Das Risiko der Gewinnrezession

Die „Earning Season“ für das erste Quartal läuft an | Amerikas Banken haben geliefert

(Bildquelle: unsplash / Kit Suman)

Amerikas große Banken haben am Freitag die neue „Earning Season“ eingeläutet. In den kommenden Wochen werden Anleger wieder mit der Bilanzwelle für das erste Quartal 2023 konfrontiert sein und jede Menge Prognosen und Ausblicke verarbeiten müssen.

Der Start mit den Bankbilanzen zum Wochenschluss verlief derweil schon einmal gut. So überzeugten insbesondere JPMorgan Chase und Wells Fargo mit ihren Geschäftsberichten. JPMorgan schraubte sogar das Gewinnziel für 2023 nach oben, während Wells Fargo dem Markt mitteilen konnte, im ersten Quartal weniger abgeschrieben zu haben als befürchtet. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor waren es gute Nachrichten.

Der breite Markt wird kämpfen müssen

Dennoch: Marktexperten sind für die gesamte Berichtssaison eher verhalten eingestellt. „Die Erwartungen an das S&P-500-Gewinnwachstum wurden unter anderem aufgrund der Turbulenzen im Banken- sowie im Immobiliensektor in den vergangenen drei Monaten um 6,4 Prozentpunkte gesenkt.

Damit dürften die Gewinne gegenüber Vorjahr um durchschnittlich 5,2 Prozent gesunken sein. Das wäre der zweite Gewinnrückgang in Folge, was den Beginn einer Gewinnrezession markieren würde“, schreibt beispielsweise Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank.

Der Start mit den Bankbilanzen zum Wochenschluss verlief derweil schon einmal gut. (Bildquelle: Pixabay / Leonhard Niederwimmer)

Nur bestimmten Branchen dürften überzeugen

Der Experte erwartet lediglich „dynamisch wachsende Profite“ bei den Herstellern zyklischer Konsumgüter im Schnitt mit 36,5, Industriewerte mit 17,1 sowie Öl- und Gasaktien mit 13,7 Prozent. Dagegen sollten sinkende Gewinne „in den Sektoren Grundstoffe mit 32,9, Gesundheitswesen mit 18,9, Technologie mit 14,4, Kommunikationsdienste mit 12,3 und Versorger mit 10,1 Prozent vorzufinden sein.“

Die Sektoren Finanzen, Basiskonsum und Immobilien könnten sich vergleichsweise stabil gehalten haben, so Stephan weiter und ergänzt: „Das Umsatzwachstum wird aufgrund der rückläufigen, aber erhöhten Inflation mit 1,6 Prozent leicht positiv erwartet. Das bedeutet auf Indexebene eine weitere Stauchung der Margen.“ Dennoch dürfte man als Anleger der Berichtssaison zum ersten Quartal etwas Gutes abgewinnen, so Stephan. Konkret:

Prognosen könnten ernüchternd ausfallen

„Angesichts der robusten Konjunktur im ersten Quartal stehen die Chancen aber gut, dass die Unternehmen die Erwartungen übertreffen werden – das könnte den S&P 500 aufgrund der angeschlagenen Stimmung antreiben. Fraglich ist jedoch, ob die mögliche Freude lange währen kann. Die Vorstände werden in Anbetracht des unsicheren makroökonomischen Umfelds wohl kaum rosige Prognosen aufstellen, worunter die Gewinnerwartungen der kommenden Quartale leiden könnten.“

Autsch. Da war sie wieder. Die Skepsis, die eng mit der Geldpolitik der Fed verbunden ist. So analysiert Stephan auch weiter: „Da sich die Geldpolitik vorerst in restriktivem Territorium bewegt und die US-Konjunktur weiter abzukühlen droht, halte ich die Konsensus-Prognose einer Erholung auf ein zweistelliges Gewinnwachstum bis Ende dieses Jahres für optimistisch. Daher erscheint mir das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 19 recht teuer.“

Nicht weniger verhalten äußert sich auch Justin White, Portfoliomanager bei T. Rowe Price.  „Es lässt sich nicht leugnen, dass die Stimmung der Anleger im vergangenen Jahr instabiler geworden ist. Die Aktien, die den Markt anführen, verändern sich unabhängig von den Fundamentaldaten ungewöhnlich schnell, was es schwieriger macht, verlässliche Alpha-Quellen zu finden.“ Im Hinblick auf das Chance-Risiko-Verhältnis sei laut White der US-Aktienmarkt im Großen und Ganzen teuer, was bedeute, dass die Performance wahrscheinlich von der die Auswahl einzelner Aktien abhänge.

