Ist jetzt Zeit für „buy the dip?“

Mehr Demut vor der Makroökonomie sagt der eine Marktexperte. Die Börsenkorrektur hat begonnen – Buy the dip, sagt ein anderer. Wer hat Recht. Einmal mehr ist es wohl der Mix von beiden.

(Bildquelle: marktEINBLICKE)

Die Börsen sind im Herbststimmung. Der DAX hat in der vergangenen Woche den tiefsten Stand seit sechs Monaten erreicht. Seit Anfang September ist der Kurs damit um mehr als 4,5 Prozent gefallen. Auch in den USA dominieren die roten Vorzeichen an der New Yorker Wall Street. Für die wichtigsten US-Aktienindizes gab es auf Monatssicht Kursverluste von 4 bis 5 Prozent.

Weiterhin dominieren die aktuellen Wirtschaftsdaten das Geschehen an den Finanzmärkten. Die Frage, die im Raum steht, lautet: Kommt ein Soft Landing oder gibt es doch eine harte Landung? Die Märkte werden sich in den kommenden Monaten viel mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, meint Benjamin Bente von Vates Invest. „Dabei sollten die makroökonomischen Zusammenhänge wieder stärker ins Bewusstsein treten.“

Seiner Ansicht nach bauen die Märkte durch die immensen Unterschiede zwischen den konjunkturellen Indikatoren und der Reaktion der Börsen eine gewaltige Fallhöhe auf.“ Wer sich darauf verlasse, dass dieses Mal alles anders sein wird, als in den Jahrzehnten zuvor, pokere womöglich zu hoch.

Auf die Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung reagierten die Märkte vergangene Woche verschnupft. (Bildquelle: Pressefoto Federal Reserve)

Ein bisschen das Gas wegnehmen…

Seine Argumentation: Auf die Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung reagierten die Märkte vergangene Woche verschnupft. Dabei hatte die US-Notenbank eigentlich wenig Neues gesagt. „Dies zeigt, dass die Nervosität zunimmt und das Thema Soft versus Hard Landing die Märkte in den kommenden Wochen und Monaten immer mehr beschäftigen wird“, sagt Bente. Bislang setzen sich die Märkte mit ihrer sehr positiven Entwicklung von den eigentlich negativen bis sehr negativen konjunkturellen Vorlaufindikationen ab. „Hier hat sich eine große Lücke aufgetan“, sagt Bente. „Und immer, wenn so eine große Lücke zwischen Aktienmarkt und fundamentaler Realität vorhanden ist, kommen die ‚Dieses-Mal-ist-alles-anders-Erklärer‘ aus ihren Löchern.“

Unterm Strich rät er „mal ein paar Chips vom Tisch zu nehmen, und dort, wo man mit offensiven Investments unterwegs ist, Gewinne mitzunehmen.“

Boden für eine Herbstrallye?

David Wehner von Do Investment wiederum ist der Ansicht, dass die Sommer-Euphorie an der Börse mit den ernüchternden Zinsentscheidungen der Notenbanken von Mitte September bereits verflogen sei. Jetzt dürfte laut Wehner die Zeit kommen, in der die Kursübertreibungen am Aktienmarkt schrittweise korrigiert werden. Danach wäre der Boden für eine Herbstrallye bereitet.

Ist der Boden für eine Herbstrallye bereitet? (Bildquelle: unsplash / Sven Aeberhard)

„Mit dem Verpuffen der Euphorie sehen wir nun eine deutliche Korrektur an den Börsen, weil bullische Investoren jetzt auf die Bärenseite wechseln. Jetzt profitieren Anleger, die sich rechtzeitig defensiv positioniert und seit dem Sommer Gewinne mitgenommen haben“ und ergänzt: „Die Gesamtgemengelage bietet jedenfalls das Potenzial für einen starken Dip an den Börsen.“

Aus seiner Sicht wäre eine Korrektur am Aktienmarkt um zehn bis 15 Prozent nach unten angebracht. „Im S&P 500 könnte es runter gehen bis 4200 Punkte, an der Nasdaq bis auf 13.500 Punkte. Das böte Anlegern eine Chance auf neue Kaufgelegenheiten.“

Das bringt die neue Börsenwoche (KW40-2023)

Zum Wochenauftakt wird in den USA der Einkaufsmanagerindex veröffentlicht. „Die jüngsten Makrodaten vom verarbeitenden Gewerbe in den USA deuteten an, dass sich dieser zyklisch abhängige Gewerbezweig von seiner zwischenzeitlichen Schwächephasen zu erholen scheint“, schreibt die Deka. Die Experten erwarten den dritten Anstieg in Folge beim nationalen Einkaufsmanagerindex ISM für das verarbeitende Gewerbe.

Es stehen wieder einige US-Konjunkturdaten auf der Agenda. (Bildquelle: unsplash / Jeff Burak)

Zum Wochenschluss kommt es zur Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts der USA. Alle anderen Daten der Woche und Prognosen finden Sie in unserem Wirtschaftskalender.

Das marktEINBLICKE-Fazit

In den vergangenen Wochen gab es zuhauf Kommentare von Marktexperten, die raten die Aktienquote zu reduzieren und in Cash sowie in den Geldmarkt zu gehen. Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, ist anderer Meinung – der wir uns gänzlich anschließen. Aus langfristiger Sicht sind nach Analyse von Tilmann Galler Cash-Investments nicht zum Vermögensaufbau geeignet und zeigt dies mit Zahlen auf:

„Ein Geldmarktinvestment von einem US-Dollar wäre seit 1900 auf realer Basis, das heißt abzüglich der Inflation, gerade einmal auf 1,7 US-Dollar angestiegen. Bei US-Anleihen wäre das Investment über den gleichen Zeitraum immerhin auf neun US-Dollar angewachsen. Die eindeutig beste Wertentwicklung auf realer Basis konnte jedoch mit einem Aktieninvestment erreicht werden. So wären aus dem ursprünglich investierten Betrag von einem Dollar heute real 2.600 US-Dollar geworden“, betont Tilmann Galler.

Als langfristig engagierte Aktienanleger weiß man, dass es immer wieder Korrekturphasen an den Börsen gibt, das große Bild – den eigenen Vermögensaufbau mit Baustein-Aktien erfolgreich zu gestalten – wird dadurch nicht getrübt.

„So eine Korrekturphase muss nicht sehr lange dauern, sie könnte schon bald vorbei sein. Im Jahr vor einer US-Wahl gibt es regelmäßig eine Herbstrallye, die den Markt meist ab Oktober antreibt und bis zum Jahresende trägt, manchmal sogar bis in das ersten Quartal hinein“, macht David Wehner Anlegern für die nächsten Wochen Mut. Muss er eigentlich auch gar nicht, wenn man sich die Oktober-Historie beispielsweise vom DAX anschaut. Der deutsche Leitindex hat seit 1959 im Schnitt im ersten Monat des vierten Quartals 0,59 Prozent bisher zulegen können. Gerade die vergangenen beiden Jahre (nach Corona) waren äußerst erfolgreich: 2022 sattelte der DAX mehr als 9,4 Prozent im Oktober auf, 2021 waren es 2,8 Prozent.

In diesem Sinne, bleiben Sie weiter engagiert (an der Börse),

Ihre marktEINBLICKE -Herausgeber

Christoph A. Scherbaum & Marc. O. Schmidt