privaten Anleger antizyklisch, wie der Blick auf das Stimmungsbarometer der Börse Stuttgart zeigt. Ein Wert von -11,8 Punkten ist dort in der Jahresperspektive abzulesen. Ein klares Übergewicht also für die Baisse-Bären, die in den tendenziell schwachen Sommermonaten August und September mit einer weiteren Attacke abwärts rechnen.

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Das gleiche Spiel konnte in diesem Jahr schon einmal beobachtet werden. Zwischen Anfang Januar und Mitte März rechnete die Mehrheit der Privatanleger ebenfalls mit einem fallenden DAX. Zufall oder eine Gesetzmäßigkeit? Die Stimmung der Marktteilnehmer drehte in dem Moment, also das deutsche Leitbarometer sein vorläufiges Jahreshoch bei 7.194 Punkten fand. Aus charttechnischer Sicht könnte dieses sogar in Kürze wieder erreicht werden. Denn schließlich hat der DAX

– den GD20, GD100 und GD200 überkreuzt,

– den März-Abwärtstrendkanal nach oben verlassen,

– die Widerstände bei 6.350, 6.575/6.600 und 6.750 zurückerobert

– und das Juli-Hoch überboten.

Zugegeben, es fällt extrem schwer diesen Signalen die nötige Durchschlagskraft zuzutrauen. Doch nicht umsonst heißt es an der Börse „die Hausse wird im Pessimismus geboren und sie wächst in der Skepsis“. Nur ein blöder Spruch? Jein, denn tatsächlich kann sich das skeptische Umfeld als treibende Kraft entpuppen. So würden mehr und mehr Marktteilnehmer bei weiteren Kursgewinnen das Lager wechseln, um auf den Hausse-Express aufzuspringen. Die Gefahr – und die Hoffnung für alle Bären – besteht in einer großen negativen Schlagzeile. Denn wird ein Rücksetzer in Schwung gebracht, könnte sich dieser schnell zu einem Kurssturz entwickeln. Der Grund ist relativ einfach, denn es würden sich dann kaum Käufer finden.

Natürlich ist das Sentiment nicht alleine ausschlaggebend für eine Analyse des Aktienmarktes, dennoch werfen wir im DAX-Daytrading immer mal wieder einen Blick auf die Stimmung unter den Privatanlegern. So ist technisch betrachtet die Schwelle zwischen 6.900 und 6.930 Punkten zwar als Widerstand zu verstehen, aufgrund der extremen der erhöhten Put-Käufe haben wir unseren Short-Trade allerdings gestrichen. Bislang war das die richtige Entscheidung,denn die Kurse haben sich auf diesem Level festgesetzt ohne die erwartete Reaktion abwärts zu zeigen. Wir können uns daher gut vorstellen dass die Fahrt aufwärts in eine weitere Runde geht. Stellen Sie sich nur die Schlagzeilen vor, wenn der DAX die 7.000er-Marke knackt. Wenn die Stimmung dann jedoch auf „bullish“ wechselt, ist Vorsicht geboten. Verfolgen Sie es einfach selbst einmal.

Das Euwax-Sentiment finden Sie auf der Website der Börse Stuttgart (www.euwax. de) unter der Rubrik Indizes.

Sebastian Hoffmann ist Trading-Analyst bei Prime Quants. Dort ist er vor allem für die Intraday-Analysen, die Handelssysteme und die Trading-Services verantwortlich.