Fundamental gute Aktien bringen es

Ein weiteres interessantes Merkmal des US-Aktienmarktes sei, „dass die Unternehmen, die seit Jahresbeginn die höchsten Renditen erzielt haben, ihre Gewinnziele verfehlt haben. Diejenigen, die ihre Gewinnerwartungen erfüllt haben und deren Fundamentaldaten robust zu sein scheinen, haben dagegen im Allgemeinen eine unterdurchschnittliche Performance erzielt.“ Was heißt das nun für Anleger? Für White ist die Antwort einfach:

Die Erfahrung zeige, „dass sich die Märkte letztlich rational verhalten und dass die führenden Aktien des vergangenen Zyklus nicht immer dieselben sind, die auch in Zukunft führend sein werden. Die Geschichte lehrt uns auch, dass fundamental gute Unternehmen langfristig besser abschneiden als der Markt, und ein All-Cap-Anlagekonzept ist der Schlüssel, um diese Unternehmen zu finden.“

Wie läuft die Konjunktur in Deutschland? Die ZEW-Daten geben einen Eindruck. (Bildquelle: unsplash / Dominik Lückmann)

Das bringt die neue Börsenwoche (KW16-2023)

Die neue Handelswoche birgt viel Potenzial für deutliche Kursbewegungen. Am Dienstag werden hierzulande beispielsweise die ZEW-Konjunkturerwartungen veröffentlicht. Das Konjunkturklima hat sich laut der Helaba von den Schocks des Jahres 2022 erholt. „Nun wird der Weg nach oben weniger zügig voranschreiten. Die ZEW-Erwartungen dürften sich kaum verbessern“, so die Einschätzung der Helaba. Aktuell sei nicht zu erkennen, „warum die Konjunktur in sechs Monaten trotz der Wirkung der restriktiveren Notenbankpolitik lebhafter sein sollte. Die jüngsten deutschen Außenhandelsdaten sowie Aufträge und Produktion im Verarbeitenden Gewerbe dürften allerdings dazu beitragen, dass zumindest die Einschätzung der aktuellen Lage etwas günstiger ausfällt.“ Auch bei der Deka ist man verhalten, da der Makro-Ausblick belastet bleibe. „Die Inflationsentwicklung dürfte die Europäische Zentralbank zu einer weiteren Straffung der Geldpolitik veranlassen, steigende Kreditausfälle sind zu erwarten und die Bankenturbulenzen sind auch noch nicht vergessen.“

Ebenfalls am Dienstag werden in Peking die neuesten Daten zu Chinas BIP veröffentlicht. Einmal mehr lautet die Frage: Wie verlässlich sind diese, welche Aussagekraft haben die Daten wirklich? „Legendär ist inzwischen die Aussage des gerade abgelösten Ministerpräsidenten Li Keqiang, dass er selber den Zahlen nicht getraut habe und stattdessen auf alternative Daten geschaut hätte, die dann als „Li-Keqiang-Indikator“ bekannt wurden“, kommentiert die Helaba.

Am Donnerstag steht der EZB-Turm in Frankfurt im Fokus.  (Bildquelle: unsplash / Jannik Selz)

Am Donnerstag steht der EZB-Turm in Frankfurt im Fokus. Bei ihrer Ratssitzung am 16. März hatte die EZB die Leitzinsen zwar um 50 Basispunkte angehoben, wie sie es im Vorfeld in Aussicht gestellt hatte. Gleichzeitig war sie mit Signalen über ihre zukünftige Geldpolitik jedoch sehr vorsichtig. Präsidentin Lagarde stellte lediglich klar, dass weitere Zinsschritte notwendig sein werden, falls das makroökonomische Basisszenario Bestand behält. „Die Zusammenfassung dieser Sitzung dürfte nun zeigen, dass dieser Aussage eine kontroverse Diskussion vorausging. Einerseits sorgten die kurz zuvor aufgekommenen Probleme im globalen Bankensystem für eine erhebliche makroökonomische Unsicherheit. Andererseits ließ der Inflationsausblick wenig Spielraum, aus rein präventiven Gründen auf weitere Leitzinserhöhungen zu verzichten“, schreibt die Deka in ihrem Wochenausblick weiter.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Die zu Ende gegangene Börsenwoche verlief für den DAX gut. Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer legte im Wochenvergleich weiter zu. Aktuell scheint sich das Gros der Marktteilnehmer nicht von den angeblich vom Bankensystem ausgehenden Unsicherheiten (wie es diverse Marktstimmen seit Wochen immer wieder schreiben) beeindrucken. Man konzentriert sich eher auf die „üblichen Verdächtigen“ unter den Themen: Inflation und Geldpolitik – und eben auf die neue Berichtssaison.

Das ist gut so – bloß nicht nervös werden. Das führt nur zu unüberlegten Aktionen, die am Ende Verluste mit sich bringen. Bleiben Sie cool, investieren Sie nach wie vor in Baustein-Aktien wie beispielsweise LMVH. Der Luxuskonzern hat diese Woche mit seinen neuen Umsatzzahlen eindrucksvoll gezeigt, wie Börse geht …

In diesem Sinne, bleiben Sie weiter engagiert (an der Börse),

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt